Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Witze, Geschichten und jede Menge Pflaumen
KÜHREN/MZ. - Der Heimatverein lud alle Interessierten zu einer solchen gemütlichen Runde ein. Was heute als lustige Freizeitveranstaltung gilt, war damals einfache Notwendigkeit. Denn wie von den älteren Kührenern berichtet wurde, zählte eine "Bemme" mit Pflaumenmus zur Grundversorgung, besonders in der Erntezeit. Heute nun, einige Jahrzehnte später, gilt das selbst hergestellte Pflaumenmus als echte Delikatesse.
Doch nicht nur des leckeren Brotaufstrichs wegen kamen die Kührener am vergangenen Wochenende zusammen. Sondern auch und hauptsächlich, um die Dorfgemeinschaft etwas aufleben zu lassen. Denn während die Leute stundenlang die quackernde Pflaumenmasse rührten, wurden eben auch allerhand Witze, lustige Geschichten, Neuigkeiten und Erfahrungen ausgetauscht.
Schon am Samstagnachmittag machten sich etwa 15 Leute über insgesamt 180 Kilogramm reife und saftige Pflaumen her, um diese von ihren Steinen zu befreien. Viele der Kührener hatten selbst Pflaumen im Garten und spendeten diese. Am Sonntagmorgen um sieben Uhr schließlich wurden die beiden großen Kessel angeheizt. Vorher jedoch mussten die Innenwände der Kessel mit Speckschwarte eingerieben werden, um ein Anbacken der Pflaumenmasse zu verhindern.
Von dieser Stunde an wurde die Masse mit speziellen Musrühren, die ebenfalls aus der Nachkriegszeit stammen, in Bewegung gehalten. "Das Mus darf nicht anbrennen, sonst schmeckt es nicht mehr", erklärte Petra Westphal, als Hauptinitiatorin dieser Veranstaltung. Jeder war mal an der Reihe und schwang die hölzerne Musrühre durch die quackernde Masse. Der Rest der Truppe vergnügte sich während dessen in gut gelaunter Runde auf dem Dorfplatz. Es wurde gelacht und geplaudert. Und ab und zu gab es auch ein Gläschen Sekt.
Als beste Witzeerzählerin unter den größtenteils Frauen erwies sich die 83-jährige Marianne Borghardt. "Hier werden viele Witze erzählt, doch die sind nichts für die Zeitung", scherzte die kecke Seniorin. Überhaupt ist sie die Älteste unter den Muskocherinnen. Sie ist mit viel Eifer dabei und sorgte gemeinsam mit ihrer Helferin schon am frühen Morgen für das nötige Feuer unterm Kessel.
Um drei Uhr nachmittags schließlich war es endlich soweit. Die pflaumige Masse hatte die perfekte Konsistenz erreicht. "Wenn man mit der Musrühre eine Acht rühren kann und diese nicht zerläuft, ist das Mus fertig", erklärt Petra Westphal. Solche und viele andere Weisheiten rund um die Kunst des Muskochens wurden von den älteren Damen unter ihnen überliefert. Wie Hartmut Lehmann als Vorsitzender des Heimatvereins erklärt, sollen mit diesen Aktionen des Heimatvereins derartige Traditionen auch an jüngere Einwohner weiter gegeben werden. Nach der Fertigstellung des köstlichen Brotaufstrichs wurde alles in etwa 150 hübsche Gläser abgefüllt und beschriftet. "Echtes Kührener Pflaumenmus aus dem Kessel" war darauf zu lesen. Diese Gläser werden dann für 2,50 Euro pro Stück verkauft. Heiß begehrt sind diese meist auch schon vorher reserviert.
Zuerst jedoch wurde das noch warme Pflaumenmus auf frischem Brot, gesponsert von der Kührener Bäckerei Wehling, an Ort und Stelle verkostet. "Hmm lecker und dazu ganz ohne irgendwelche Zusatzstoffe", freut sich Marianne Borghardt. Das Rezept nach alter preußischer Art jedoch sollte das Geheimnis der Kührener bleiben. Nach getaner Arbeit wurden die großen Kessel gesäubert und für das nächste Jahr verstaut. Denn bereits seit fünf Jahren findet das Pflaumenmuskochen in Kühren statt. Da die Pflaumenernte nun nicht jedes Mal so reichlich ausfällt, wurde eines Jahres aufgrund von schwacher Ernte gebuttert statt Mus gekocht. Auch diese selbst hergestellte Butter nach alter Tradition fand reißenden Absatz. Und der eigentliche Sinn der Sache wurde ebenfalls erfüllt. "Die Gemeinschaft ist das Schöne an der ganzen Sache", bestätigte Marianne Borghardt. Auch Petra Westphal resümierte zufrieden: "Wir hatten viel Spaß an der Freude."