Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Wie beim Hofball des Fürsten Ludwig
Köthen/MZ. - So wie am Sonnabend im Bach-Saal des Veranstaltungszentrums könnte es auf einem Hofball des Fürsten Ludwig I. von Anhalt-Köthen (1579-1650) zugegangen sein: Hofdamen in schweren Gewändern aus Brokat, Samt, Leinen, seltener Baumwolle fassen ihre nicht minder prächtig in Rot, Grün, Braun und Schwarz gekleideten adeligen Kavaliere bei den Händen. Die Hofgesellschaft bildet im prunkvollen Saal einen Kreis um den Tanzmeister. Der gibt zur getragenen Musik der Kapelle die Anweisungen: "Und Schritt nach links, Schritt, Schritt, und Sprung, Sprung, Sprung". Den lächelnden Gesichtern der Damen und Herren ist anzusehen: Dieser Tanz macht ihnen unheimlich Spaß.
Innerhalb der Feiern zum 800-jährigen Jubiläum Anhalts hatte die Tanzgruppe Saltatio Burgus (Burgtänzer) Köthener mit einen Faible für Kostüme, Tänze und Musik der Renaissance zum "Hofdantz" mit Maskerade auf das Schloss eingeladen. Das Besondere daran: Vor dem Ball und dem Festbankett konnten die Besucher von Zeremonienmeister Thomas Müller und seinen Mitstreitern die in der Renaissance (15. / 16. Jahrhundert) üblichen Tanzschritte erlernen und sich dann beim "Hofdantz" in den Kreis einreihen. Etliche Besucher hatten sich dann tatsächlich entschieden, bei diesem ebenso bunten wie ungewöhnlichen Ereignis nicht nur Zuschauer zu bleiben. Mit etwa 70 in historische Gewänder gekleideten Mitwirkenden bot der Bach-Saal dann am Abend eine bezaubernde Kulisse.
Einen solchen "Hofdantz" hat die Dessauer Tanzgruppe 2010 schon im Schloss Plötzkau und im vorigen Jahr im Schloss Bernburg gestaltet. "Dieses Jahr soll es besonders schön werden", informierte Thomas Müller von Saltatio Burgus vor dem Fest, dass man sich in Anhalts Jubiläumsjahr besondere Mühe gegeben hat.
Das gemeinschaftliche Erleben eines solchen Festes habe in der Renaissance eine große Rolle gespielt, erklärt Thomas Müller . Deshalb hätten Paartänze kaum eine Rolle gespielt. Man habe sich vielmehr bei den Händen gefasst und einen Kreis gebildet, um dieses Gemeinschaftsgefühl auszudrücken. Dafür, dass sich die Gruppe der Renaissance verschrieben hat, gibt es einen historischen Grund: Im Mittelalter, als die Menschen nicht weniger gern tanzten, gab es kaum jemanden, der die Choreografien niederschreiben konnte. Und für die schriftkundigen Mönche war Tanzen eine Sünde. Erst in der auf das Mittelalter folgenden Renaissance, erklärt Thomas Müller, hätten Tanzmeister die Choreografien und Melodien aufgeschrieben. Aus dieser Zeit gebe es mehrere Tanzbücher, auf die sich heute Gruppen wie Saltatio Burgus stützen. Auch Gesellschaftstänze des Barock hat der Verein einstudiert. "All diese Tänze zu erlernen ist nicht schwierig, und ein Fehltritt ist nicht schlimm", ermutigte Zeremonienmeister Müller am Sonnabend die Laien unter den Gästen. Wer von ihnen kein zum Fest passendes Gewand hatte, dem wurde ein Verleih vermittelt.
Kostüme trage man nicht. "Wir sind hier doch nicht beim Fasching", stellte Thomas Müller klar. Die historischen Gewandungen seien Maßanfertigungen nach historischen Vorbildern und mit den überlieferten Stoffen. "Da kommen sie mit 100 Euro nicht weit", deutet er an, dass man für diese Leidenschaft schon etwas investieren muss.
Müller hatte mit seiner Frau 2008 im Kloster Arnstein einen Workshop "Mittelalterliche Tänze" mitgemacht. Seitdem sind sie von dieser Kultur begeistert. "Wir wollen Anhalts Geschichte aus den trockenen Büchern holen und sie den Menschen lebendig nahebringen. Sie sollen diese herrliche Musik hören, diese rauschenden Feste erleben, sie sollen erfahren, wie die Leute in der Renaissance ausgesehen haben, was sie dachten und welchen Geschmack sie hatten", beschreibt Müller das Anliegen seines Vereins. Auch Persönlichkeiten jener Zeit wie den Dessauer Fürsten Joachim Ernst und Bernhard VII. von Anhalt-Zerbst wolle man würdigen. Ende Juni plant Saltatio Burgus deshalb eine "Tafel der askanischen Geschichte" mit Darstellern bedeutender Vertreter des Fürstenhauses, darunter Albrecht der Bär, Leopold I., "Vater Franz" und Sophie Friederike Auguste von Anhalt-Zerbst, die spätere Zarin Katharina II.
Seit vorigem Jahr arbeitet Saltatio Burgus mit der Leipziger Tanz- und Musikgruppe "Freidanz" zusammen. "Gleich bei unserem ersten Besuch in Dessau waren wir begeistert von einander", berichtete "Hofdame" Hatifa aus Leipzig.