Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Trotz Verbot geht Alkohol an Jugendliche
Köthen/MZ. - Wenn Jugendliche zu Babette Nitschke in den Kiosk in der Johann-Sebastian Bach-Straße kommen und Zigaretten oder Alkohol kaufen wollen, schaut die Köthenerin auf ihren Spickzettel. "Jugendschutz 2012" steht dort, darunter hat sich die 45-Jährige notiert, ab welchem Alter Bier und Wein oder "Schnapps und Kippen", an junge Leute verkauft werden dürfen. Ein Abgleich mit dem Personaldokument - schon ist für sie die Sache klar. "Ich bin doch selbst Mutter", begründet die 45-Jährige, die die Verkaufsstelle seit 1998 betreibt, ihr korrektes Verhalten. Außerdem weiß Sie, dass ein Verstoß für sie teuer werden könnte.
"So sollte es sein", sagt Bernhard Böddeker, beim Landkreis Anhalt-Bitterfeld zuständig für Sicherheit, Ordnung und Kommunales und damit auch für die Einhaltung der entsprechenden Paragrafen des Jugendschutzgesetzes. Zum dritten Mal in Folge hat der Landkreis in diesem Jahr Testkäufe in Verkaufseinrichtungen durchgeführt, die Alkohol und Tabakwaren im Sortiment haben. Sowohl den Tante-Emma-Laden an der Ecke als auch den Discounter, die Tankstelle, den Baumarkt oder Supermarkt nahmen die Tester zwischen dem 11. April und dem 9. Mai 2012 unter die Lupe.
Sechs Praktikanten, die in den Jahren 1994 oder 1995 geboren sind, wurden dafür ausgewählt. "Wir haben dabei extra Wert auf ein jugendliches Erscheinungsbild gelegt", sagt Marcel Merklein vom Ordnungsamt des Landkreises. Während sich die 16- und 17-Jährigen mit mehreren Packungen Zigaretten, alkoholischen Getränken oder einer DVD in die Schlange an der Kasse einreihten, hielten sich die Vertreter der Behörde im Hintergrund und beobachteten die Reaktion der Verkäufer. "Dabei haben wir denen genügend Zeit gelassen, um ihre Entscheidung eventuell noch zu korrigieren", beschreibt Merklein das Vorgehen, das protokolliert und mit den Betroffenen später ausgewertet wurde.
Leider haben sich nicht alle Verkäufer so streng an die Vorschriften gehalten wie Babette Nitschke, berichtete Merklein am Donnerstag bei der Auswertung der Testkäufe. Zwar sei die Zahl der Verstöße gegenüber dem Vorjahr von 70,3 auf unter 40 Prozent gesunken. "Zufriedenstellen kann uns das aber nicht", betont Böddeker und kündigt weitere Kontrollen an. Zumal es auch "Wiederholungstäter" gab: Elf Verkaufsstellen, darunter zweimal dieselben Verkäufer.
"Von 87 durchgeführten Testkäufen waren 34 erfolgreich", erläutert Merklein. Wobei "erfolgreich" bedeutet, dass ein Verkauf entgegen dem Gesetz zustande kam. Entweder fand keine Kontrolle des Personaldokumentes statt (12 Mal) oder es wurden trotz Kontrolle Alkohol und Zigaretten an nicht berechtigte Personen verkauft (22 Mal). Oft gaben die Verkäufer zu ihrer Entschuldigung an, sich auf ihr Bauchgefühl verlassen zu haben. Dabei gibt es empfindliche Bußgeldstrafen für die "schwarzen Schafe". Sie reichen von 50 Euro beim Verkauf von Zigaretten an unter 18-Jährige durch eine Verkäuferin bis zu 400 Euro für Marktleiter (Abgabe von Branntwein an unter 18-Jährige) .
Ein solches Risiko möchte der Leiter des Köthener NP-Marktes in der Wallstraße, Olaf Meier, gar nicht erst eingehen. "Bei uns werden die Kollegen regelmäßig geschult. Wir haben dafür auch ein Kassenwarnsystem", erläutert er. Läuft im NP-Markt zum Beispiel eine Schachtel Zigaretten oder eine Flasche Bier übers Band, wird der Verkäuferin automatisch angezeigt, wann der Käufer geboren sein muss, um die Ware zu erwerben. "Die Verkäuferin Eva Plüsche hatte 17 Kunden an der Kasse (...), nichtsdestotrotz prüfte Frau Plüsche das Lebensalter gewissenhaft, nicht nur flüchtig", heißt es in der Auswertung des Testkaufs im NP-Markt. Doch trotz Warnsystem und Ausweiskontrolle wurde nicht in jedem Fall gesetzeskonform gehandelt, sagen Böddeker und Merklein. Die 16- und 17-Jährigen Testkäufer waren in zwölf Fällen auch dann erfolgreich, wenn zuvor ihr Alter überprüft wurde.
Fehlendes Problembewusstsein, Gleichgültigkeit, zum Teil auch Stress an der Kasse sind für die Tester mögliche Gründe, warum Verkäuferinnen oder Marktleiter sich nicht ans Gesetz halten. Reines Umsatzdenken wollen sie aber nicht unterstellen. Darauf habe es in den anschließend geführten Gesprächen keinen Hinweis gegeben, sagt Böddeker.