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Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Majestät mit Klangkrone

Von Claus Blumstengel 24.08.2012, 17:31

Aken/MZ. - In den 40 Minuten vor dem Konzert des Duos Vimaris überzeugte der Erfurter Universitätsorganist Wieland Meinhold seine Gäste davon, dass die Akener Majestät eine liebe alte Bekannte von ihm ist. Zum dritten Mal schon lüftete er ihre Geheimnisse vor interessiertem Publikum. Das erfuhr zum Beispiel, dass im Inneren der über Hundertjährigen etliche Ziegelsteine den Balg beschweren, um den nötigen Luftdruck zu erzeugen. St. Nikolai hat eine pneumatische Orgel, die 30 Register werden nicht mechanisch, sondern mit Druckluft angesteuert. Dafür jedoch muss schon lange niemand mehr den Balg treten. Seit 1926 betätigt der Organist nur noch einen Schalter für den elektrischen Antrieb.

Sichtlich freute sich Wieland Meinhold über die neugierigen Kinder auf der Orgelempore. "Wenn man sie heute begeistert, hat man sie morgen als Publikum", ist er überzeugt.

Dann zog der Organist das Register Principal 8 - die "männliche Stimme". Unsichtbar im Innern der Orgel schoben sich Löcher in Schleifenbrettern übereinander und leiteten die Druckluft auf mehrere Orgelpfeifen gleicher Klangfarbe. Dann setzte er mit "Principal 4", der weiblichen Stimme, noch einen drauf, führte die zwei Manuale und das Pedal vor und ein voller Klang erfüllte die Kirche.

"So eine Orgel hat eine Seele", machte der Musiker aus seiner Begeisterung keinen Hehl. Sie sei ein ganzes Orchester mit Gambe, Violine, Cello, Trompeten und Posaunen. "Ist das nicht herrlich", schwärmte Meinhold, als er die sanfte "Himmelsstimme" ertönen ließ, deren Klang "man fast einatmet".

"Jetzt kommt die Königin ins Spiel", kündigte Meinhold an, dass er nun alle Register ziehen würde, wie etwa bei einer Hochzeit, um dem vor der Kirche wartenden Brautpaar zu signalisieren, dass es Zeit ist zum Traualtar zu schreiten. Ein mächtiger Klang, "eine Klangkrone" erfüllte das Kirchenschiff und war sicher weithin zu hören.

Behend sprang der Organist auf seinen Schemel, um die Besucher hoch oben auf eine Inschrift des Orgelbauers Ernst Röver hinzuweisen. Als Meinhold dann erzählte, er sei Hobbyartist, zweifelten die Zuhörer keine Sekunde.

Bei allem Respekt vor dem ehrwürdigen Instrument verhehlte der Künstler nicht, dass auch so eine pneumatische Königin ihre Eigenheiten hat. "Die hohen Töne sind pünktlich, die dunklen brauchen eine Weile, um sich zu entwickeln", deutete er eine Schwierigkeit für jeden Organisten an. Die meisten Pfeifen der Röver-Orgel in St. Nikolai seien zudem aus Zink. Auf Erlass Kaiser Wilhelms II. seien die Zinnpfeifen 1917 vor dem I. Weltkrieg entnommen und durch Pfeifen aus Zink ersetzt worden. Aus dem Zinn wurde Munition gegossen.

Als wollte sie ihrem Ärger darüber Luft machen, spielte Majestät ihrem Organisten an jenem Abend noch einen bösen Streich: Natürlich wollte Wieland Meinhold seinen Zuhörern den tiefsten Ton vorführen, der mehr zu spüren als zu hören war. Und dann den höchsten, dessen Register - oh Schreck - hängenblieb. Das hätte einen unpassenden und mit der Zeit nervenden Dauerton während des anschließenden Konzerts "Mozartiana" gegeben.

"Das ist jetzt mein Problem", meinte Meinhold trocken, der mit solcherlei Gebrechen seiner zumeist hochbetagten Instrumente nicht zum ersten Mal konfrontiert schien und mit dem Drücken und Ziehen verschiedener Tasten und Hebel einen Organisten-Notfallplan abzuarbeiten schien. Doch Majestät machte beharrlich "piiiiiep". "Jetzt kommt mein letzter Kniff", verhehlte Meinhold nicht, dass er nun mit seinem Latein fast am Ende war. Mittels eines Hebels gab er einen Druckluftstoß in das streikende Register und siehe da - der Ton verstummte.

"Den fasse ich heute nicht mehr an", versicherte der Organist. Dass musste er auch nicht; denn in keinem der während des anschließenden Konzerts von Meinholds Ehefrau Mirjam vom Deutschen Nationaltheater Weimar gesungenen Werke hatte Mozart einen derart hohen Ton vorgesehen.

Weitere Informationen über den Organisten und über das Duo Vimaris finden Sie im Internet.