Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: In Körnitz gibt es fast so viele Falken wie Einwohner
körnitz/MZ. - So kann es gehen, wenn man zu eifrig ist. Als junger Turmfalke jedenfalls. Da versucht man, dem Beringer zu entgehen und stürzt ab, segelt durch die Luke und landet - ein wenig unsanft - auf dem Boden. Wo man dann doch gegriffen und in den Korb gepackt wird. "Hier wir jeder beringt", sagt Jürgen Luge mit fester Stimme.
Jeder Turmfalke jedenfalls. Da ist Jürgen Luge, seit Jahrzehnten ornithologisch tätig, der Fachmann im Altkreis Köthen. Wie viele Falken der Mann aus Köthen im Laufe seines Lebens schon beringt hat, bedürfte einer längeren Recherche, ist aber wohl nicht unmöglich: Luge trägt alle notwendigen und ermittelbaren Daten mit spitzen Stift in ein kleines Notizbuch ein, in miskroskopisch kleiner Schrift. Jedes Jahr wird ein neues Buch angefangen.
Vier Käste für Falken
Und seitdem Körnitz ein fester Punkt auf der Turmfalken-Landkarte geworden ist, kommt Jürgen Luge auch regelmäßig in den kleinen Ort, der quasi ein Ortsteil vom Ortsteil ist, in dem 45 Menschen wohnen. Und nicht viel weniger Turmfalken. Inzwischen gibt es - dank menschlicher Hilfe - in Körnitz vier Turmfalkenkästen. Zwei in einer ehemaligen Trafostation, die nach dem Ende der wirtschaftlichen Nutzung als Eulenturm Verwendung fand. Ein Kasten steht auf dem Grundstück von Marc Wasner und einer bei Gitta Linde. Wenn alles ausgebrütet ist, was derzeit als Ei in den Kästen liegt, wird Körnitz in absehbarer Zeit 26 Turmfalken haben - vier Elternpaare und 18 Junge. Es hätte ein Jungvogel mehr sein können, aber eins der Eier aus einem der Turmgelege sei taub geblieben, wird informiert.
Und für den kleinen Ort ist es jedesmal ein besonderes Fest, wenn zum Beringen der ersten geschlüpften Falken auf den Dorfplatz eingeladen wird. Es ist zwar nicht so, dass der Dorfplatz dann vor Menschen überquillt, aber das Interesse ist schon beeindruckend - auch aus umliegenden Orten kommen Besucher vorbei. Der Tag am Eulenturm ist für viele eine besondere Veranstaltung.
Ungewöhnliches ganz nah
Was seinen Grund hat. Denn hier wird dem Beringer Jürgen Luge bei seiner Arbeit neugierig über die Schulter geschaut, und vor allem Eltern mit kleinen Kindern nutzen die Chance, ihren Kleinen ungewöhnliche Vögel ganz aus der Nähe zeigen zu können. Wozu man nicht einmal im Eulenturm aufwärts entern muss: Die Falken werden geholt.
"Die Falken sind jetzt alle unten", sagt Gitta Linde. Ihr ist die Entwicklung von Körnitz zum Falkendorf in besonderem Maße zu verdanken. Dass das Trafohäuschen zum Eulenturm werden konnte, geht mit auf ihr Konto, dass man das Gebäude längst in einen Dorftreff verwandelt hat, ebenso. Gitta Linde ist ungemein aktiv, wenn es darum geht, um Unterstützung für das Dorf zu werben. Was vor gut fünfeinhalb Jahren einmal dazu führte, dass das damalige Kuratorium der Bürgerstiftung der Kreissparkasse Köthen im Eulenturm eine turnusmäßige Sitzung durchführte - und Gitta Linde wundert sich heute noch, wie es gelungen ist, in den Turm, der ja nur aus einem vielleicht zweieinhalb Quadratmeter großen Raum besteht, elf ausgewachsene Männer hineinzustopfen. Dass es so war, bezeugt ein Eintrag im Gästebuch.
Doch sind das nur nette Geschichten am Rande. Für die Körnitzer ist es viel wichtiger, dass der Eulen- oder Falkenturm, ganz wie man es betrachtet, auch weiterhin ein Ort ist, wo sich Umwelt und Menschen treffen. Und dass das Gebäude schon so etwas ist wie ein Symbol für das gelungene Zusammenleben von Mensch unn Tier Dafür setzt man sich auch auf pädagogischem Wege ein. Im Eulenturm finden sich Präparate von den Tieren, die hier zu Hause sind, so dass man Besuchern auch auf diesem Wege erklären kann, was es mit Turmfalken und Schleiereulen auf sich hat. Eine Tafel gibt Auskunft darüber, wie viele Falken in Körnitz das Licht der Welt erblickt haben - eine kleine Aktualisierung täte aber auch mal not.
Erfolgreiches 2011
Lohnen würde sich das auf alle Fälle, wie Jürgen Luge feststellt. Zu 2012 kann der Turmfalken-Vater zwar noch nichts Abschließendes sagen, zu 2011 aber schon: Da wurden in Körnitz drei Bruten mit 18 Jungtieren registriert - das nennt man erfolgreich. Nur mit der Schleiereule hat man in diesem Jahr in Körnitz Pech gehabt. Die hat den vielen Schnee nicht überlebt.