Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Die Zahlen haben gesprochen
AKEN/MZ. - Die Nachricht hätte Horst Kreiseler und seine Frau zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt erreichen können. Gerade jetzt, wo seine Schwiegermutter gestürzt ist und mit gebrochenem Becken im Krankenhaus liegt, erfahren sie, dass die NP-Verkaufsstelle in der Akener Bärstraße geschlossen wird. Und zwar schon in diesem Monat. Am 29. Oktober ist der letzte Tag.
Eleonore Räder, Horst Kreiselers Schwiegermutter, ist 88. Sie wohnt in der Köthener Straße, ganz in der Nähe des Supermarktes. "Selbstständig einkaufen gehen zu können, das war für sie immer eine Bestätigung. Das funktioniert dann nicht mehr. Sie kommt doch nirgends mehr hin", fürchtet er. Wie es nach dem Krankenhausaufenthalt weitergehen soll, wenn er und seine Frau nicht mehr in Aken sind, er weiß es nicht. "Hier ist wieder einmal sehr unüberlegt und altenunbewusst gehandelt worden", schimpft er.
Donnerstag vor einer Woche haben die Beschäftigten von der Schließung der NP-Verkaufsstelle erfahren. Das Aus - eine Überraschung, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt. Anfang August ist in der Gartenstraße ein neuer NP-Markt eröffnet worden. Mitarbeiter und Kunden ließ man damals in dem Glauben, dass der alte im Zentrum weiter bestehen würde, sofern die Zahlen stimmen.
Aber die Zahlen stimmen nicht, wie aus der Pressestelle von Edeka Minden-Hannover, wozu NP gehört, zu erfahren ist. "Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir beobachten, wie die Angebote genutzt werden, und prüfen, ob es wirtschaftlich ist, beide Märkte parallel zu betreiben", erklärt Alexandra Antonatus. Und der neue Markt in der Gartenstraße werde im Vergleich zum Standort Bärstraße nun einmal deutlich stärker frequentiert. Aus diesem Grund sei die Entscheidung nur folgerichtig: Nach nicht einmal zwei Monaten ist damit das Aus für die frühere Konsum-Kaufhalle beschlossen.
"Das ist nicht fair und eine Verdummung der Kunden", beschwert sich Sabine Elzschich, die fast jeden Tag hier einkauft. Das Angebot stimme, es gebe ausreichend Parkplätze, die Mitarbeiter seien freundlich - aber vor allem könne sie ihre Einkäufe schnell vor oder nach der Arbeit erledigen.
Die Akenerin wohnt in der Altstadt, also ganz in der Nähe. Wie die meisten Kunden. Wie Sabine Elzschich finden die meisten Kunden nicht gut, dass der Markt schließt. Damit sei die Akener Innenstadt komplett tot. Es fehle ein Lebensmittelgeschäft. "Wer soll denn bis in die Gartenstraße laufen, und dann noch bei Schnee und Eis?", denkt eine ältere Dame schon an die kalte Jahreszeit, weiß aber, dass man die Schließung nicht werde verhindern können. "Belämmert" findet sie es trotzdem.
"Vom Prinzip her", sagt Bürgermeister Hansjochen Müller, der noch gar nicht wusste, dass NP in der Bärstraße geschlossen wird, "war das von Anfang klar. Wir müssen die Entscheidung so hinnehmen." In gewisser Hinsicht könne er diese sogar nachvollziehen, auch wenn sie ihm nicht gefalle. "Der neue Markt ist nicht weit weg, er hat mehr Fläche und das größere Sortiment." Außerdem sei es im Interesse der großen Discounter, am Rande der Stadt oder an Bundesstraßen zu bauen, wo sie gut erreichbar sind. Von Vorteil sei, dass sich das Gesamtangebot in Aken durch den Neubau nicht verschlechtere, "auch wenn die Wege für einige etwas weiter werden".
Das Friseurgeschäft in der NP-Verkaufsstelle soll bis auf weiteres dort bleiben. Edeka prüfe, heißt es in der Pressestelle, wie das Objekt, das man gemietet hat, anderweitig genutzt werden könnte. Die zehn Mitarbeiter - darunter vier fest angestellte und ein Azubi - erfuhren am Freitagvormittag von Vertriebsleiter Jürgen Nühlen, dass sie in anderen Märkten in der Nähe weiter beschäftigt werden. Welche das sind, sagte er nicht. Auch die Aushilfen könnten bleiben.
An Otto Kreiselers Situation hingegen ändert das nichts. Er wird den Pflegedienst, der sich seit geraumer Zeit um seine Schwiegermutter kümmert, beauftragen müssen, auch die Einkäufe zu erledigen. "Wenn Sie es bezahlen können", meint er, "kriegen Sie heute jede Dienstleistung."
