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Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Der Weg in die Burg

Von Katrin NOack 17.06.2012, 17:21

Köthen/Bernburg/MZ. - Annabell steht draußen und kommt nicht rein. Ihr fehlt der Schlüssel, um in die Burg zu gelangen. Die Burg, das ist die Gruppe ihrer sieben Mitschüler, die dicht aneinander im Kreis stehen - wie eine Burg. Annabell muss raten, was der Schlüssel ist. Während die Mitschüler kichern und Späße machen, wird die Sechstklässlerin immer nervöser und unruhiger. Als sie schließlich den Schlüssel findet - es sind die Schnürsenkel an den Schuhen der Mitschüler - wird sie Teil der Gruppe und sie scheint sich sogleich besser zu fühlen.

Das Burgenspiel ist Teil eines Seminars, bei dem neun Schüler der Freien Schule Anhalt in Köthen zu Streitschlichtern ausgebildet werden. Dabei lernen die Schüler erst einmal, was ein Konflikt ist und wie er gelöst werden kann. "Aus dem Eigensinn soll Gemeinschaftssinn werden", formuliert Leiterin Conny Geißler das Ziel des Seminars. Wichtig dabei sei es, sich in andere einfühlen zu können. Deshalb lernen die Schüler auch die eigenen und die Gefühle anderer zu erkennen und zu benennen. "In den Familien wird selten über Gefühle gesprochen, das fällt den Schülern schwer", weiß Geißler.

Wohl auch deshalb findet das Seminar in neutraler Umgebung statt, abseits des Elternhauses und der Schule in der Jugendherberge nahe des Tiergartens in Bernburg. Hier sprechen die Schüler darüber, welche Konflikte sie in ihrem Alltag erleben und welche Lösungen es dafür gibt. Als ersten Schritt für ein funktionierendes Zusammenleben haben sie Regeln aufgestellt. Die "haben sie heftig diskutiert", berichtet die Seminarleiterin. Beispielsweise was es heißt, nett zueinander zu sein.

Mit verschiedenen Übungen lernen auf andere einzugehen. Nach dem Burgenspiel sprechen sie darüber, wie es sich angefühlt hat, dazuzugehören oder eben draußen zu sein. Sie werten aus und fragen nach. Tim fragt die anderen, wie es war, die Burg zu sein und davor zu stehen. "Es war unfair", antwortet Marius, der wie Annabell in die Burg gelangen musste. Lea und Nina, die zur Burg gehörten, schildern ihr Erleben. "Wir waren eine Gruppe und die anderen wollten dazugehören."

Tim, Marius, Jannick, Annabell, Lea, Nina und die anderen sind mit Eifer bei der Sache in diesem freiwilligen Seminar. Sie wollen lernen "anders mit Streit umzugehen", wie Jannick erklärt. Immer wieder gibt es solche Situationen, wie Tim aus Erfahrung weiß. Er geht schon jetzt bei einem Streit auf dem Schulhof dazwischen. "Ich versuche auch mit Worten zu schlichten, doch das geht nicht bei allen", sagt der Sechstklässler. Und, da sind sich alle einig, man könne nicht bei jedem Streit zu Lehrern oder Eltern gehen. "Das müssen wir selbst klären. Wir können für uns allein sorgen", sagen die Schüler nicht ohne Stolz.

Conny Geißler und auch Schulsozialarbeiterin Katharina Barleben sind sich sicher, dass das Seminar den Schulfrieden fördern wird. "Das Verhalten der Schüler ändert sich. Das Selbstbewusstsein wird gestärkt, weil sie in ihre eigenen Fähigkeiten vertrauen", berichtet die Pädagogin, die in Wolfen den Jugendclub 83 leitet, ihre Erfahrungen mit dem Streitschlichterprojekt. Die Schüler merkten durch das Projekt, das ihre Arbeit auch von der Schule anerkannt wird. Dass die Projektteilnehmer der Freien Schule auf dem Schulhof umsetzen werden, was sie im Seminar gelernt haben, davon ist die Seminarleiterin überzeugt. "Die Kinder sind sehr selbstreflektiert und gehen höflich miteinander um", lobt sie.