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Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: 80 am 29. Februar

Von sylke hermann 28.02.2012, 19:27

merzien/MZ. - Dass Adolf Tauer sich in Lehmanns Wohnstube wie zu Hause fühlt, ist nicht zu übersehen. Der alte Sessel am Fenster ist seiner. Alice Lehmann, die Dame des Hauses, macht es sich auf der Couch bequem. Hier sitzt sie etwas höher, was nach einem schweren Sturm vergangenes Jahr einfach besser für sie sei. "Ich koche uns jetzt einen Kaffee. Sie trinken doch eine Tasse mit?", will sie von Tauer, dem Merziener Ortsbürgermeister, wissen. Der lehnt ab. Doch die 82-Jährige kocht ihn trotzdem. Wenigstens Herbert, ihrem Mann, wird er schmecken. Obwohl es sonst nur am Morgen Kaffee gibt. Das Herz.

Eine schöne Tasse Kaffee

Am Mittwochnachmittag wird Alice Lehmann wieder in der Küche stehen und Kaffee kochen. Ihr Mann hat Geburtstag. Er feiert seinen 80. und das am 29. Februar.

Allzu oft kommt das bekanntermaßen nicht vor. Aber der Jubilar hat sich mit der Zeit daran gewöhnt. "Ich bin zu Hause geboren. Damals hätte man am Datum noch was drehen können", scherzt er und ist der Überzeugung, gemerkt hätte das niemand. Aber er, Herbert Lehmann, hätte wenigstens jedes Jahr ordentlich Geburtstag feiern können. Und nicht nur im Schaltjahr.

Ehrlich gesagt stört ihn das gar nicht. Er kennt es ja nicht anders. So wurde bei Lehmanns immer schon am 28. Februar gefeiert. Wenn sich die Verwandtschaft für den 1. März angekündigt hatte, eben ein zweites Mal. Aber: "Im März", erzählt der Rentner, "wollte ich nicht Geburtstag haben."

Adolf Tauer hat sich dran gehalten und seit jeher am letzten Tag im Februar seine Glückwünsche überbracht. "Diesmal" hatte er im Vorfeld abgeklärt, "komme ich aber erst am 29. Ihr seid doch zu Hause?" "Wo sollen wir denn hin?", schickt der Jubilar hinterher und freut sich auf den Besuch.

Als man 1960 für Merzien einen Schäfer suchte, kamen Herbert und Alice Lehmann - damals Anfang 30 - von Nienburg hierher. Bald 1 000 Schafe wollten in Merzien, das schon immer mit der Schafzucht verbunden gewesen war, betreut werden. "Wenn die anderen spazieren gegangen sind, waren wir im Stall", erinnert sich die Frau. "Die Tiere mussten ja versorgt werden." Der Urgroßvater, Großvater, Vater, Onkel und Cousin Herbert Lehmanns- sie alle verdienten ihren Lebensunterhalt mit dem Hüten von Schafen.

In seiner Heimat, Dornburg an der Elbe, fängt der heute 80-Jährige an. Auf dem Speicher unterm Dach findet er noch ein schön gerahmtes Foto, das ihn und seine Schafe zeigt - mit dem Schloss im Hintergrund. Ziemlich eingestaubt war es. Und Alice, seine Frau, schimpft, dass er sich die Hände schmutzig gemacht hat. Aber er wollte es unbedingt zeigen. Das ist seine Geschichte.

Er züchtet Hunde, Altdeutsche Schäferhunde. Heute hat er keine mehr. Bis 2009 engagiert er sich im Geflügelverein Köthen. Zwischenzeitlich tummeln sich bis zu 90 Hühner auf seinem Hof. Ein paar sind übrig geblieben, "wir wollen ja frische Eier essen", begründet er. Er singt viele Jahre im Chor. Und er fehlt mit seiner Frau bei keiner Feier im Dorf. Beide sind lange in der Seniorengruppe aktiv. "Lehmanns", bekräftigt Adolf Tauer, "sind sehr pflegeleichte Leute."

Kein großer Bahnhof

Zu seinem Runden will er keinen großen Bahnhof. Wer vorbei schaut und gratuliert, bekommt eine Tasse Kaffee, sicher einen Keks dazu. Das Naschen ist im Alter Herbert Lehmanns Laster geworden.

Im Sommer wird man den 80. mit der Familie feiern. Dann kommen die Kinder mit ihren Familien. Fünf Enkel gibt es, vier Urenkel, das fünfte ist untwegs. Auch Horst Dieter, der mittlerweile in Berlin lebt und früher ein enger Freund des Ortsbürgermeisters war, ist dann mal wieder in Merzien. Lange, viel zu lange schon hat man sich nicht gesehen, bedauert der.