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500 Jahre alte Apfelsorte wiederentdeckt

Von UTE HARTLING-LIEBLANG 05.04.2010, 17:56

KÖTHEN/MZ. - Hätte der Köthener Pomologe Manfred Ruppert am Sonnabend eine Urkunde für den Gartenfreund mit dem weitesten Anreiseweg ausgelobt, dann wäre Matthias Hofmann der Favorit gewesen. Der Halle-Neustädter gehörte am Samstagmorgen kurz nach 9 Uhr zu den ersten Besuchern der 11. Anhaltischen Obstreiserbörse im Köthener Obstmustergarten. "Ich bin über Veranstaltungen des BUND in Halle auf Manfred Ruppert aufmerksam geworden", erzählte er. Regelmäßig treffe er den Köthener Pomologen auch im Dieskauer Park, wo Ruppert zusammen mit Gleichgesinnten ein Streuobstwiesen-Projekt betreut.

Viele treue Besucher

Die meisten Interessenten kamen aber wieder aus Köthen und der näheren Umgebung, so aus Piethen, Görzig, Fraßdorf, aber auch aus Dessau. Viele waren nicht zum ersten Mal der Einladung zur Reiser-Börse gefolgt, die Ruppert aller Jahre wieder zu Ostern mit viel Hingabe und Fleiß vorbereitet. Ordentlich gebündelt und nach Sorten beschriftet lagen die Reiser aufgereiht, so dass die Besucher zielstrebig ihre Wahl treffen konnten.

"Bitte wieder ordentlich zusammenbinden", bat Manfred Ruppert einen Gartenfreund, der sich gerade das Bündel mit den Boskoop-Reisern vorgenommen hatte, um sich ein besonders schönes Exemplar auszusuchen. Zu jedem Apfel, den er zum Verkosten mitgebracht hatte, wusste der Pomologe so viele fachliche Details zu vermitteln, dass Laien immer wieder ins Staunen geraten. Und so passiert es nicht selten, dass Ruppert vom Apfel über die Pflaume zur Aprikose kommt, mit denen er sich natürlich auch bestens auskennt. Wer Ruppert kennt, der weiß, dass er auch immer wieder eine Überraschung parat hat. Diesmal war es der Edelborsdorfer, den er weiterempfahl. Das sei eine der ältesten Apfelsorten Mitteleuropas, verriet er. "Er wurde bereits vor 500 Jahren in den Klöstern an der Saale zwischen Jena und Dornburg im kirchlichen Schrifttum erwähnt." 1830 sei der Edelborsdorfer von Köthen aus - in großen Holzfässern verpackt - mit dem Schiff nach Sankt Petersburg gebracht worden, hat Ruppert in der anhaltischen Geschichte nachgelesen. Am Hof des Zaren seien mit diesem sehr vielseitig verwendbaren Apfel auch gebratene Gänse gefüllt worden. Für einige Zeit verliere sich dann die Spur dieses Apfels, doch er sei nach seiner massenhaften Verbreitung und Mutation schließlich wieder zurückgekehrt, erklärt Ruppert. Sein Weg führte unter anderem über die russische Kolonie Alexandrowka bei Potsdam, die um 1827 auf Wunsch des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. im russischen Stil erbaut wurde. Hier lebten unter anderem russische Sänger, die der Zar bei Kriegsende dem Preußenkönig geschenkt hatte. Die großen Gärten, die um die Kolonie angelegt wurden, dienten der Selbstversorgung und enthielten zahlreiche alte Obstsorten, darunter auch den Edelborsdorfer in einer veränderten Form, der von den Pomologen Borsdorfer Alexandrowka genannt wurde und noch heute dort zu finden ist.

Einen Traum erfüllt

Doch zurück nach Köthen, wo sich Manfred Ruppert nach beharrlichem Forschen und Werben vor vier Jahren einen Traum erfüllte und einen Teil des historischen Obstmustergartens wieder zu neuem Leben erweckte. Ganz im Sinne der Köthener Obsttradition von 1915, die maßgeblich durch den Fürstlichen Garteninspektor August Hooff begründet wurde. Heute stehen wieder rund 60 alte Sorten in dem liebevoll gestalteten Schaugarten und an anderen Standorten rings um Köthen. Die Obstreiserbörse fand in diesem Jahre bereits zum vierten Mal in dieser Anlage statt. Zuvor hatte Ruppert stets in den Elsdorfer Weg eingeladen. Seither gibt es viele treue Gartenfreunde, die Manfred Rupperts Einladung Jahr für Jahr folgen, um sich über neue und alte Sorten zu informieren und ihm dabei zuzusehen, wie er die Reise fachmännisch hinter die Rinde der Unterlage pfropft. "Die Wetterlage ist günstig", prophezeite Manfred Ruppert am Samstag den Gartenfreunden. Die hatten auch diesmal wieder zahlreiche Fragen an ihn, von der Sortenwahl über Pflanzenschutz bis hin zu Lagerung und zur Qualität.

Um keine Antwort verlegen

Wie das Obst zu seinem Namen kommt? Auch diese Frage machte den Köthener Pomologen nicht verlegen. Am Beispiel des von ihm geschätzten Leiters des Landesversuchsanstalt Brandenburg in Münchberg, Dr. Hilmar Schwärzel, klärt Ruppert die Besucher auf. Schwärzel ließ neue Aprikosenkreuzungen nach Familienmitgliedern benennen: "Hilde nach seiner Frau und Karl nach seinem Sohn. Nur bei der Tochter hat es nicht ganz geklappt, da ging die Sortenkommission nicht mit", sagt Ruppert. Die junge Frau hieß nämlich Mirelle und das gefiel den Fachleuten offenbar nicht, weshalb die Aprikose jetzt Mino heißt.

Am Ende der Börse gab es am Samstag zwar einige kalte Füße, aber auch viele zufriedene Gesichter. Matthias Hofmann aus Halle Neustadt, der in Teutschenthal einen Kleingarten bewirtschaftet, freute sich über die Ausbeute des Tages, darunter die tschechische Sorte Rubinola, die ihm Manfred Ruppert wärmstens empfohlen hatte und mit der er nun seinen Kleingarten bereichern möchte.