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Wenn's Konto abgeräumt wird

Von Andreas Richter 24.11.2004, 17:35

Jessen/MZ. - Anika S. steht in der Bank. Ihr Blick schweift immer wieder über den gerade frisch ausgedruckten Kontoauszug. Doch ihre Augen täuschen sie nicht. Da steht es schwarz auf weiß: Sie hat vor ein paar Tagen Geld abgehoben. Insgesamt 800 Euro, gezogen in Amsterdam.

Anika S. versteht die Welt nicht mehr. Dass ihr Konto um 800 Euro schmäler geworden, hat sie begriffen. Nur warum? Denn sie war zum angegebenen Zeitpunkt zu Hause, hunderte Kilometer weit weg von Amsterdam. Sie kann gar kein Geld in Holland abgehoben haben. Andererseits ist Anika S. vollkommen verunsichert. Denn sie hat weder ihre EC-Karte verloren, schon gar niemandem anders anvertraut. Und selbst wenn sie die Karte nicht mehr hätte. Die Geheimzahl hat sie im Kopf, nirgends notiert, wo Fremde herankommen könnten. Beinahe ratlos steuert die Frau das Zimmer ihrer Bankberaterin an, um dort den rätselhaften Vorgang zu klären.

Eine Woche später ist die Sache mit den 800 Euro klar. Und Anika S. hat eine Erfahrung mehr in ihrem Leben gemacht, wenn auch unfreiwillig. Geld von fremden Konten ohne Wissen der Inhaber abzuheben, leider kein Einzelfall. Immer wieder ist zu hören, wie Geheimzahlen und Kartendaten sogar direkt am Geldautomaten ausspioniert werden.

Wie sicher ist der Bankautomat um die Ecke eigentlich? Eine Frage, die von der MZ an Jörg Hanisch und Thomas Arndt von der Sparkasse Wittenberg gestellt wurde. Thomas Arndt ist Bereichsdirektor für Vorstandsangelegenheiten und Jörg Hanisch hat als Abteilungsdirektor Allgemeine Verwaltung detaillierten Einblick in sicherheitsrelevante Fragen. Zuerst können beide beruhigen. "Sicher, kein Bankhaus der Welt ist gegen manipulierende Eingriffe Dritter zu 100 Prozent geschützt. Unsere Sicherheitsstandards sind aber so hoch, dass gerade solche Beispiele wie im oben genannten Fall die Ausnahme sind", stellt Thomas Arndt klar. Heißt also, im Vergleich zur täglichen Benutzung von Automaten kommen Manipulationen in der Region sehr selten vor.

Gleichwohl schließen die beiden Bankleute Möglichkeiten des "Ausspionierens" nicht aus. "Wir hatten vor zwei Jahren einen solchen Fall in Gräfenhainichen, bei dem einige Kunden um ihr Geld erleichtert wurden. Und das auf eine sehr raffinierte Weise", erinnert sich Jörg Hanisch. Das habe aber den Tätern nicht viel genutzt, sie wurden ermittelt, fügt Thomas Arndt an.

Was mache ich nun aber, wenn ich als Kunde Vorgänge feststelle, die nicht mit rechten Dingen zugehen? "In jedem Fall sich an uns wenden. Wenn sie zum Beispiel einen Automaten benutzen und es kommt ihnen irgendetwas merkwürdig vor, lieber einen Anruf zu viel, als einen zu wenig" rät Thomas Arndt.

Jörg Hanisch ist sich zudem sicher, dass selbst der Laie Veränderungen am Automaten erkennen kann. "Es ist ja immer wieder von diesen Lesegeräten die Rede, die vor dem eigentlichen Kartenschlitz aufgesetzt werden. Das kann sogar erkannt werden." Im Falle eines Falles, wie also bei Anika S., ist sofort der Kontakt zur Bank zu suchen. "Tauchen auf ihrem Auszug Abbuchungen auf, bei denen sie hundertprozentig wissen, dass sie diese nicht selbst gemacht haben können, kommen sie zu uns. Wir klären dies umgehend", erklärt Thomas Arndt, der darauf verweist, dass dem Kunden in solchen Fällen kein Ungemach droht. "Wir haben interne Versicherungen, die solche Dinge abdecken."

Klar ist dagegen, dass es bei fahrlässigem Verhalten keinen Schadensersatz gibt. "Da haben wir schon die tollsten Sachen erlebt, bis hin zum dem Fall, dass die Pin-Nummer direkt auf die Karte geschrieben wurde. Wer so etwas macht, kann bei einem Diebstahl der Karte und danach erfolgten Abbuchungen nicht erwarten, dass wir ihm das Geld ersetzen", macht Thomas Arndt deutlich.

Warum kommt es immer mehr vor, dass nach dem "erfolgreichen" Ausspionieren von Kartendaten die Abhebungen im Ausland erfolgen? Jörg Hanisch weiß die Antwort: "Die Banken haben natürlich stets auf Entwicklungen reagiert. Mittlerweile ist es so, dass mit duplizierten Karten kein Geld mehr an Automaten in Deutschland abgehoben werden kann. Die Täter müssen also, wenn sie kein Original haben, ins Ausland ausweichen." Fazit ist also, dass die Manipulationsrate an Geldautomaten vergleichsweise gering ist. Potentielle Täter müssen einen hohen technischen Aufwand betreiben, um an Daten zu gelangen. Gänzlich auszuschließen ist das nicht. Daher sei, so die beiden Wittenberger Bankleute, der Kunde nach wie vor zur Aufmerksamkeit verpflichtet.

Apropos Aufmerksamkeit. Muss ich mir jeden Geldschein, den mir der Automat ausgibt, auf Falschgeld nachkontrollieren? "Eigentlich nicht", meint Thomas Arndt. "Wir bekommen mittlerweile sämtliches Automatengeld von der Landeszentralbank, die dieses zuvor auf Echtheit untersucht. Somit müsste die Tatsache, dass ich mir am Automaten Falschgeld ziehe, faktisch ausgeschlossen sein. Doch Kontrolle ist immer besser."

Jörg Hanisch und Thomas Arndt wollten im Gespräch mit der MZ noch etwas loswerden. "Ein Hauptübel für uns sind Zerstörungen und Randale, gerade in unseren SB-Terminals. Das sind echte Sorgen, es kostet ja einerseits eine Menge Geld, die Standorte zu halten, und zum anderen wollen wir nicht eines Tages sagen, dass wir Terminals schließen müssen. Denn gerade der SB-Bereich ist ein ganz wichtiges Geschäftsfeld für uns, zählt zu den wichtigsten Angeboten für unsere Kunden", so Thomas Arndt.

Jörg Hanisch würde sich zudem über mehr Achtsamkeit freuen. "Es ist schon ärgerlich, wenn beispielsweise Kontoauszugsdrucker kaputt gehen, weil jemand mit aller Gewalt seine Krankenkassenkarte zum Einsatz bringen möchte. Zum anderen macht es auch nicht sehr viel Freude, wenn wir aus unserem Münzzählautomaten die Goldzähne aussortieren müssen." Man sollte den Hinweis einer rechtzeitigen Geldanlage schließlich nicht missverstehen.