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Besonderes Jubiläum Weltbekannte Bibliothek - Bücherkirche Axien feiert zehnten Geburtstag

Bücherkirche Axien feiert zehnjähriges Jubiläum. Wer dem Gotteshaus schon einen Besuch abgestattet hat, woraus ein Weihnachtsbaum gebaut und welches spezielle Album gezeigt wird.

Von Thomas Tominski 23.04.2024, 10:30
Gudrun Meilick,  Karin  Kremer und  Rita  Günther  (von links) sind die  guten  Seelen  der Bücherkirche.
Gudrun Meilick, Karin Kremer und Rita Günther (von links) sind die guten Seelen der Bücherkirche. (Foto: Thomas Tominski)

Axien/MZ. - Zehn Finger reichen längst nicht mehr, um alle Höhepunkte aufzuzählen. „Durch MZ, Radio, Fernsehen, Internet und Mundpropaganda sind wir inzwischen weltbekannt“, sagt Karin Kremer, die mit Gudrun Meilick, Rita Günther und Marina Mühlbach das Quartett bildet, was Herz und Seele der Bücherkirche Axien ist.

Die Idee, das Gotteshaus multifunktional zu nutzen, erzählt Gudrun Meilick, hat Sabine Griehl vor zehn Jahren aus dem Urlaub mitgebracht. Nach der Zustimmung durch den Gemeindekirchenrat sei hier peu à peu etwas Einmaliges entstanden, der Bestand an Büchern aller Genres hat die Zahl 10.000 längst überschritten. Das System funktioniert einfach, ganz ohne Gebühr oder Mitgliedsausweis. Wer möchte, kann sich „Schmöker“ mitnehmen, ausleihen oder welche mitbringen. „Der Start ist sehr verhalten verlaufen“, erinnert sich Meilick, inzwischen haben Leser aus halb Europa die Kirche besucht.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner  Haseloff hat mit  Gattin Gabriele der Kirche ebenfalls schon einen Besuch abgestattet.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff hat mit Gattin Gabriele der Kirche ebenfalls schon einen Besuch abgestattet.
Foto: Thomas Tominski

An den Regalen sind Karten mit dem jeweiligen Genre angebracht, vom Kinderbuch bis zum Krimi ist alles dabei. Ladenhüter sind nach wie vor alte Readers-Digest-Ausgaben mit der Goldschrift auf dem Buchrücken, die in der Adventszeit als spezieller und mit einer Lichterkette dekorierter Weihnachtsbaum zusätzlich für besondere Atmosphäre im Gotteshaus sorgen. „System in die unsortierten Haufen an Büchern hat erst die frühere Mitarbeiterin Annette Schmidt reingebracht. Daran orientieren wir uns heute noch“, verrät Karin Kremer, die persönlich ein großer Fan von skandinavischen Krimis ist.

Ministerpräsident zu Besuch

Im Rückblick erzählen die beiden Frauen vom überraschenden Besuch des Ministerpräsidenten Reiner Haseloff mit seiner Ehefrau Gabriele, der Stippvisite von Landrat Christian Tylsch, den Lesungen der beiden Kabarettisten Gunter Böhnke und Bernd-Lutz Lange, der im Sommer erneut nach Axien kommt, und dem Dreh mit dem MDR. Was sie freut, ist die Tatsache, dass Bücher in einer multimedialen Welt nichts an Anziehungskraft verloren haben. „Wir locken mit diesem Angebot auch konfessionslose Menschen in die Kirche, die hier zur Ruhe kommen, sich Zeit nehmen und das Gespräch suchen“, so Meilick, die wie Kremer und Rita Günther hofft, dass sich mit ihrem Abschied nicht die Türen schließen. Denn alle drei Frauen haben ihr Jugendalter längst hinter sich gelassen.

Kabarettist  Bernd-Lutz Lange, hier  bei seiner  ersten Lesung,  kommt  im Sommer  erneut in die  Bücherkirche  nach Axien.
Kabarettist Bernd-Lutz Lange, hier bei seiner ersten Lesung, kommt im Sommer erneut in die Bücherkirche nach Axien.
(Foto: Annette Schmidt)

Intern gilt folgende Regel: Im Altarraum, auf den Kirchenbänken und im Mittelschiff herrscht bücherfreie Zone, ringsherum sowie auf der Empore sind die Regale prall gefüllt. Kremer ist erstaunt, dass Bestseller kurz nach ihrem Erscheinen im Gotteshaus abgegeben werden, die hauseigene Bibliothek scheint aus der Mode gekommen zu sein. Was immer geht, sind Krimis und englischsprachige Literatur. „Viele Besucher fragen explizit danach, selbst wenn ihre Muttersprache nicht Englisch ist“, meint Meilick und weist noch auf eine Besonderheit hin. „Wir nehmen nur Bücher, keine Kassetten, CDs oder Hörbücher.“

Kein exaktes Datum

Am 28. April wird nun das zehnjährige Jubiläum gefeiert. Weil es kein exaktes Gründungsdatum gibt, habe man sich laut dem Trio, auf „einen Sonntag im April“ festgelegt. Eine große Party steht nicht auf dem Programm. Meilick, Kremer und Günther werden Episoden aus diversen Büchern vorlesen, jedoch die Zeit hauptsächlich nutzen, um mit den Gästen ganz ungezwungen ins Gespräch zu kommen. Ein Album wird mit Sicherheit viel Interesse wecken. In diesem befinden sich Postkarten, Einkaufszettel, Fotos oder Abrechnungen – alles Fundstücke, die einst als Lesezeichen gedient haben und später in Vergessenheit geraten sind. „Wir haben sogar mal eine Steuererklärung gefunden. Die ist längst geschreddert“, bemerkt Kremer, die es wie ihre Mitstreiterinnen lustig findet, was alles den Weg nach Axien findet.

Was sich hinter dem  Baum verbirgt, ist deutlich zu lesen.
Was sich hinter dem Baum verbirgt, ist deutlich zu lesen.
(Foto: Thomas Tominski)

Zu Beginn, sagt Kremer, haben die Initiatoren noch befürchtet, dass der Prophet im eigenen Land nichts zählt. Inzwischen schätzen die Axiener ihre Bücherkirche, sind bei den Veranstaltungen präsent. „Die sozialen Netzwerke funktionieren perfekt. Wir sind jedes Mal baff, wie schnell sich Neuigkeiten herumsprechen“, betont Meilick. Aufgrund der großen Nachfrage ist die „Bibliothek“ im Gotteshaus täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Radtouristen legen hier einen Zwischenstopp ein und hinterlassen per bunter Nadel auf einer Deutschlandkarte sozusagen ihre Visitenkarte. Da auch Gäste aus Übersee das Angebot in Augenschein nehmen, wird diese in den nächsten zehn Jahren wahrscheinlich nicht mehr ausreichen.Am Sonntag, 28. April, wird ab 14 Uhr „10 Jahre Bücherkirche Axien“ im Gotteshaus (An der Kirche 10) gefeiert. Die freiwilligen Mitarbeiter halten an diesem Nachmittag Rückschau, lesen aus mehreren Büchern ihrer Wahl vor und möchten vor allem mit ihren Gästen ins Gespräch kommen. Ein zeitlicher Ablauf der Veranstaltung ist nicht geplant. Der Gemeindekirchenrat versorgt die Besucher mit Kaffee und Kuchen.