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Vorhaben in Plossig Vorhaben in Plossig: Mühle soll "wandern"

Von Gabi Zahn 20.05.2016, 17:47
Es sind Enthusiasten vom Plossiger Mühlen- und Dampfmaschinenverein sowie Experte Helmut Notzke aus Halle (links oben), die sich von oben herunter Überblick verschaffen.
Es sind Enthusiasten vom Plossiger Mühlen- und Dampfmaschinenverein sowie Experte Helmut Notzke aus Halle (links oben), die sich von oben herunter Überblick verschaffen. Gabi Zahn

Plossig - Mit ihrer Leidenschaft für nostalgische Kraftmaschinen haben die Plossiger über die Jahre hinweg schon Hunderte Menschen begeistert. Jetzt will der eigens dafür gegründete Mühlen- und Dampfmaschinenverein ein Projekt mit weitaus größerer Dimension realisieren: Ein historisches Bauwerk – die Bockwindmühle in Schweinitz – soll „auf Wanderschaft“ gehen.

Ziel ist das eigene Dorf. Vereinsvorsitzender Wilfried Pötzsch erklärt: „Wir müssen alles in allem etwa 30 Tonnen Mühle bewegen, von der Schraube angefangen über Treppenstufen, Dielen, Balken, Riemen bis hin zum Mühlrad und dem Eichenstamm.“ Letzterer ist der sogenannte Hausbaum und zählt vermutlich mehr als 300 Jahre. Pötzsch verdeutlicht: „Wir haben die Chance, die Schweinitzer Mühle zu retten, indem wir sie zu uns holen.“

Plossig hatte einst zwei Mühlen, wie Vereinsmitglied Bernd Simon erklärt: „Die Mühle ,Hennig’ wurde bis 1962 betrieben und 1996/97 abgerissen. Von der Mühle ,Korb’ steht nur noch eine Ruine am Ortsrand. Ihr Verfall ist besiegelt.“ So ein Schicksal würde auch in Schweinitz drohen, doch die Weichen sind bereits anders gestellt: Familie Gottwald, der die Schweinitzer Mühle gehörte, hat ihr historisches Erbstück dem Plossiger Verein geschenkt. Bis Ende der 1950er Jahre wurde darin noch gearbeitet. Der Zustand sei relativ gut, wie Mühlenexperten aus Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen bekunden.

Allerdings – das ist allen Beteiligten klar – wäre an ihrem jetzigem Standort in zweiter Reihe neben dem Recyclinghof eine Rekonstruktion quasi für die Katz. Auch steht das Denkmal einer Erweiterung des Betriebsgeländes im Weg: Der Vereinschef bekundet: „Wir haben in der Firma Brantner aus Österreich keine Gegner, sondern Partner gefunden, die uns wohlgesonnen sind.“

Älter als 200 Jahre

Die Schweinitzer Mühle ist der Plossiger sehr ähnlich und soll älter als 200 Jahre sein. „Ursprünglich wurde sie anderenorts errichtet und nach Schweinitz umgesetzt. Leider fehlen uns Zeitangaben“, bedauert Pötzsch.

Wenn es nach den Plänen des Plossiger Vereins geht und ein entsprechender Antrag von der Denkmalschutzbehörde genehmigt wird, steht dem historischen Bauwerk ein erneuter „Umzug“ bevor. Wie dieser vonstatten gehen soll, erklärt Schatzmeisterin Anna Seidel: „Die Mühle wird von oben nach unten abgebaut und in Einzelstücke zerlegt. Jedes Teil muss gekennzeichnet, dokumentiert und bis zum Wiederaufbau in Plossig eingelagert werden.“ In dieser ersten Phase wird von etwa 1 500 Stunden Eigenleistung ausgegangen. „Viele unserer 20 Vereinsmitglieder sind Ingenieure und Handwerker, Fachleute im Bau- oder Konstruktionsbereich. Für weitere Unterstützung von interessierten Menschen sind wir sehr dankbar“, gibt sie zu verstehen.

Die Aktion werde von namhaften Experten im Mühlenbau begleitet. Wilfried Pötzsch versichert: „Wir wollen keine Fehler machen, stehen auch in regem Kontakt mit den zuständigen Landes- und Kreisbehörden. Reinhard Richter, ein Mitstreiter aus Annaburg, ergänzt: „Es geht darum, eine meisterliche Handwerkskunst vergangener Jahrhunderte zu bewahren. Fast jedes Dorf in der Region hatte seine eigene Windmühle, oft sogar zwei. Sie haben die Landschaft geprägt, waren Symbol für die fleißige Arbeit unserer Vorfahren. Das ist ein Vermächtnis.“

Eigentlich ist es nicht schwierig, Menschen aller Altersklassen mit dem „Mühlenvirus“ zu infizieren. Das erlebt Helmut Notzke aus Halle seit mehr als 25 Jahren, wenn er Besucher in seiner Bockwindmühle in Plößnitz begrüßt. Zehn Jahre lang war er Vorsitzender des sachsen-anhaltischen Arbeitskreises der Deutschen Gesellschaft für Mühlenkunde und Mühlenerhaltung e.V. (DGM): „Wer so ein Wunderwerk von Uralt-Technik einmal gesehen hat, kommt immer wieder. Das Interesse daran nimmt zu, das zeigt die Resonanz des jüngsten Mühlentages“, kommentiert er bei seiner Stippvisite in der Schweinitzer Mühle. Möglicherweise haben dort sogar einige „Kobolde“ die Zeiten überdauert und bewirken nun erfreuliche Wunder, denn der 85-jährige Notzke erklimmt bei seiner Stippvisite in Schweinitz sogar einige wacklige Stufen der Bockwindmühle. Er inspiziert alle Ecken, um jedes Detail in Augenschein zu nehmen: „Eine Freude ist das, so etwas zu sehen!“, bekundet er und zeigt auf Besonderheiten: „Hier kann gleichzeitig gemahlen, geschrotet und Hafer gequetscht werden.“ Bei gutem Wind, so schätzt Notzke, schafft die Mühle etwa sechs Zentner Futterschrot pro Stunde. Binnen eines Tages könnten 1,5 Tonnen Mehl produziert werden. Wilfried Pötzsch vermeldet: „Wir haben einen 1,5 Tonnen schweren Dieselmotor gesichert, der zur Mühle gehört.“ Die 15 PS starke Maschine der Marke „Christoph und Unmack“, Baujahr 1930 (430 Umdrehungen pro Minute), wird Andreas Freitag anvertraut. Als Plossigs Spezialist für museumsreife Standmotoren will er dem eisernen Veteranen wieder Leben einhauchen. Mit so einem Antrieb kann ein Müller – oder künftig der Verein – unabhängig vom Wind agieren.

Lebendiges Dorfmuseum

Einen genauen Zeitplan für das Mega-Projekt nennt der Verein noch nicht, wohl aber ein Wunschziel: „Je nachdem, wie die notwendigen Genehmigungen erfolgen, könnten wir es vielleicht bis Ende 2017 schaffen“, formuliert Pötzsch vorsichtig. Die Vereinsmitglieder hoffen zudem, dass dem Abriss der Mühlenruine („Korb“) zugestimmt wird. Dort, an der höchsten Stelle in Plossig, soll die Schweinitzer Mühle platziert werden - aber nicht nur diese: Ein alter Backofen wartet ebenfalls auf seinen Wiederaufbau. Und es gibt weitere Visionen für ein „lebendiges“ Dorfmuseum: „Wir wollen unter anderem zeigen, wie historische Dreschmaschinen funktionieren. Auch gibt es Überlegungen, vor Ort eine Imkerei und Möglichkeiten der Hausschlachtung anzubieten, vielleicht sogar eine kleine Brennerei“, zählt Wilfried Pötzsch munter auf, betont aber: „Das ist wirklich noch Zukunftsmusik.“ (mz)

Das große Mühlrad, Herzstück des Bauwerks, ist noch gut erhalten.
Das große Mühlrad, Herzstück des Bauwerks, ist noch gut erhalten.
Gabi Zahn