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Unterwegs im Hochwassergebiet Unterwegs im Hochwassergebiet: Zerstörung als Geburtstagsgeschenk

Von Dirk Skrzypczak 22.08.2002, 15:20

Groß Naundorf/MZ. - Hans-Hermann Schneider bekämpft das Wasser mit Wasser. Der Groß Naundorfer spritzt mit dem Gartenschlauch den Unrat von dem kleinen Weg durch den Vorgarten zu seinem Haus. Den Tag hatte er sich anders vorgestellt. Schneider hat Geburtstag, wird 55 Jahre alt. Nach feiern ist ihm freilich nicht zumute. Eher könnte er heulen.

Das scheidende Hochwasser hat eine Spur der Verwüstung an dem Eigenheim angerichtet. Die untere Etage ist unbewohnbar. Die Flut hinterlässt eine grausige Handschrift. Nicht nur das Wohnzimmer ist ein Trümmerfeld. Parkett, Teppiche, Tapete und zum Teil auch Möbel sind verloren. Mehrere 10 000 Euro Schaden werden es wohl sein, schätzt der Jubilar. Dann holt er tief Luft und versucht zu begreifen, was die Umweltkatastrophe angerichtet hat. "Nur gut, dass ich meine Frau noch nicht nach Hause geholt habe. Ich will erst etwas aufräumen, damit Mutter es besser verkraften kann." Man kann kaum glauben, dass innerhalb kurzer Zeit wenigstens eine Spur Ordnung in diesem Chaos möglich sein soll. Schneider spricht sich selbst Mut zu. "Andere hat es doch noch härter getroffen. Unser Haus ist wenigstens noch bewohnbar." Und sei es nur in der oberen Etage. Die fünf Hausbewohner werden eben zusammenrücken müssen, so sagt er. Bis ein normales Leben wieder halbwegs möglich ist.

Auf den teilweise noch überfluteten Straßen in Groß Naundorf holen sich die Menschen ihren Lebensraum wieder zurück. Die große Rückreisewelle aus den Notunterkünften hat eingesetzt. Und in den Gesichtern der Rückkehrer spiegelt sich das ganze Spektrum der Gefühlslage wider: Fassungslosigkeit, Hilflosigkeit, aber auch hier und da Aufbruchstimmung. Die ersten Sandsäcke zum Schutz der Häuser werden beräumt. Teilweise ohne Handschuhe. Und die Gefahr von Krankheiten? Schulterzucken. "Einer muss doch aufräumen", ruft der Mann hinter dem Gartenzaun herüber. Einige Meter weiter steht Bäckermeister Klaus Ungethüm das Wasser sprichwörtlich bis zum Hals. Tagelang hat er sich bis an die Grenze der Erschöpfung gegen das einströmende Wasser gestemmt. Obwohl mit den Kräften am Ende, sichert Bäckermeister Ungethüm in der alten Bäckerei nun die Versorgung mit Brot und Brötchen.

Im Nachbarort Kolonie hat sich das Wasser schon weiter zurückgezogen. Feuerwehrleute pumpen wie in Groß Naundorf die Kanalisation und überflutete Keller leer. Seite an Seite kämpfen Feuerwehrleute aus Kolonie und Annaburg mit zehn Kollegen aus Verl und neun aus Kaunitz. Die Helfer aus Nordrhein-Westfalen waren die ganze Nacht unterwegs, um im Krisengebiet den Einsatzkräften zur Hand zu gehen. Auch den "Gästen" hat es angesichts der Schäden teilweise die Sprache verschlagen. "So ein Leid habe ich bislang noch nie gesehen. Ich bin froh, dass wir einen kleinen Beitrag leisten können, um die Not zu lindern", schreit Peter Hunke von der Freiwilligen Feuerwehr Kaunitz, um die dröhnenden Pumpen zu übertönen. Bis Sonntag werde man voraussichtlich bleiben. Und sollte weitere Hilfe erforderlich sein, "kommt eine Ablösung."

Detlef Schandert steht vor seinem Grundstück und beobachtet das Geschehen. "Ich hatte Glück. Bei mir war es nicht ganz so schlimm", ist er froh, noch einigermaßen davongekommen zu sein. Als Evakuierter hatte er mit seinen Hunden in Annaburg unter freiem Himmel geschlafen. Jetzt ist er wieder in Kolonie und sehnt sich nach Wasser: "Ein heißes Bad wäre toll."