Unterhaltung Unterhaltung: Große Fußstapfen ausgefüllt

Annaburg/MZ - Es ist eine schöne Vorstellung: Rolf Herricht und Hans-Joachim Preil sitzen auf einer Wolke und genießen ihre noch immer große Popularität. Die wiederum zeigt sich nicht nur in den vielen Wiederholungen ihrer Sketche in diversen Fernsehsendern. Die 1981 bzw. 1999 verstorbenen Künstler haben inzwischen „Enkel“ gefunden, die deren Erbe gewissenhaft pflegen und sogar weiter entwickeln wollen. Dirk Neumann (54) und Carsten Linke (53), Schauspieler am Hoftheater Dresden, lassen mit ihrem Programm die „Legenden des gepflegten Schwachsinns“ wieder aufleben, wie sie betonen.
Aus Archiv hervorgekramt
Als die beiden Freitagabend die Bühne im Annaburger Porzellancafé betreten, haben sich die Gäste im voll besetzten Saal bereits gestärkt und dem leiblichen Wohl Genüge getan. Jetzt kann er kommen, der Kulturgenuss. Der kommt auch, ganz unspektakulär. Die beiden Mimen brauchen ja auch kaum Requisite oder Verkleidung. Allein die Stimmen machen ihren besonderen Reiz aus. Und natürlich die Texte, bei denen sie sich teils sehr genau an die Originale halten, teils wird auch dieser oder jener aktuelle Bezug gekonnt eingeflochten. So wollen sie kürzlich Regina Thoss im Dschungelcamp getroffen haben und sie können, im Gegensatz zu ihren Vorbildern, ganz grenzfrei über eine Weltreise plaudern. Dabei erfahren die Zuschauer von der Entdeckung alten Materials aus den 50er Jahren, welches seither zum Schlummern in den Archiven verdammt war. Herricht brüstete sich da vor Preil, als Augenarzt auf einem Schiff angeheuert zu haben. Auf den skeptischen Blick seines Gegenübers erklärt er: „Doch, doch, ich habe den Kartoffeln die Augen raus gemacht.“ Es folgen einige der wunderbaren Sketche, über die man, selbst beim 100. Mal Anhören immer noch schmunzeln muss. So über den Haufen, den jeder Gartenfreund in einer Ecke seines Gartens macht oder über die bahnbrechende Erfindung von Herricht, Mückentötolin, welches der gefangenen Mücke mittels Injektion verabreicht werden soll. Oder einfach und genial, wie der vom angreifenden Tiger. Neumann, der den naiven Herricht verkörpert: „Der kriegt mich nicht. Ich laufe Zickzack.“ Linke, der wissende Preil: „Der Löwe aber hinterher.“ Herricht darauf: „Aber immer, wenn der Löwe auf Zick ist, bin ich auf Zack.“ Auf Zack sind auch die Annaburger. Als sie mitten in der Postszene ein kleines Malheur bemerken, der Schnauzer von Herrn Preil löste sich und wollte partout nicht wieder kleben, gibt es Beifall auf offener Szene. „Hier“, so verrieten die Schauspieler in der Pause, „ist es sehr angenehm. Hier können wir richtig spielen und improvisieren. Die Reaktionen des Publikums sind toll.“
Im Sinne der Altmeister
1951 lernten sich Herricht und Preil bei Engagements in Bernburg kennen. 1953 standen sie bereits als Komödianten-Paar auf der Bühne. Dirk Neumann und Carsten Linke indes arbeiten seit 2006 zusammen. Weshalb sie die Publikumslieblinge verkörpern wollten, begründet Carsten Linke so: „Herricht und Preil gingen mit ihren Gags fast nie unter die Gürtellinie und sie beschimpften niemals ihr Publikum. Es war eben gepflegter Schwachsinn.“ In ihrem Streben, das Werk der beiden fortzusetzen, können sie sicher sein, dass das ganz im Sinne von Rolf Herricht und Hans-Joachim Preil ist. Preil, der die meisten Texte schrieb, hatte in seinen Memoiren sinngemäß verfügt: Und nun könnt ihr die Stücke hoch und runter spielen. Genau das haben die Dresdner Schauspieler auch vor. Aber nicht das allein. Es soll noch einen zweiten Teil geben, in dem sie nach Art von Herricht & Preil Aktuelles einarbeiten. Gedacht sind da Sketche über Reisen oder Szenen im Baumarkt. Sogar ein dritter Teil ist in Planung, in den je zur Hälfte neue Texte einfließen und drei unbekannte Sketche der beiden auf die Bühne kommen. Natürlich gern auch im Porzellancafé. Es zu hoffen, dass die Künstler, die aus Stralsund und Erfurt stammen, das nächste Mal wissen, wo sie die Schlossstadt Annaburg finden, und nicht zunächst Annaberg-Buchholz ansteuern. Aber selbst darüber würden die beiden Altstars auf ihrer Wolke sich köstlich amüsieren.