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Klasse(n) Geschichten Treffen ehemaliger Schüler und Lehrer in Seyda - Welche Geschichten sich die Ehemaligen erzählt haben

Zum vierten Mal hat Roswitha Müller ein Treffen ehemaliger Seydaer Schüler und Lehrer organisiert. Was sie zu erzählen haben.

Von Ute Otto 22.09.2021, 08:20
Glücklich über das gelungene Treffen - Organisatorin Roswitha Müller aus Jüterbog.
Glücklich über das gelungene Treffen - Organisatorin Roswitha Müller aus Jüterbog. Foto: Ute Otto

Seyda/MZ - Samstag zur Kaffeezeit im Saal des Seydaer Schützenhauses: Nach der Begrüßung der rund 90-köpfigen Gästeschar ist die Anspannung von Roswitha Müller gewichen und nur noch Freude steht der 71-jährigen ins Gesicht geschrieben. Zum vierten Mal in fünfjährigem Abstand hat die Jüterbogerin ein Ehemaligentreffen der Seydaer Schule organisiert.

An sieben Tischen sitzen sieben aufeinanderfolgende Jahrgänge - in der Mitte ihr eigener, der vor nunmehr 65 Jahren eingeschult wurde, und auch eine Handvoll ehemaliger Lehrer ist der Einladung gefolgt. Die Autokennzeichen auf dem Gästeparkplatz verraten, dass es viele Ehemalige in alle vier Winde verschlagen hat. Aber ein Teil, wie etwa die Herrenrunde am Ende des 1958er Einschulungsjahrganges, ist in der Heimat geblieben. Oder zurückgekommen.

Waren die ganze Schulzeit lang beste Freundinnen: Anette Zuzel (li.) und Ilona Schulze.
Waren die ganze Schulzeit lang beste Freundinnen: Anette Zuzel (li.) und Ilona Schulze.
Foto: Ute Otto

Ausgeflogen oder geblieben

Wie Ilona Schmidt, geb. Schulze, die ihr Berufsleben lang in Dresden Berufsschullehrer für den Betriebswirtschaftlichen Bereiche ausgebildet hat und dann als Rentnerin ihr Elternhaus übernahm. Die ländliche Ruhe, das Wuseln im Garten entsprächen ihrem Naturell, erzählt sie. Nur in einer Hinsicht hat sie es bereut, der Großstadt den Rücken gekehrt zu haben: „Man findet hier nicht die Fachärzte, die man braucht“, sagt sie.

Neben ihr sitzt Anette Zuzel. „Wir waren zu Kinderzeiten beste Freundinnen“, erzählt die geborene Lehmann. „Ilonas Vater war BHG-Leiter und er hat uns alte Belege überlassen.“ Diese habe sie immer mit Wonne ausgefüllt. „Ich bin dann auch Buchhalterin geworden“, sagt die agile Frau. Der Kontakt zwischen ihnen sei nie abgerissen, selbst wenn er nicht mehr so eng wie seinerzeit sei, berichten die Freundinnen.

Die einstige Musiklehrerin Renate Plenz lebt heute in Michendorf.
Die einstige Musiklehrerin Renate Plenz lebt heute in Michendorf.
Foto: Ute Otto

Mit dem Akkordeonorchester bis an die Spitze

Ilona Schmidt hat damals im Schulakkordeonorchester von Renate Plenz mitgespielt. 18 Jahre alt, und damit nur zwei Jahre älter als ihre ältesten Schüler, war die Schweinitzerin, als sie 1958, sofort nach der Ausbildung im Lehrerinstitut Potsdam die Stelle als Musiklehrerin an der Seydaer Schule bekam. „Der Musiklehrer war in den Westen abgehauen“, erzählt die 81-jährige.

„Ich habe von meinem ersten Gehalt an auf einen Trabant gespart. Meine Eltern haben mir immer Stullenpakete mitgegeben.“ Ein Mitglied vom Rat des Kreises, dem die jungen Frau jeden Morgen bei Wind und Wetter, selbst im Schneetreiben, auf einem alten Moped entgegen kam, habe ihr geraten, einen Dringlichkeitsantrag zu stellen. „Ich hatte zwar ein Zimmer in Seyda, bin aber doch fast jeden Tag nach Hause, um meinen Eltern auf dem Hof zu helfen.“ Tatsächlich habe sie ein halbes Jahr später ihren 501er Trabant in Zwickau abholen können. Acht Jahre habe sie an der Seydaer Schule gearbeitet und ein Akkordeonorchester über mehrere Ausscheide bis an die Spitze geführt. Dann habe es sie mit ihrem Mann, einem Zahnarzt, zuerst nach Sachsen und dann nach Michendorf verschlagen. In Brandenburg habe sie bis zur Rente noch als Geografielehrerin gearbeitet. „Den Trabi habe ich später meinem Vater geschenkt.“

Organisatorin will abgeben

Zum ersten Mal bei dem Ehemaligentreffen dabei ist der Einschulungsjahrgang 1953, damit der älteste in der Runde. Ob sie sich gerne an ihre Schulzeit erinnern? „Jetzt wieder“, sagt Dieter Krüger schlagfertig. Nicht jeder sei schließlich gerne zur Schule gegangen. Er habe es immer als großen Nachteil empfunden, dass er nie flunkern konnte, er habe seine Hausaufgaben zu Hause vergessen. „Der Lehrer hätte uns sofort losgeschickt, sie zu holen. Dann wäre der Schwindel aufgeflogen.“ Und wie sollte es ein knapp Siebenjähriger verstehen, dass er den Lehrer, der seit Jahren wie ein Onkel in seinem Elternhaus ein- und ausging, plötzlich nicht mehr mit Du anreden durfte? Auch Harald Groitzsch hat als Abc-Schütze den ersten Lehrer dieser Klasse, Carl Schmalz, geduzt. „Als er meine Hausaufgaben sehen wollte, habe ich gefragt: Hast du mir welche aufgegeben?“

Unzählige Episoden machen im Seydaer Schützenhaus die Runde, immer wieder flammt an den Tischen Gelächter auf. „Ich musste für den Lehrer Zigaretten holen“, blickt Lothar Ermitzsch zurück. Roswitha Müller geht von Tisch zu Tisch und verteilt an alle als Erinnerungsgeschenk Kugelschreiber, auf denen Ort und Datum des Treffens verewigt ist. Es soll das letzte gewesen sein, dass sie organisiert hat, so die 71-Jährige. „Es ist sehr viel Arbeit“, gesteht die Jüterbogerin.