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Schrauber mit Handicap freut sich über Job Schrauber mit Handicap freut sich über Job: "Man kommt wieder raus unter Leute"

Von Detlef Mayer 28.01.2019, 18:11
Peter Bannert an seinem behindertengerechten Arbeitsplatz in der Motorrad-Werkstatt von Rüdiger Golm in Annaburg: Hier baut der Prettiner gerade den Zweitakt-Motor einer TS 250 (DDR-Marke MZ) zusammen.
Peter Bannert an seinem behindertengerechten Arbeitsplatz in der Motorrad-Werkstatt von Rüdiger Golm in Annaburg: Hier baut der Prettiner gerade den Zweitakt-Motor einer TS 250 (DDR-Marke MZ) zusammen. D. Mayer

Annaburg - Peter Bannert ist ganz offensichtlich eine Frohnatur. Während er von seinem Drehstuhl aus an dem Zweitakt-Motor einer TS 250 hantiert - es handelt sich um ein MZ-Motorrad aus DDR-Produktion (Motorradwerk Zschopau) - erfüllt das Radio die Werkstatt ziemlich laut mit gängigen älteren Hardrock- und Metal-Klängen. „Wenn mein junger Schlosser-Kollege nicht da ist, kann ich meine Musik hören“, sagt der 56-Jährige aus Prettin verschmitzt. „Bei ihm läuft sonst eher Techno.“

Seit Oktober 2018 ist Peter Bannert in der Motorrad-Werkstatt von Rüdiger Golm in Annaburg tätig. Um dies möglich zu machen, musste der 58-jährige Inhaber zwar ein bisschen Geld in die Hand nehmen - der Prettiner ist körperbehindert, ihm fehlt das rechte Bein, so dass er eine spezielle Ausstattung für seinen Arbeitsplatz benötigt - aber bereut hat Rüdiger Golm den Schritt nicht. Und das nicht nur, weil beide einen ähnlichen Musik-Geschmack teilen.

Wieder unter Leuten

Auch Peter Bannert ist begeistert von seinem jetzigen Job. „Es macht richtig Spaß“, sagt er der MZ. „Hier herrscht ein gutes Betriebsklima. Ich hab’ ja schon ein paar andere Buden durch, aber das ist das Beste, was ich je hatte“, bekundet der 56-Jährige. Außerdem sei die Entfernung zwischen seinem Zuhause in Prettin und der Werkstatt in Annaburg keine Hürde. „Und man kommt wieder raus, unter Leute.“

Das Jobcenter, berichtet Rüdiger Golm, sei an ihn wegen eines Schwerbehinderten-Arbeitsplatzes für Peter Bannert herangetreten und so sei der Kontakt zustande gekommen. Begleitet vom Integrationsfachdienst (IFD), der Schwerbeschädigte wie den Prettiner betreut, habe er dann aufgelistet, was er für den speziellen neuen Arbeitsplatz alles brauche, und eingereicht.

„Für die Ausrüstung gab es einen 70-prozentigen Zuschuss“, berichtet der Annaburger. Zudem fließe über das Jobcenter eine fünfjährige Lohnförderung für Peter Bannert, in die auch Landesmittel eingeschlossen seien. „Sie beginnt im ersten Jahr mit 90 Prozent und wird dann, bis sie letztlich ganz ausläuft, stufenweise abgesenkt.“

Relativ unbürokratisch

Richtig erstaunt zeigt sich Rüdiger Golm darüber, dass die ganze Angelegenheit relativ unbürokratisch über die Bühne ging. Investiert hat er rund 5 000 Euro. Eine spezielle Montage- bzw. Hebebühne mit Spurverbreiterung und Kran musste angeschafft werden, um den Arbeitsplatz für Peter Bannert herzurichten, der sein rechtes Bein 1984 bei einem häuslichen Unfall verlor.

In der Hauptsache schraubt der Prettiner nun an ostdeutschen Zweirädern - Simson-Mopeds und MZ-Motorrädern. Das geht bis hin zu kompletten Neuaufbauten von Simson-Mopeds, die dann - eine Altmaschine mit Papieren vorausgesetzt - nicht unter 2 500 bis 3 000 Euro zu haben und nach wie vor beliebt sind. „Ob Motoren oder Bremsen, mit der Hebebühne macht sich das alles gut“, schätzt Peter Bannert ein. Der 56-Jährige läuft mit Unterarmstützen, auf einen Rollstuhl ist er also nicht angewiesen. Seine Arbeit verrichtet er auf einem Drehstuhl sitzend.

Was er seit vorigem Jahr bei Rüdiger Golm macht, ist ihm nicht gänzlich fremd. Von 1978 bis 1980 hat der Prettiner nämlich Kraftfahrzeugschlosser gelernt, in der Kfz-Werkstatt Blüthgen in seiner Heimatstadt. Ab 1981 war er dann unter Betriebsleiter Henning Kirmse bei der Firma Elbekies in Prettin angestellt, und das bis zur Schließung der Produktionsstätte nach der Wende. Das war 1992.

„Danach hatte ich verschiedene andere Jobs“, rekapituliert Peter Bannert, dessen Schwerbeschädigung mit 70 Prozent anerkannt ist, wie er sagt. „Zwischendurch habe ich sogar eine Weiterbildung bzw. Umschulung zum Telekommunikationselektroniker in Thüringen absolviert, mit IHK-Abschluss und allem Drum und Dran. Und immer wieder mal war ich arbeitslos, zuletzt, vor dem Job in Annaburg, fast sechs Jahre am Stück.“

Ohne Umschulung

Für seine neue Tätigkeit in der Motorrad-Werkstatt von Rüdiger Golm musste der Prettiner keine Umschulung durchlaufen, weil er ja ausgebildeter Schlosser ist. „Aber eine Einarbeitungszeit gab es schon“, stellt sein Chef klar. Derzeit arbeitet Peter Bannert acht Stunden an fünf Tagen in der Woche. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass er nicht solange sitzen kann. Deshalb strebt er an, unterstützt vom IFD, bald nur noch sechseinhalb Stunden wochentäglich zu schrauben. (mz)