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Pflanzentauschbörse in Stolzenhain Pflanzentauschbörse in Stolzenhain: "Biete Knobi suche Tomate"

Von Gabi Zahn 27.05.2015, 20:44
Um jedes Pflänzchen aus der Nähe zu betrachten, gehen Hobbygärtner gern in die Knie, hier (von links): Kerstin Jädicke, Ingo Rockland (beide Stolzenhain), Delia Möller (Holzdorf), Erna Ursin (Elsterwerda) und Evamaria Riethdorf (Stolzenhain) beim Tauschen und Fachsimpeln.
Um jedes Pflänzchen aus der Nähe zu betrachten, gehen Hobbygärtner gern in die Knie, hier (von links): Kerstin Jädicke, Ingo Rockland (beide Stolzenhain), Delia Möller (Holzdorf), Erna Ursin (Elsterwerda) und Evamaria Riethdorf (Stolzenhain) beim Tauschen und Fachsimpeln. G. Zahn Lizenz

Jessen/Stolzenhain - Fast jeder bringt selbst gezogene Salat- und Blumenpflänzchen, Gemüse-Setzlinge, eingetopfte Kräuter aller Art, geteilte Stauden oder Ableger von Zimmerpflanzen mit und stellt sie zum Tauschen bereit. Das Beste aber: Zu jedem kleinen Strunk gibt es viel zu beratschlagen. Die Palette der Tauschobjekte zieht sich querbeet durch die Garten- und Balkonpflanzenwelt. Knobi-Gras ist der absolute Hit. Kaum wird ein Topf hingestellt, ist er auch schon weg.

Nicht mit Anglerlatein, sondern mit seiner Begeisterung für Topinambur findet Tobias Gulla aus Grassau viele Zuhörer. Der Petrijünger – er ist Mitglied im Holzdorfer Verein – zerschneidet sogar eine der „Erdbirnen“ und bietet Kostproben an: „Sie schmeckt nussig und ähnlich wie Kohlrabi. Man kann die Knolle sogar roh essen“, empfiehlt er. Auch ein Salatrezept hat er parat: „Zu gleichen Teilen Topinambur und Äpfel raspeln, sparsam salzen, kräftig pfeffern und mit einer Essig-Öl-Marinade anrichten.“

Wer keine Pflanzen zum Tauschen hatte, konnte sich bei der Stolzenhainer Börse gegen eine Spende bedienen. So kommen am Ende 113 Euro zusammen, informiert Rockland. Die Summe werde nach Abzug der Unkosten mit dem Erlös aus Speisen und Getränken auf 300 Euro aufgestockt. Davon profitiert die Stolzenhainer Orgel. Sie soll nämlich restauriert werden.  (gzn)

Renate Fuchs aus Linda bringt Borretsch mit und appelliert: „Leute denkt daran: einmal Borretsch, immer Borretsch. Gurkenkraut muss im Zaum gehalten werden.“ Das löst eine rege Debatte über Minze, Himbeeren und andere wuchernden Gewächse aus. Tenor: Irgendwann freut sich auch der Nachbar mehr oder minder darüber. Ricarda Fuchs ist aus Caputh angereist. Sie schwärmt: „Ich mag solche ländlichen Veranstaltungen. Tauschbörsen sind ohnehin spitze, egal ob für Möbel, Kleidung oder Pflanzen. Wer etwas zu viel hat oder nicht mehr benötigt, bringt es mit und findet garantiert etwas anderes.“

Sehr gefragt sind Tomatenraritäten aus dem Garten von Ingo Rockland. Er hat Jungpflanzen mit schwarzen, gelben und weißen Früchten selbst herangezogen. Er und seine Frau Sabine haben auch eine Vielzahl anderer Nutzpflanzen mitgebracht: „Wir streben Selbstversorgung an.“

Mit der Pflanzentauschbörse realisiert der 42-jährige freiberuflich arbeitende Bauingenieur einen kleinen Teil seiner großen Idee von einem „Dorf-Dienstleistungszentrum“. Das Projekt habe er vor Jahren bei der Robert-Bosch-Stiftung eingereicht: „Es wurde mit Lob bedacht, wir hätten Fördergelder bekommen können“, resümiert er.

Allerdings fand er in Stolzenhain kaum Mitstreiter: „Viele Menschen glaubten wohl, dass ich den Sozialismus zurückbringen will. Dabei sollten die Nachteile der ländlichen Infrastruktur kompensiert werden. Besorgungen erledigen, um Fahrzeiten einzusparen, Hilfsleistungen für Haus und Hof anbieten, Tauschbörsen einrichten. Die Pflanzen haben gefruchtet, für alles andere ist die Zeit nicht reif“, philosophiert er.

Der Standortwechsel der Veranstaltung von der Ortsmitte hin zum Waldbad wird durchweg begrüßt. Gegrilltes und ein Kuchenbuffet tun ein Übriges. Kerstin Wegmann aus Jessen hat ihre Mutter Christa Hopfengart zu einer Fahrt nach Stolzenhain eingeladen.

Dort wird Christa mit einem Familientreffen überrascht, auch ihre andere Tochter Carmen Hopfengart-Golm aus Schönewalde und Enkelin Lisa sind vor Ort. Als sich 17 Uhr die letzten Besucher auf den Heimweg machen, haben fast alle Pflanzen einen neuen Besitzer gefunden. Für die Organisatoren steht fest: „Der Aufwand ist gering und die Freude am Tauschen riesengroß. Übers Jahr machen wir das wieder.“ (mz)

Tobias Gulla, Petri-Jünger im Holzdorfer Verein, kann nicht nur gut angeln, sondern auch gärtnern: Topinambur zählt zu seinen Spezialitäten.
Tobias Gulla, Petri-Jünger im Holzdorfer Verein, kann nicht nur gut angeln, sondern auch gärtnern: Topinambur zählt zu seinen Spezialitäten.
G. Zahn Lizenz