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Neue Landesregierung in Magdeburg Neue Landesregierung in Magdeburg: Skepsis und Enttäuschung

Von Ute Otto 22.04.2016, 17:32
Etwa 50 Prozent der Fläche des Landkreises Wittenberg werden landwirtschaftlich genutzt.
Etwa 50 Prozent der Fläche des Landkreises Wittenberg werden landwirtschaftlich genutzt. Symbol/cco

Jessen/Wittenberg - Fast die Hälfte der Fläche des Landkreises Wittenberg wird landwirtschaftlich genutzt, rund 40 Prozent ist von Wald bedeckt. Was Wunder, dass Landwirte, Waldbesitzer wie auch Umweltschützer des Kreises derzeit gespannt nach Magdeburg schauen, wo mit der Regierungsbildung auch die Weichen für die künftige Umwelt- und Landwirtschaftspolitik gestellt werden. Da sorgte die Nachricht, dass das Ressort künftig von einer Ministerin der Grünen, Claudia Dalbert, geführt werden soll, für Aufsehen. Die MZ hörte sich im Landkreis um, wie das hier ankommt.

Jens Fromm, Vereinigte Agrarbetriebe Seydaland: „Wir hatten das schon mal, ich habe daran wenig angenehme Erinnerungen. Wir hatten damals angefangen, in einem Zweig biologische Landwirtschaft zu betreiben - das machen wir übrigens noch heute - und haben damit Preise erzielt, die unter den konventionellen Produkten lagen. Letztlich mussten wir die Bioware auf den konventionellen Haufen werfen. So etwas passiert, wenn Forderungen übergestülpt werden, ohne zu betrachten, wie sie kostenseitig umzusetzen sind. So weiß ich jetzt nicht, was wir erwarten können. Ich habe auch die Wahlkampfveranstaltungen der Grünen zur Landwirtschaft besucht, so richtig schlüssig waren mir die vorgestellten Leitbilder zur Landwirtschaft nicht. Wir würden uns wünschen, dass Konzepte ausgehend von den Verbraucherwünschen diskutiert werden.“

Hartmut Schröter, Landgut Hundeluft GmbH: „Ich bin enttäuscht, dass Haseloff nicht mehr Stärke gezeigt hat. Ich hatte mir doch einen Kompromiss erhofft, dass die Landwirtschaft in der Hand der CDU bleibt. Von den Grünen kamen in der Vergangenheit zu viele Meldungen, die die Bevölkerung verunsichert und die Bauern in Misskredit gebracht haben. Wir haben - neben dem allgemeinen Preisdruck - schon genug Probleme mit Biber, Wolf und den FFH-Gebieten (Gebiete, die als Flora-Fauna-Habitat unter dem Schutz des EU-Naturschutzrechtes stehen - die Redaktion). Nun müssen wir sehen, wie Frau Dalbert tickt.“

Hartmut Steiner, Vorsitzender des Bauernverbandes Wittenberg und Chef der Agrofarm Flämingrand GmbH Zahna: „Wir Landwirte wählen ja mehrheitlich konservativ, wir sind sehr enttäuscht, dass das Ressort nicht bei der CDU bleibt. Wir hatten mit Hermann Onko Aeikens einen Landwirtschaftsminister, der sich - zunächst als Staatssekretär - 25 Jahre lang für die Landwirtschaft in Sachsen-Anhalt eingesetzt hat, unabhängig von der Betriebsgröße, und er hatte dabei stets die Wettbewerbsfähigkeit im Auge mit einem ausgewogenen Verhältnis zur Ökologie. Ich befürchte, dass mit dieser Landwirtschaftsministerin Ökologie zu Lasten der Ökonomie gehen und die Wirtschaftlichkeit vieler Betriebe gefährdet wird. Die Land-, Forst- und Nahrungsmittelwirtschaft ist ein starker Wirtschaftszweig in Sachsen-Anhalt, wir appellieren, dass sich die Verantwortlichen damit auseinandersetzen. Aus unserer Sicht gehört das Landwirtschaftsministerium in bewährte Hände, es wäre gut, wenn die Entscheidung noch mal überdacht würde.“

Martin Gersch, Kreisjägermeister und Landwirt im Ruhestand: „Das wird sicher ganz schwierig. Ich befürchte, dass es noch strengere Vorschriften in der Landwirtschaft gibt, die die Betriebe einfach nicht mehr stemmen können. Sie sind ja jetzt schon extremer Bürokratie und enormem Kostendruck ausgesetzt. Für die Jägerschaft wird das nicht weniger kompliziert. Wir haben ein ordentlich novelliertes Jagdgesetz, mit dem wir gut vorangekommen sind. Würden die Jagdzeiten verkürzt, kämen wir nicht mehr hinterher, die Wildbestände zu reduzieren, was wieder enorme Schäden in Land- und Forstwirtschaft bedeuten würde. Ich fürchte, die Probleme werden auf keinen Fall kleiner. Wir sind mit Aeikens gut zurecht gekommen, es ist bitter, dass Haseloff die Landwirtschaft aus den Händen der CDU gegeben hat.“

Dietmar Brettschneider, Vorsitzender der Jägerschaft des Altkreises Jessen und Vorsitzender des Unterhaltungsverbandes „Schwarze Elster“: „Das ist eine Katastrophe! Haseloff opfert Aeikens, bloß um an der Macht zu bleiben. Ich hatte als Bürgermeister über die Glücksburger Heide viel mit Grünen zu tun und habe Hochachtung vor dem Wissen dieser Menschen. Aber wenn es um die Praxis geht, sind sie einfach weltfremd. Man stelle sich bloß mal vor, wie es bei kompletter Freilandhaltung von Geflügel überall stinken würde. Wie wollte man das in den Griff kriegen? Unsere Landwirte hier machen ihre Arbeit gut.“ (mz)