Nachpflanzung Nachpflanzung : Eichen ersetzen Ahorn

Jessen - Die Stadt Jessen hat begonnen, die alte Silberahorn-Doppelreihe links und rechts des Scheunenwegs am Schulfestplatz mit Säulen- beziehungsweise Pyramideneichen zu unterpflanzen.
Dadurch soll langfristig der Alleen-Charakter erhalten bleiben, auch wenn die Ahornbäume wegen ihres hohen Alters und Pilzbefalls aus Gründen der Gefahrenabwehr nach und nach gefällt werden müssen, da ihre Standsicherheit nachlässt.
Darauf Bezug nehmend trugen Leser an die MZ die Frage heran, weshalb für besagte Ersatzpflanzung, deren Sinn sicher niemand grundsätzlich anzweifelt und die man bereits im März begonnen hat, gerade Eichen gewählt wurden. Wo in jüngerer Zeit doch Eichen immer wieder wegen des Befalls durch den Eichenprozessionsspinner zu Sorgenkindern mutieren.
Seine Brennhaare können bei Menschen bekanntlich allergische Reaktionen auslösen, so dass der Prozessionsspinner mit einigem Aufwand bekämpft werden muss.
Bewusste Entscheidung
Thomas Riedel, Leiter des Bauhofs der Stadt Jessen, in dessen Regie die Nachpflanzaktion im Scheunenweg läuft, erklärt auf MZ-Nachfrage: „An den Eichenprozessionsspinner haben wir natürlich auch gedacht, aber uns dennoch für Eichen entschieden. Weil sich zum einen mit ihnen eine schöne Allee formen lässt und zum anderen auf und am Festplatz bereits andere Eichen stehen. Die sind bislang nicht vom Eichenprozessionsspinner befallen. Und zu dem vorhandenen Bestand passen weitere Eichen eben einfach gut.“
Außerdem führt der Bauhof-Chef ins Feld, dass heute sowieso niemand einzuschätzen vermöge, was sich in ein paar Jahren in puncto Baumschädlingen vielleicht tue. „Im Zusammenhang mit dem Klimawandel zum Beispiel könnten noch ganz andere, bislang nicht bedachte Schädlinge auftreten.“
Und falls der Prozessionsspinner die Eichen am Schulfestplatz irgendwann heimsuche, müsse man ihn eben bekämpfen. Dass dieser Fall eintrete, sei aber alles andere als vorhersehbar: „Es gibt in unserer Region nach wie vor viele Eichenbestände, die der Prozessionsspinner nicht befallen hat.“
Eiche in der Stadt lassen
Nach Rücksprache mit Mirko Becker, beim Jessener Bauhof unter anderem als Baumkontrolleur tätig, ergänzt Thomas Riedel seine Ausführungen: „Die Eiche gehört nach Mitteldeutschland, sie ist eine hier angestammte Art.“
Eichen seien langlebige, zähe und obendrein schöne Bäume mit angenehmer Wuchsform. Im Scheunenweg ziehe man sie zu einer herrlichen Allee heran, die gleichzeitig als Windschutz für die Altstadt diene.
Das Auftreten des Eichenprozessionsspinners, so der Leiter des Bauhofs, dürfe nicht dazu führen, dass man künftig keine Eichen mehr pflanze. „Ob die neuen Säuleneichen in zehn Jahren eventuell mal befallen werden, kann heute keiner sagen. Aber es wäre ganz sicher die falsche Konsequenz, nun auf alle Eichen verzichten zu wollen.“
Das, so meint er sinngemäß, hieße mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Man sollte da nicht in Panik verfallen, sondern die Kirche im Dorf, hier besser die Eiche in der Stadt, lassen. „Jedenfalls wird sich der Bauhof um die jungen Bäume kümmern, wie um die anderen auch.“ Wer in dieser Sache noch Informationsbedarf habe, könne sich gern an ihn wenden.
Von der Unteren Naturschutzbehörde in der Landkreis-Verwaltung Wittenberg wollte die MZ wissen, ob sie für Nachpflanzungen Empfehlungen im Hinblick auf die Baumarten ausspreche oder wegen des Prozessionsspinners gar davor warne, neue Eichen zu setzen.
Heiko Tschetschorke, Fachdienstleiter im Umweltamt, zeigt sich nahezu verwundert über den Gegenstand der MZ-Anfrage und verneint regulierende Eingriffe in dieser Hinsicht ganz entschieden. „Es existiert keine Richtlinie zum Eichenpflanzen beziehungsweise Nichtpflanzen.“
Der Silberahorn kann Wuchshöhen bis 36 Meter erreichen. Seine Rinde ist glatt und grau. Meistens wächst er jedoch nicht so hoch, bleibt buschig verzwieselt. Sein Name rührt von der silbrig-grauen Blattunterseite her.
Die typischen Flügelfrüchte besitzen bei dieser Art einen 3,5 bis fünf Zentimeter langen Stiel und gebogene, weit ausspreizende Flügel. Die Baumart stammt aus Nordamerika, wird in gemäßigten Breiten aber gern als Zierpflanze in Gärten, Parks und an Straßen verwendet.
Wegen seiner Raschwüchsigkeit in den ersten 25 bis 30 Jahren ist der Silberahorn ein begehrter Baum für die städtische Begrünung. Er erreicht allerdings mit circa 100 Jahren - im Vergleich zu anderen baumförmigen Ahorn-Arten - kein sehr hohes Alter.
Die Säuleneiche, auch Pyramideneiche, treibt von April bis Mai hellgrüne Blüten. Die Blätter des Baums besitzen eine mittelgrüne Färbung, die sich im Herbst in ein leuchtendes Orangegelb verwandelt. Hellgrüne, ovale Früchte schmücken die Säuleneiche ab September.
Dieses schlank wachsende Laubgehölz bringt es auf eine Höhe von circa 15 bis 20 Metern und eine Breite um die fünf Meter. Die Pyramideneiche gilt als gut frostverträglich.
Das älteste bekannte Exemplar ist die „Schöne Eiche von Harreshausen“ in Hessen mit etwa 570 Jahren. Von dieser Säuleneiche stammen vermutlich alle Pyramideneichen der Stileiche ab. Ihre Samen wurden bereits im 18. Jahrhundert als Rarität teuer gehandelt.
Er bestätigt, dass Eichen in hiesigen Breiten zum traditionellen Erscheinungsbild des Laubbaumbestands gehören. Für manche FFH-Gebiete der Region gelte die Eiche explizit als typischer Baum, der hier angestammt sei, betont der Fachmann.
In solchen Arealen gebe es andersherum Probleme, wenn man bestimmte Eichenarten durch andere Eichen oder sogar durch abweichende Baumarten ersetzen möchte.
FFH-Gebiete sind übrigens spezielle europäische Territorien im Natur- und Landschaftsschutz, die nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie ausgewiesen wurden und dem Schutz von Pflanzen (Flora), Tieren (Fauna) und Lebensraumtypen (Habitaten) dienen. FFH-Gebiete rechnen auch zum Natura-2000-Netzwerk.
Warnung vor Hysterie
„Der Eichenprozessionsspinner ist ein Problem, das erst in den letzten Jahren aufgekommen ist“, sagt Heiko Tschetschorke. „Darauf muss entsprechend reagiert werden. Ich warne aber vor Hysterie.“
Bei Ersatzpflanzungen wie im Jessener Fall liege die Wahl der Baumart in der Verantwortung des zur Nachpflanzung Verpflichteten, hier also bei der Kommune. Eine Einschränkung macht der Fachdienstleiter im Umweltamt des Landkreises allerdings: „Ein Problem haben wir, wenn in Deutschland nicht ursprünglich heimische Baumarten statt hier angestammter zum Einsatz kommen sollen.“
Solche Bestrebungen gebe es gelegentlich unter anderem als Reaktion auf den Klimawandel, um sich an veränderte Standortbedingungen anzupassen. Derartiges - also das Verwenden so genannter biologisch invasiver Arten (bei Pflanzen heißen sie Neophyten) - müsste von Fall zu Fall beantragt, geprüft und letztlich eben genehmigt werden.
Mit Gegenfrage gekontert
Steffen Elstermann von der Unteren Forstbehörde des Landkreises Wittenberg kontert die Nachfrage der MZ gleich mit einer Gegenfrage: „Durch welche Baumart sollte man Eichen ersetzen“, zuckt er verbal mit der Schulter.
„Nimmt man zum Beispiel Linden statt Eichen, dann tritt vielleicht demnächst ein anderer Schädling auf und befällt die Linden oder der Eichenprozessionsspinner passt sich an und geht dann auch auf Linden.“
(mz)