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Landwirtschaft in Jessen Landwirtschaft in Jessen: Nächtliches Gülleausbringen erschreckt Anwohner

Von Ute Otto 15.09.2017, 08:33
Hier wird der Holmer Terra Variant, eins von zwei Schlachtschiffen des Agrodienstes Jessen, für die Gülleausbringung mit dem natürlichen Dünger betankt. Das Foto entstand im Frühjahr bei Seyda.
Hier wird der Holmer Terra Variant, eins von zwei Schlachtschiffen des Agrodienstes Jessen, für die Gülleausbringung mit dem natürlichen Dünger betankt. Das Foto entstand im Frühjahr bei Seyda. Agrodienst Jessen

Jessen - Mit dem Ausbringen von Gülle hat der Agrodienst Jessen am 31. August Nachtalarm bei Einwohnern des Jessener Bergwegs ausgelöst.

Es war der erste kühle Abend nach mehreren heißen Tagen und so hatte auch Familie Fritzsche das Schlafzimmerfenster weit geöffnet. Gegen Mitternacht wurde das Paar von Lärm, schrillem Piepen und grellem Scheinwerferlicht aus dem Schlaf gerissen. Man hätte meinen können, es sei ein Ufo gelandet auf der Brachfläche hinter dem Haus, schildert Eva Fritzsche das Geschehen. „Die Geräusche entfernten sich, kamen aber nach einiger Zeit zurück und wir waren wieder wach.“

Sie hätten schon überlegt, die Polizei wegen der Ruhestörung zu rufen, aber dann sei ein „zarter Duft“ nach frischer Gülle herein gezogen und habe sich im Schlafzimmer festgesetzt. Gestank und Lärm hätten sich auch durch Schließen des Fensters nicht aussperren lassen. „Als es 6 Uhr wurde und Ruhe eintrat, rätselten wir, warum die Gülle nachts ausgebracht werden muss“, so die Jessenerin.

Modernste Technik zum Ausbringen von Gülle

Der Agrodienst Jessen verfügt mit zwei Fahrzeugen des Typs Holmer Terra Variant über die modernste Technik zum Ausbringen von Gülle. So ein Gerät kostet neu je nach Ausstattung zwischen 500.000 und 630.000 Euro, ist von Felix Danneberg, der beim Agrodienst die Einsätze koordiniert, zu erfahren. Weil sich nicht mehr jeder Landwirtschaftsbetrieb diese teure Technik leisten kann oder will, wird zunehmend auf Dienstleister zurückgegriffen.

Das Jessener Unternehmen bringt laut Danneberg für über 30 Kunden die Gülle auf die Felder, „da kommen einige tausend Hektar zusammen“. Dazu kommt, dass mit der im Mai dieses Jahres in Kraft getretenen neuen Düngemittelverordnung die Sperrzeiten für das Ausbringen von organischen Düngern verlängert wurden. Damit ist jetzt für Gülle schon ab 1. November Schluss - zuvor war das der 15. November. (Mist und Kompost dürfen vom 15. Dezember bis zum 15. Januar nicht ausgebracht werden.) Ausnahmen für eine Verlängerung der Düngezeit soll es nicht mehr geben.

Frühestens ab 1. Februar darf wieder Gülle ausgebracht werden, aber das ist nur Theorie: Meist ist der Boden um diese Zeit gefroren es liegt Schnee oder die Äcker sind durch viel Regen nass und nicht mehr aufnahmefähig. Auch für diese Fälle gilt das Aufbringungsverbot. Auch die Vegetationszeiten seien zu beachten. Sind die Pflanzen zu hoch gewachsen, schöpfen sie die Nährstoffe nicht mehr voll aus. Das enge das vermeintlich große Zeitfenster weiter ein.

„Um die Aufträge zu schaffen, müssen wir mehrschichtig arbeiten“, erklärt Danneberg die nächtliche Aktion. Die Einsatzplanung müsse effektiv sein, die Technik zwischendurch über weitere Strecken umzusetzen, sei nicht wirtschaftlich. Und die Flächen grenzen nun einmal fast überall an bebautes Gebiet. Störungen von Anwohnern seien kaum zu vermeiden, so Danneberg. „Aber es trifft den Einzelnen nur ein- bis zweimal im Jahr.“

„Es gibt in Sachsen-Anhalt keine gesetzlichen Regelungen, was nächtliche Feldarbeit betrifft“, sagt der Sprecher der Kreisverwaltung Ronald Gauert auf Anfrage der MZ. Es gebe diesbezüglich wenig Beschwerden beim Landkreis. „Die Landwirtschaftsbetriebe beziehungsweise deren Dienstleister sind in Zeitdruck“, sagt auch Gauert. Wenn es bei einzelnen Tagen bleibe, sollte das für die Bürger hinnehmbar sein.

In drei Jahren wird moderne Technik verbindlich

Mit der modernen Technik wird im so genannten Schlitzverfahren der organische Dünger fünf bis acht Zentimeter tief in die Erde eingearbeitet. „Da können Sie hinterher drüber laufen, da riecht nichts unangenehm“, sagt Danneberg. Ab 2020 ist diese Technologie auf Feldern verbindlich, auf Grünland ab 2025.

Der Gestank, den Fritzsches vernommen haben, sei vermutlich aus den Belüftungsöffnungen der Tanks gekommen, mit denen die Gülle zum Feld gebracht wird. um dann in den Tank des Holmer umgepumpt zu werden. „Es entsteht Geruchsbelästigung, so lange die Fahrzeuge mit den Tanks am Feldrand warten“, bestätigt der Mann vom Agrodienst.

Eva Fritzsche meint, dass die Wiese hinter ihrem Haus im letzten Halbjahr so viel Gülle bekommen habe wie in den Jahren zuvor nicht. Wie eine Fläche behandelt wird, obliege jedem Eigentümer selbst. „Wir bringen nur aus, was nach der neuen Verordnung zulässig ist“, sagt Danneberg. Je nach Stickstoffbedarf seien das maximal 15 Kubikmeter Gülle je Hektar.

(mz)