Landkreis Wittenberg Landkreis Wittenberg: Droht Kahlschlag in der Heide?
JESSEN/MZ. - In der Glücksburger Heide sollen 160 Hektar abgeholzt werden. Dieses Szenario malte Jessens Bürgermeister Dietmar Brettschneider (CDU) in der Hauptausschusssitzung des Stadtrates an die Wand. Von Ersatzpflanzungen hierfür habe er bislang nichts gehört. Das würde geltendem Recht widersprechen. Und dass auch auf nicht von Munition beräumten Flächen Bäume gefällt werden sollen, dafür habe er überhaupt kein Verständnis. Professor Dr. Werner Wahmhoff, stellvertretender Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) mit Sitz in Osnabrück, kann die Aufregung nicht verstehen.
Verträge sind unterzeichnet
Er erläuterte, dass eine Tochter der Deutschen Bundesstiftung, die gemeinnützige DBU-Naturerbe GmbH, demnächst größere Flächen in der Glücksburger Heide vom Bund übernehmen wird. Die Verträge mit der Bundesagentur für Immobilienangelegenheiten (BImA) sind bereits unterzeichnet, die eigentumsrechtliche Übertragung ist in Vorbereitung. Bereits seit dem 1. April 2009 ist aber die DBU fachlich und finanziell voll in der Verantwortung, so Werner Wahmhoff. Er rechnet damit, dass auch die Eintragung ins Grundbuch bis Ende des kommenden Jahres abgeschlossen sein wird.
Insgesamt übernimmt die Naturerbe GmbH 33 Flächen in neun Bundesländern, unter anderem auch im Landkreis Wittenberg, mit einer Gesamtgröße von insgesamt 46 000 Hektar vom Bund, um sie als nationales Kulturerbe dauerhaft zu betreuen.
Somit habe die DBU in der Glücksburger Heide die Flächenhoheit über 2 596 Hektar, um Naturschutzziele zu verfolgen. Denn sie sei unter anderem Heimat und Brutgebiet von rund 150 Vogelarten. Deutschlandweite Bedeutung habe die Population des Ziegenmelkers. "Es ist erklärtes Ziel, nicht nur deswegen den Charakter der Glücksburger Heide als offene beziehungsweise halboffene Landschaft im Kern zu erhalten", erklärt Werner Wahmhoff. Ja, bestätigt er, dazu gehöre auch die Entnahme von Bäumen, die sich nach dem Abzug der GUS-Streitkräfte nach der Wende großflächig ausgebreitet hätten und nach und nach die Heide verdrängen würden.
Von Abholzungen könne man aber nicht sprechen, weil überwiegend Birken, Pappeln und junge Kiefern gefällt würden, um die Heide sowie die Lebensräume der seltenen Tier- und Pflanzenarten zu erhalten. Auf keinen Fall würden aber ältere Baumbestände umgehauen, macht der Professor deutlich. Im Gegenteil, alle Laubbaumbestände würden ab sofort gar nicht mehr genutzt und dauerhaft sich selbst überlassen. Die Kiefern-Monokulturen sollen mit naturnahen Waldbau-Methoden in Mischwald überführt und anschließend ebenfalls der natürlichen Entwicklung überlassen werden, versichert der stellvertretende DBU-Generalsekretär. Es gebe außerdem noch keine Flächenfestlegungen, wo nun Heide erhalten oder sich Wald entwickeln könne. "Dabei muss aber auch beachtet werden, dass sich im Kernbereich der Glücksburger Heide munitionsbelastete Areale aus Wehrmacht- und Sowjetzeiten befinden, die nicht betreten werden dürfen. Es wäre lebensgefährlich", so Werner Wahmhoff. Diese Areale würden sich aber von selbst schnell bewalden.
Alleingänge soll es nicht geben
"Unser Ziel, also der DBU, ist es, nicht nur mit der Stadt Jessen, sondern mit allen Partnern, seien es Forstleute, Landwirte, Jäger, Heimatfreunde oder benachbarte Waldeigentümer, einvernehmliche und tragbare Lösungen zu erarbeiten." Ideologische oder parteipolitische Aspekte werden dabei keine Rolle spielen und Alleingänge durch die Bundesumweltstiftung wird es nicht geben", betont Werner Wahmhoff ausdrücklich. Die Bewirtschaftung der Glücksburger Heide erfolgt im Auftrag der DBU durch den Bundesforstbetrieb Mittelelbe mit Sitz in Durchwehna.
Auf die Frage angesprochen, was mit dem Wegenetz in der Heide werde, das zum überwiegenden Teil laut Grundbucheintrag der Stadt Jessen gehört, meint er etwas hintersinnig: "Wir streben nicht an, diese Wege zu übernehmen. Somit sind wir auch nicht für Unterhaltung, Sicherung oder Entmunitionierung verantwortlich." Die Aufregung von Jessens Bürgermeister Dietmar Brettschneider könne er nicht nachvollziehen. "Mit Herrn Brettschneider hatten wir im Mai ein sehr konstruktives Gespräch, trotz unterschiedlicher Auffassungen über die Zukunft der offenen Heideflächen", wundert sich Werner Wahmhoff. Außerdem seien regelmäßige Abstimmungen vereinbart worden.
Auflagen erteilt
Die Zuständigkeit der DBU wird an der Landesgrenze zu Brandenburg, etwa im Bereich zwischen dem Russenwinkel und Morxdorf, enden. Der nördliche Teil, rund 700 Hektar, bis in den Raum Oehna hinein, als Glücksburg-Jänickendorfer Heide bezeichnet, ist in Privatbesitz. "Schon, aber der Eigentümer kann trotzdem nicht machen, was er will. Es gibt auch Auflagen des Bundeslandes Brandenburg und der Gemeinde", erklärt Helmut Marufke, Ortsvorsteher von Oehna. Das Dorf gehört zum Gemeindeverbund Niedergörsdorf.