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Kreis Wittenberg Kreis Wittenberg: Sirene ruft an den Damm

Von KLAUS ADAM 14.01.2011, 18:51

KREMITZ/MZ. - "Heute haben wir in Holzdorf Zettel ausgelegt, damit sich noch weitere Helfer melden", erzählt Karsten Pirwitz von der Feuerwehr Kremitz. Er kommt mit Frank Torger vom Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW) gerade von einem Kontrollgang auf dem Kremitzer Deichabschnitt zurück. "Da gab es eine Sickerstelle, aber nichts Prekäres", sagt der Fachmann.

"Wir müssen die aktiven Leute auch mal entlasten können", erklärt Pirwitz den Sinn der Zettelaktion mit dem Aufruf. "Ganz Kremitz sind ja nur 65 Einwohner und wir sind 14 Feuerwehrkameraden." Irgendwann sind die Kräfte auch mal erschöpft, sagt Pirwitz. "Den Leuten im Ort liegen die Nerven inzwischen blank. Wir können langsam kein Wasser mehr sehen." Wer Urlaub hat, weiß er, "traut sich schon gar nicht wegzufahren, weil das Wasser im Keller steht und Schlimmeres passieren könnte." Er kenne eine Familie im Ort, die sich eine weite Reise zusammengespart habe. Er mag sich nicht ausmalen, "was die sich für Gedanken machen" angesichts der Hochwassersituation. "Wir kümmern uns natürlich mit ums Haus."

Genau um 13 Uhr lässt der Kremitzer Wehrleiter Mike Kuhrmann durch die Wittenberger Leitstelle die Feuerwehrsirene im Ort auslösen. Zuvor hat er jedoch Familien im Ort schon angerufen und beruhigt: Wenn ihr die Sirene hört, ist es nichts Dramatisches. "Wir müssen nur die eine Quellkade" - so nennt sich der Verbau aus Sandsäcken an einer Sickerstelle, um Gegendruck zu erzeugen - "erhöhen und verstärken. Mehr nicht." Die Feuerwehrleute, die um diese Zeit zu Hause sind, hat er bereits allesamt verständigt. "Wir müssen aber die Sirene auslösen lassen, sonst sind wir nicht versichert", begründet Kuhrmann die Alarmierung, von der eigentlich schon alle wissen.

Seit dem späten Vormittag haben Mitarbeiter des Herzberger Unternehmens Melibau eine Auffahrt zur Deichkrone verstärkt. Und zwar gleich hinter Kremitz, da, wo im Oktober die Boote von DRK und Lebensrettungsgesellschaft angelegt hatten, um Sandsäcke zu Sickerstellen zu transportieren. Seit damals kommen die Helfer nur über den Damm an solche Punkte heran. Oder übers Wasser. Doch Boote stehen jetzt nicht zur Verfügung, resümiert Pirwitz. Deshalb werde die Deichauffahrt ertüchtigt, damit der Multicar mit den Sandsäcken auch die Richtung nach links einschlagen kann. Ohne diese Schotter-Kies-Aufschüttung von Melibau würde das Fahrzeug einsinken oder gar umstürzen. Den noch aus DDR-Zeiten stammenden Kleintransporter mit der praktischen Ladefläche stellt, wie schon bei den Fluteinsätzen 2002 und vor drei Monaten, der Kremitzer Norbert Walter zur Verfügung. Auch einen Radlader übrigens. Beide Maschinen sind im Moment unverzichtbare Hilfsmittel beim Ringen um die Sicherheit an den Kremitzer Deichen. "Der dritte Fluteinsatz jetzt, dann gehen wir beide in Rente", scherzt Walter. Gerade hat er mit seinem Radlader, den er damit auch meint, ein großes Bündel Sandsäcke zum Spielplatz gebracht. Bevor die Feuerwehrleute an die zu verstärkende Quellkade können, heißt es, Säcke zu füllen. "Die weißen Plastesäcke müssen gegen die normalen Jutesäcke ausgetauscht werden", erläutert Wehrleiter Mike Kuhrmann. "Die können kein Wasser aufnehmen und könnten weggeschoben werden."

"Ich bin viel unterwegs, von Cottbus bis Bernburg", sagt Karsten Pirwitz, "überall neben den Straßen sieht man nur noch Wasser. Die einzige Hoffnung der Leute ist, dass mit den Deichen nichts passiert."