Kreis Wittenberg Kreis Wittenberg: Astreine Töne weiterhin garantiert
SEYDA/MZ. - Da muss man Musiker und Mechaniker in einer Person sein. Auf Misstöne, egal ob beim Solo oder im Blasorchester, würde das Publikum gewiss äußerst sensibel, verstimmt wie ein Instrument, ja regelrecht empört reagieren.
So weit darf und wird es nicht kommen. Zwei Experten, die ihr Handwerk verstehen, suchten und fanden sich - Waldemar Boneki aus Seyda und Klaus-Dieter Jentzsch aus Wittenberg. Waldemar Boneki möchte, auch wenn es ihm schwer fällt, kürzer treten. Schließlich ist er bereits 78 Jahre, wenn auch im Herzen jung geblieben und immer noch gut drauf. Sowohl ab und an als Schlagzeuger bei den Lustigen Seydaer Blasmusikanten als auch in seiner Werkstatt, untergebracht in einem Container, der im Garten steht.
Unzähligen Blasinstrumenten, denen es die Töne verschlagen hatte, verhalf der Seydaer seit 40 Jahren wieder zur richtigen Stimmlage. Besitzer von Trompete, Tenorhorn, Posaune, Bariton, Kornett, das kleinste Blechblasinstrument, sowie der basstongewaltigen Tuba wussten und wissen, dass ihre verstimmten oder verbeulten "Patienten" bei Waldemar Boneki in guten Händen sind. Vor allem Musiker aus der Region gehören zum Kundenstamm - egal, ob sie in Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Sachsen oder Berlin zu Hause sind. Sogar ein Tubist aus München zählt zu den Stammkunden.
Sofort sympathisch
"Mein Handwerk wollte ich schon lange an den Nagel hängen, wenn ich nur einen geeigneten Nachfolger hätte." Das sagte Waldemar Boneki bereits vor knapp vier Jahren. Jetzt hat es sich endlich ergeben, als sich die Wege von Waldemar Boneki und Klaus-Dieter Jentzsch aus Wittenberg kreuzten. Die beiden Männer waren sich sofort sympathisch, fanden schnell einen gemeinsamen Nenner, eben die Blechblasinstrumente.
Klaus-Dieter Jentzsch, ein Wittenberger Urgestein, ist 57 Jahre alt und ein Vollblutmusiker. Er ist Künstlerischer Leiter, Dirigent und Trompeter vom Blasorchester Wittenberg. In Waldemar Bonekis Werkstatt-Container erzählt er von seinem künstlerischen und beruflichen Werdegang. "Bereits als kleiner Junge von zwölf Jahren entdeckte ich meine Liebe zur Trompete. Fünf Jahre Musikschule und ich hatte den Abschluss als Trompeter der Oberstufe", erinnert er sich. Alsbald fand er den Weg zum Blasorchester der Stickstoffwerke Piesteritz, das durch das Kulturhaus "Wilhelm Pieck", ebenfalls in Piesteritz, gefördert wurde. Er spielte die B-Trompete.
Wolf Ebeling war der Leiter des Klangkörpers. Krankheitsbedingt musste jedoch nach einem Nachfolger gesucht werden. Klaus-Dieter Jentzsch erklärte sich dazu bereit, absolvierte an der Moritzburg Halle eine Fachausbildung, die er als Staatlich Geprüfter Dirigent erfolgreich beendete. "Diese Fortbildung", so der Musiker, "wurde durch den Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) der DDR gefördert." So wurde er bereits im Alter von Mitte 20 Leiter des Piesteritzer Blasorchesters.
Verein gegründet
Mit der Wende kamen jähe Veränderungen nicht nur auf den Wittenberger Klangkörper zu. Die Förderung durch Werk und Kulturhaus fiel weg. So blieb als Ausweg nur die Gründung eines eingetragenen Vereins. "Mit allen Hürden, die da zu nehmen waren. Alles war Neuland für uns, aber wir bissen uns durch", schildert Klaus-Dieter Jentzsch. Er avancierte zum Leiter, sein Stellvertreter ist bis heute Siegfried Blüthner. Ergebnis: Das Blasorchester Wittenberg entstand, das sich seinen guten Ruf bewahrt hat und über die Kreisgrenzen hinaus bekannt ist.
Klaus-Dieter Jentzsch ist zwar mit Leib und Seele Musiker, aber er legte auch eine exzellente berufliche Laufbahn hin. Beim VEB Technische Gebäudeausrüstung (TGA) Wittenberg erlernte er den Beruf eines Elektromonteurs, arbeitete 15 Jahre als Installateur und wechselte dann als Betriebselektriker zum VEB Gummiwerke Piesteritz. Mit der Wende kam auch eine berufliche Neuorientierung. Klaus-Dieter Jentzsch "sattelte um" und wurde Kfz-Mechaniker. Die Volkswagen AG bildete ihn zum Service-Techniker aus. "Ich war einer der Ersten in den Neuen Bundesländern", sagt er nicht ohne Stolz. 18 Jahre war er dann im Autohaus Wittenberg als Kundendienst- und Serviceleiter tätig. Bis er den Entschluss fasste, in die berufliche Selbständigkeit zu wechseln. Am 1. Juni 2009 war es mit dem Eintrag in die Handwerkerrolle in Halle soweit: Klaus-Dieter Jentzsch eröffnete auf seinem Grundstück in der Wittenberger Thomas-Müntzer-Straße ein eigenes Unternehmen: Blechblasinstrumentenreparatur & Instrumentenverleih.
Waldemar Boneki kann eine ähnlich erfolgreiche Berufslaufbahn vorweisen. Er ist gelernter Dreher, hat einen Meisterabschluss als Landmaschinen- und Traktorenschlosser und ist BMSR-Ingenieur (Betriebs-Mess-Steuer-und-Regeltechnik) und seit 1949 Musiker. "In Klaus-Dieter Jentzsch habe ich einen würdigen Nachfolger und keinen Konkurrenten für meine jahrzehntelange Arbeit gefunden", freut sich Waldemar Boneki. Er und Jentzsch sind sich einig. "Uns verbindet eine herzliche Musikerfreundschaft und die Liebe zu den Blechblasinstrumenten."
Nach Markneukirchen
Gemeinsam unternahmen sie kürzlich eine Exkursion in die renommierte Musikinstrumentenfabrik Markneukirchen im Vogtland. Der Seydaer stellte bei dieser Gelegenheit den Wittenberger offiziell als seinen Nachfolger vor. Wichtig für den "Nachschub" an Ersatzteilen, die Waldemar Boneki seit Jahrzehnten von dort bezieht. Solange der Vorrat reicht, will Waldemar Boneki sein Handwerk noch nicht ganz "an den Nagel hängen". "Für gute Bekannte mache ich schon noch ein bisschen was", erklärt er. Klaus-Dieter Jentzsch hat nichts dagegen einzuwenden.