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Kreis Wittenberg Kreis Wittenberg: Als Seydaer nasse Füße hatten

Von H.-DIETER KUNZE 26.01.2011, 18:59

SEYDA/MZ. - Hochwasser auch in Seyda? Wie ist das möglich, relativ weit ab von den gegenwärtigen "Sorgenströmen" Elbe und Schwarze Elster? Doch es gab in den 1940er Jahren Hochwasser im Ort. Es kam aus den Höhen des Niederen Flämings. Zeitzeugen, Tischlermeister Horst Hirsch, 82, und Walter Dalichow, 79, zwei in Seyda gebürtige "Urgesteine", können sich sehr wohl daran erinnern.

Horst Hirsch schildert seine Erlebnisse. Im Frühjahr 1941 habe es ein richtig großes Hochwasser in Seyda gegeben. Mit Schlittschuhen fuhr der Junge damals begeistert über die überfluteten und gefrorenen Wiesen Richtung Schadewalde. Er startete vom Grundstück seines Großvaters, "Mützen-Schulze" genannt. Der wohnte in Richtung Gadegast, in der Nähe des Seydaer Friedhofes. Durch die überflutete Jüterboger Straße wurde in Brühtrögen, zum Boot umfunktioniert, gestakt. Noch schlimmer sei das Hochwasser nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahr 1947 gewesen. Das Wasser strömte aus dem Fläming gen Seyda. "Man sagte damals, die Umgebung von 17 Dörfern, so vom Ort Dalichow über Blönsdorf, Seehausen und anderen, hätten den Zustrom gen Seyda mit Schmelzwasser gespeist", sagt Horst Hirsch. Erinnern kann er sich auch noch daran, dass trotz Hochwassers von Seyda und Umgebung aus mit Pferdegespannen nach Blönsdorf gefahren wurde. Dort sei ein "Umschlagplatz" für Lebensmittel für Berliner gewesen.

Walter Dalichows Zeitangaben weichen etwas ab. Das Hochwasser wäre im Frühjahr 1942 nach Seyda gekommen, dann noch mal 1943. Zum Jahr 1947 ist er mit Horst Hirsch einer Meinung. Walter Dalichow wohnt noch immer in seinem Elternhaus in der Jüterboger Straße. Er zeigt, wie hoch das Wasser damals stand. Der Klinkerbau wurde 1930 errichtet. Der Hof war überflutet, der Keller voll. Mit einer neu gekauften Jauchepumpe mit Handbetrieb habe sein Vater versucht, das Wasser wegzubekommen. Walter Dalichow: "Wir Kinder mussten mit ran. Mit einer Badewanne sind wir durch den Keller gepaddelt und haben Eingewecktes geborgen." Sandsäcke? Nichts gab es zum Schutz. Mit Mist wurden provisorische Barrikaden vor Türen und Fenstern errichtet. Gummistiefel gab es nicht, dafür hohes Schuhwerk aus Blech. Nach Kriegsende kamen Kunststoff-Stiefel aus Igelit auf.

Walter Dalichow bestätigt die Aussagen: "Das Wasser kam aus dem Fläming gen Seyda geflossen." 1943 sei deshalb mit dem Bau eines Hochwasserschutzdammes nördlich von Seyda, Richtung Mellnitz, heute immer noch als Weinberg bekannt, begonnen worden. Französische Kriegsgefangene, in Seyda und Umgebung einquartiert, mussten ihn errichten, wurden dann aber abgezogen. Rentner aus der Seydaer Region vollendeten schließlich noch während des Zweiten Weltkrieges mit Hacke, Schaufel und Schubkarren deren Werk. Trotz Hochwassers wurden Arbeiterinnen und ältere Arbeiter aus Seyda und Umgebung täglich in die Munitionsfabrik "Selterhof", zwischen Jüterbog und Tiefenbrunnen (an der heutigen B 102 gelegen), chauffiert. "Die Munitionsarbeiter mussten sich an der Haltestelle an der Gaststätte Borst, später Hecht, nahe des Seydaer Marktes, einfinden, bevor es durchs Wasser in der Jüterboger Straße ging", erinnert sich Walter Dalichow. Das Hochwasser hatte aber für ihn und seine Schulkameraden trotz allem Schlimmen auch positive Seiten: Der Schulbetrieb wurde eingestellt. "Das haben wir weidlich ausgenutzt. Mit Schlittschuhen sind wir übers Eis bis nach Morxdorf gefahren."

Seyda wird tangiert von zwei relativ trägen Fließgewässern: dem Morgengraben und dem Fließ, umgangssprachlich auch Fliet genannt. Der Morgengraben entspringt in Seyda an der Glücksburger Heide nahe der Gaststätte "Schützenhaus" und fließt über Gentha in Richtung Listerfehrda. Dort mündet er in die Schwarze Elster. Das Fließ hat drei Quellen: Bei Gadegast, Mellnitz und Morxdorf. Vereinigt fließen sie im Raum Meltendorf, Lüttchenseyda und Gentha in den Morgengraben.

Droht Seyda eine Hochwassergefahr aus dem Fläming? "Völlig ausgeschlossen ist das nicht. Aber da müssen schon einige Faktoren knallhart zusammentreffen. Wild abfließendes Tauwasser aus dem Fläming, starker Regen und tief gefrorene Böden." Das sagt Uwe Strahl, Sachgebietsleiter für Wasser, Boden und Abfall in der Kreisverwaltung Teltow-Fläming.