Klödener Riß Klödener Riß: Alte Elbarme sind nur noch Rinnsale

Klöden - Hunderte Wasservögel tummeln sich derzeit am Klödener Riß, aber Dietmar Warten- burger, Ortsteilbeiratsvorsitzender, kann sich an dem Naturschauspiel nicht erfreuen. Die Enten, Rallen und Reiher konzentrieren sich nämlich auf die beiden kleinen Seen links und rechts des Durchlasses in der Elbstraße. Es sind die letzten Wasserflächen in dem alten Elbarm, der sich über vier Kilometer vom Mündungsgebiet der Schwarzen Elster bei Schützberg bis Kleindröben erstreckt.
Im Baderiß bildet der sogenannte Lehmberg Inseln. „Als Jungs sind wir immer dorthin geschwommen. Wenn wir uns dorthin gestellt haben, stand uns das Wasser noch bis zum Hals“, erzählt Wartenburger. Der Silberreiher kann jetzt mitten im Gewässer jenseits des Durchlasses stehen und kriegt höchstens nasse Füße.
Ein Großteil des Rißes, ebenso wie auf der anderen Elbseite die Alte Elbe Bösewig, liegen trocken. Das habe nicht nur mit der Dürre des vergangenen Sommers zu tun. „Es hängt damit zusammen, dass sich die Elbe immer tiefer ins Flussbett eingräbt“, weiß Wartenburger.
Über einen Meter tiefer ist die Flusssohle im Vergleich zu 1961. Die Kurve auf dem Diagramm der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost verläuft stetig nach unten, pro Jahr sind es zehn Zentimeter. Zwar ist in dem Elbabschnitt bei Klöden ein Projekt zur Sohlestabilisierung geplant, dessen Kernpunkte die Zugabe großer Geschiebemengen und der Umbau der Buhnen zur Verringerung der Fließgeschwindigkeit sind.
Aber ehe die Umsetzung beginnt, werden noch einige Jahre ins Land gehen. Und auch für die Wiederanbindung der alten Elbarme, dafür ist die Heiz-Sielmann-Stiftung Partner der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes und des Biosphärenreservates Mittlere Elbe, darüber war ebenfalls schon mehrfach in der MZ zu lesen, wird einschließlich Voruntersuchungen einen zweistelligen Jahreszeitraum in Anspruch nehmen.
Bei den Einwohnern der Elbaue wächst derweil die Ungeduld. Wie groß diese ist, zeigte sich in der jüngsten Sitzung des Ortsteilbeirates, in der Wartenburger den Zustand des Rißes zum Thema gemacht hat, „um die Leute dafür zu sensibilisieren, dass eben nicht nur die Auswirkungen des letzten Sommers sind“. Rappelvoll war der Raum in der Bowlingbahn, auch Einwohner aus Klödens Nachbarorten waren gekommen.
„Die Erhaltung des Rißes beschäftigt uns schon seit Mitte der 1990er Jahre“, sagt Wartenburger. Mehrere Vorhaben, den Elbarm zumindest auszubaggern, seien am Naturschutz gescheitert. Inzwischen gibt es in dem angestammten Bibergebiet keinen Biber mehr, Meister Bockert baut jetzt am Durchlass.
Als Vogelschutzgebiet wurde das gesamte Areal in das Europäische Schutzgebiet „Natura 2000“ aufgenommen. „Wenn sich der Riß über den Winter nicht erholt“, sagt Wartenburger angesichts der Ebbe im Gewässer, „wird es im Frühjahr hier für die Brut eng. Dann sind die Vögel weg.“ Pflanzen, die das Wasser brauchen, werden verschwinden, damit wiederum Insekten und Amphibien.
„Durch Ausbaggern allein bekämen wir nicht mehr genügend Wasser in den Riß. Der liege mittlerweile 1,60 Meter höher als der Wasserspiegel der Elbe. Wir müssen sehen, wie wir das Wasser halten“, so Wartenburger. Bis zur Jahrtausendwende hätten der Bund für Umwelt und Naturschutz und andere Elbaktivisten jegliche Flussbaumaßnahmen torpediert.
Deshalb sei Mitte der 1990er Jahre deutlich weniger Schotter eingebracht worden als es erforderlich wäre, um den Fluss zu bremsen, so der Ortsteilbeiratschef. „Jetzt liegen die Buhnen auf dem Trockenen. Und anstatt die Strömung zu verlangsamen, wirken sie erst recht als Einengung, so dass die Elbe noch schneller fließen kann.“
Dass die Elberosion eine Bedrohung für die Unesco-Welterbe Biosphärenreservat „Mittelelbe“ und das Dessau-Wörlitzer Gartenreich darstellt und deshalb dagegen etwas getan werden muss, sei nun auch bei den Elbe-Aktivisten angekommen. Aber dass so viel Zeit vergehen musste, das lastet Warteburger den Elb-Aktivisten an.
Der Kommunalpolitiker ärgert sich zudem darüber, dass sie das Problem nur begrenzt auf den Naturschutz sehen. Wirtschaftliche Aspekte interessieren nicht. Nicht nur, das sie den Fluss als Transportweg negierten. Die landwirtschaftliche Nutzung der Aue werde ebenso kritisch gesehen.
Am schlimmsten findet Wartenburger Ansichten, man solle die Elbe und die Natur ringsum sich selbst überlassen. „Die Elbe kann sich nicht mehr selbst regulieren. Ohne Hilfe besteht keine Chance, dass sich etwas ändert. Aber uns rennt die Zeit davon. “ (mz)
