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Kelterei in Jessen Kelterei in Jessen: Wein braucht viel Ruhe

Von Detlef Mayer 13.10.2016, 09:24
Winzer Ingo Hanke drückt hier bei der Rotwein-Gärung die Maische im Tank wieder nach unten. Denn die Schalen der Trauben, die durch den Gärvorgang nach oben gehoben werden, müssen in Kontakt bleiben mit dem Saft, um ihren roten Farbstoff an den Wein abgeben zu können.
Winzer Ingo Hanke drückt hier bei der Rotwein-Gärung die Maische im Tank wieder nach unten. Denn die Schalen der Trauben, die durch den Gärvorgang nach oben gehoben werden, müssen in Kontakt bleiben mit dem Saft, um ihren roten Farbstoff an den Wein abgeben zu können. D. Mayer

Jessen - Die Lese der Trauben auf dem Jessener Weingut Hanke läuft noch etwa eine Woche, schätzt Winzer Ingo Hanke. Täglich, so es das Wetter zulässt, rollt der so genannte Maischewagen, gezogen von einem kleinen Traktor, mit seiner Traubenlast zur Kelterei des Familienbetriebs am Gorrenberg. Inzwischen sind es ausschließlich weiße Trauben, die dort ankommen. Die Rotwein-Ernte ist bereits abgeschlossen.

Was die Kellerarbeit angeht, haben die Hanke-Brüder einen unumstößlichen Grundsatz: „Wir lassen unsere Weine ausreifen“, betonen Frank und Ingo unisono. Dabei ist ihnen bewusst, dass das nicht alle Winzer so handhaben, meist aus ökonomischen Erwägungen. „Manche füllen den jungen Wein schon vor Ostern oder sogar noch früher ab“, nennt Ingo Hanke eine zeitliche Orientierungsmarke. Aber: „Nur ausgereifter Wein garantiert, dass man eine Flasche auch nach fünf Jahren noch mit Genuss trinken kann“, versichert Frank Hanke gegenüber der MZ.

Entsaften der Trauben

Wenn die Trauben - beim Besuch des Redakteurs sind es jene vom Riesling - in der Kelterei ankommen, werden sie abgeladen bzw. über Pumpe und Förderschnecke in das große Gerät transportiert, auf dem in blauen Buchstaben der Schriftzug „Europress“ zu lesen ist. Dennoch kann man in der Maschine von der Herstellerfirma Scharfenberger keine Euro pressen, sprich drucken, wie Ingo Hanke scherzend anmerkt. Vielmehr werden damit die Weinbeeren um ihren saftigen Inhalt erleichtert.

Es handelt sich nämlich um eine pneumatische oder Membranpresse. Das Presstuch im Innern wird dazu mit Druckluft gefüllt und quetscht die Trauben mit einiger Kraft gegen die geschlitzte Trommelwand. Der austretende Saft sammelt sich in der darunter befindlichen Wanne. Von dort befördern ihn Pumpen über flexible Leitungen in einen Edelstahltank im Keller der Kelterei. Und dann gönnt man dem Saft eine erste Ruhephase. Allerdings nur über Nacht, wie Ingo Hanke erläutert. Diese Zeit benötigt die gelbliche Flüssigkeit, damit sich der Trub (das Trübe), wie der Winzer es nennt, absetzen kann.

Anschließend zieht der Fachmann den klaren Saft in einen anderen Tank ab und setzt ihm Reinzuchthefe zu. Damit beginnt die Gärung, also die Verwandlung des Saftes in Wein. Ingo Hanke merkt an dieser Stelle an, dass es unterschiedliche Hefen gibt. Man wählt sie so, dass sie helfen, das sortentypische Aroma jedes Weins auszubilden. „Jeder Kellermeister hat da sein eigenes Rezept.“ Man könne dabei durchaus ein bisschen experimentieren.

Gärung temperaturgesteuert

Der Gärungsprozess läuft temperaturgesteuert - deshalb ist die gleichbleibende Kellertemperatur wichtig - und dauert laut dem Jessener Winzer 14 Tage bis drei Wochen. Im Normalfall! Das hänge neben anderem von der Qualität der Hefe ab. Wenn der Wein vergoren ist, spricht der Experte von Jungwein und der darf erst einmal ruhen. Ingo Hanke formuliert, dass der Jungwein „ein bisschen liegen bleibt“. „Die Hefe stirbt ab, wenn kein Zucker mehr da ist. Ihre Reste setzen sich ab und der Wein klärt sich“, zählt er auf, was in den Tanks geschieht. Und er betont, dass man darauf achten muss, dass die Tanks voll sind, will sagen kein Platz für Luft bleibt. „Sauerstoff ist nicht gut für den Wein. Er würde oxidieren, braun werden, verderben.“ Frank Hanke vergleicht die Auswirkungen mit einer Flasche Wein, die man zu lange hat offen stehen lassen.

Was ihn wiederum zu der scherzhaften Anmerkung inspiriert, dass die Leute aus Winzer-Sicht heute viel zu wenig Wein konsumieren. „Zu Luthers Zeiten wurden bis zu drei Liter am Tag getrunken. Und die Menschen waren damals sehr helle und kreativ, wie man nicht nur an Luther sehen kann.“

Wein im „Winterschlaf“

Zurück zum jungen Wein. Der darf in der kalten Jahreszeit so was ähnliches wie Winterschlaf halten. Wobei er natürlich in aller Ruhe reift. Zwischen Januar und März wird er dann „hell gemacht“. Mit dieser Formulierung umschreibt Ingo Hanke das Filtern. Und im Anschluss wird dem Wein erneut - der geneigte Leser ahnt es bereits - Ruhe gegönnt. Bis er dann Ende April oder im Mai zur Abfüllung kommt und in Flaschen mit schmucken Etiketten auf Käufer wartet.

Die eben beschriebenen Arbeitsschritte der Weinwerdung beziehen sich auf weiße Trauben und Tropfen. „Rotweinverarbeitung geht ein bisschen anders“, lässt Ingo Hanke wissen. „Der Rote braucht noch mehr Ruhe.“ Als wesentlichsten Unterschied zum Weißwein-Keltern stellt er jedoch heraus, dass Rotwein auf der Maische vergoren wird. „Die Farbe sitzt in der Traubenhaut. Sie muss aus den Zellen herausgelöst werden.“ Daher bleiben hier Maische und Wein länger zusammen und der Rotwein wird entsprechend später fertig als sein weißes Gegenstück. „Er braucht mehr Zeit für die Reife“ und werde erst Ende August, Anfang September abgefüllt und der Kundschaft angeboten. (mz)

Der Saft läuft dann in die darunter befindliche Auffangwanne und gelangt über Leitungen in die Edelstahltanks im Keller.
Der Saft läuft dann in die darunter befindliche Auffangwanne und gelangt über Leitungen in die Edelstahltanks im Keller.
Mayer
Die erste Station der am Weinkeller angelieferten weißen Trauben ist die Membranpresse von der Herstellerfirma Scharfenberger. Pneumatisch wird mit ihrer Hilfe der Saft aus den Trauben gequetscht.
Die erste Station der am Weinkeller angelieferten weißen Trauben ist die Membranpresse von der Herstellerfirma Scharfenberger. Pneumatisch wird mit ihrer Hilfe der Saft aus den Trauben gequetscht.
Mayer
Ingo Hanke verschließt die Öffnung des Behälters. Der Saft bekommt über Nacht eine erste Ruhephase, damit sich das Trübe absetzen kann.
Ingo Hanke verschließt die Öffnung des Behälters. Der Saft bekommt über Nacht eine erste Ruhephase, damit sich das Trübe absetzen kann.
Mayer
Das mittlere Bild zeigt, wie der frisch gepresste, noch trübe Saft in einen Tank im Keller gepumpt wird.
Das mittlere Bild zeigt, wie der frisch gepresste, noch trübe Saft in einen Tank im Keller gepumpt wird.
Mayer
Nach Abziehen des klaren Saftes in einen anderen Tank und Zugeben von Hefe beginnt schließlich der Gärvorgang, dessen sichtbares Zeichen das „Blubbern“ im Gärröhrchen (rechts) ist.
Nach Abziehen des klaren Saftes in einen anderen Tank und Zugeben von Hefe beginnt schließlich der Gärvorgang, dessen sichtbares Zeichen das „Blubbern“ im Gärröhrchen (rechts) ist.
Mayer