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Kabarett Kabarett: Berliner "Sündikat" gastiert zum letzten Mal in Annaburg

Von Sven Gückel 19.02.2013, 18:46
Angela Merkel (Wolfgang Koch) sorgte für den roten Faden, der die Zuschauer durch das Programm geleitete.
Angela Merkel (Wolfgang Koch) sorgte für den roten Faden, der die Zuschauer durch das Programm geleitete. GÜCKEL Lizenz

Annaburg/MZ - Auf seiner Abschiedstournee gastierte das „Sündikat“ im Annaburger Porzellancafé. Mit von der Partie waren erlesene Ritter der Merkelrunde.

Wie ein Fass Atommüll

In Berlin ist Endspurt angesagt. Drei Kabarettisten schwingen sich ein letztes Mal durch die Lande. Im Gepäck: ein großes Optimismusseminar. Denn Deutschland hat ihn im Blick, den Aufschwung. Die Politik nennt täglich viele Gründe, an ihn zu glauben. Was sie jedoch verschweigt, sind Argumente, die dagegen sprechen. Sagt das „Sündikat“. Und schoss sich ein auf eine Bundesregierung, der nach Ansicht der drei Kabarettisten Wolfgang Koch, Axel Lutter und Fabricio Fettich der baldige Untergang bevor steht. „Unsere Regierung ist wie ein Fass Atommüll. Außen schwarz-gelb, innen ausgebrannt“, frohlockte Wolfgang Koch. Vielleicht liegt es einfach daran, dass der Heiligen Johanna der Atomlobby kein Licht mehr aufgeht. Denn da, wo sie der Lobby reingekrochen ist, ist es dunkel“, ergänzte Lutter süffisant. Leicht hatte sie es am Freitagabend nicht, die Kanzlerin. Zwei Stunden lang droschen die drei Berliner auf sie ein. Titulierten sie als Liz Taylor der CDU. Während diese acht Ehegatten verschliss, verlor Angela Merkel in der laufenden Legislatur acht Minister und Präsidenten. Dass 70 Prozent der Deutschen sie trotzdem toll finden, müsse wohl daran liegen, so Koch, dass man Merkel mit der aktuellen Regierung nicht mehr in Verbindung bringt.

Doch wen wählen im Herbst 2013? Wo sind sie, die Alternativen? Aus Sicht des „Sündikats“ ist der Wahlkampf schlicht überflüssig. Von der scheinbaren Übermacht der Kanzlerin ausgebremst streiten alle verbliebenen Parteien nur noch darum, „wer bei ,Mutti’ auf dem Schoß sitzen darf“. Und die Mitglieder der eigenen Reihen? Sie nerven Frau Merkel nur noch. Rainer Brüderle, Philipp Rösler helfen ihr ebenso wenig weiter wie Dirk Niebel. „Politiker ist ja kein Lehrberuf. Aber dass einer so gar nichts kann“, fragte sich Fettich bei diesem.

Einzig auf die Regierung wollte sich das Berliner Trio aber nicht beschränken. Globalisierung, die erst dann abgeschlossen sei, wenn der Chinese in Chemnitz sein T-Shirt nähen lässt, Hartz-IV, das, in Anlehnung an die zuständige Ministerin, demnächst in das schöner klingendere Uschi II umbenannt wird, oder der Mangel an Lehrern wurden ebenso thematisiert wie das finanziell schlichte Dasein der Rentner. Als solche verkleidet entführten die drei Herren als Bande namens „Die Scheintoten“ Minister Philipp Rösler in der guten Hoffnung, für ihn eine Millionen Euro zu ergaunern. Ein Plan der fehlschlug. Denn bei der aktuellen Spendensituation, so eine nette Stimme am Telefon zu den Erpressern, seien selbst 10 000 Euro schon zu viel des Machbaren. Nicht mehr auszuschließen, so das „Sündikat“, sei hingegen der Einsatz der Bundeswehr im Inland. Die Feinde, die es zu bekämpfen gilt, sind alle Antragsteller auf Sozialleistungen. Frei nach dem Motto: Ab 5.45 Uhr wird zurückbewilligt, und „Von deutschem Boden aus soll nie wieder ein Antrag bewilligt werden!“.

Schlusspunkt mit 65 Jahren

Viermal gastierte das „Sündikat“ in Annaburg. Ende Juni hat es seinen letzen Auftritt in Mecklenburg-Vorpommern. Koch, der wenige Tage später 65 Jahre alt wird, habe als Rentner einfach keine Lust mehr, auf Reisen zu gehen, sagte er im Gespräch mit der MZ. Neun Jahre mit eigenem Theater in Berlin und 16 Jahre Tournee seien einfach genug. „Nach oben hin bleibt nicht mehr viel Luft. Und die muss man sinnvoll einteilen“, so sein Fazit. Was die Zukunft des deutschen Kabaretts angeht, ist Koch guter Hoffnung, dass es auch ohne ihn fortlebt. Volker Pispers, Urban Priol und Georg Schramm nannte er stellvertretend - neben seinen Kollegen versteht sich. Die große Leuchtgestalt des Genres aber bleibt für ihn Dieter Hildebrandt. Was beide eint, ist nicht nur die Erkenntnis, „nicht schlauer zu sein als unser Publikum“.

Annaburg, so Wolfgang Koch, werde das „Sündikat“ in guter Erinnerung behalten. Und das nicht nur wegen der Bierkrüge, die die drei zum Abschluss von Mitarbeitern des Porzellancafés überreicht bekamen. Es sind simplere Dinge. „Der Applaus“, sagte Koch abschließend zum Publikum, „ist des Künstlers Brot. Hier in Annaburg sind wir immer satt geworden.“