Jessen Jessen: Was Beine sich erträumen können
JESSEN/MZ. - Es war einmal ein 15-jähriges Mädchen namens Elena. Sie wohnte in Ulm und besuchte zum ersten Mal einen Tanzkurs - so wie viele Mädchen und Jungen es in diesem Alter tun. Seitdem "träumt sie mit den Beinen", wie ein Sprichwort sagt, von einer eigenen Tanzschule. Das war Anfang der 1990er Jahre.
Nach kurzer Zeit wusste sie, dass sie keine Lust zu einem Beruf haben würde, der nichts mit Tanzen zu tun hat, und war nach der Schule an fünf Nachmittagen in der Woche auf dem Parkett zu finden. Mit 18 Jahren ging sie nach Augsburg an die Tanzakademie Trautz & Salmen. Die private Einrichtung ist eine anerkannte Ausbildungsstätte des Allgemeinen Deutschen Tanzlehrer-Verbandes (ADTV). Beim mehrfachen Welt- und Europameister Rudolf Trautz absolvierte Elena eine Tanzlehrerausbildung, die sie in Hannover weiterführte und durch Zusatzausbildungen in Disco-Fox, Tango Argentino und in Latino-Tänzen ergänzte.
Elena war Anfang 20, als sie sich gleich zwei Träume erfüllte: Sie gründete die "Tanzschule Elena Seelig" und heiratete. In den folgenden Jahren bekam die junge Familie viermal Nachwuchs. Der Sohn und die drei Töchter sind mittlerweile zwischen ein und zwölf Jahren alt.
Die Tanzschule läuft, trotz des turbulenten häuslichen Lebens gut. Wie funktioniert das? Elena Seelig sagt unumwunden: "Es ist schon stressig, doch wir haben es so gewollt. Ich bin tagsüber meist zu Hause, und mein Mann übernimmt abends die zweite Schicht, wenn ich zu den Tanzkursen fahre." In den Wintermonaten und während des Sommers ist Unterrichtspause. Diese Zeit widmet Elena Seelig der Familie.
Seit 1998 hat die dynamische Frau hunderte Erwachsene und Jugendliche das Tanzen gelehrt. Anfangs fuhr sie von Berlin bis Herzberg und Lübben. Seit fünf Jahren wird auch im Jessener Schützenhaus "gewalzert". In der Vorwoche startete das Herbstsemester. In den Grundkursen für Paare, Teil 1 und Teil 2, werden Grundschritte und leichte Figuren des Welttanzprogramms vermittelt und gefestigt. Dazu gehören Langsamer und Wiener Walzer, Blues, Foxtrott, Cha-Cha-Cha, Jive, Rumba und auch Disco-Fox. Wer etwas mutiger ist, kann den leidenschaftlichsten aller Tänze - den Tango Argentino - erlernen oder dessen Technik im Fortgeschrittenenkurs vervollständigen. Es gibt auch wieder ein Angebot für Jugendliche.
Außerdem haben verschiedene feste Gruppen mittlerweile ihren Platz im Kursplan. "Quantensprung" heißt ein Tanzkreis, "Montagstänzer" ein anderer, er ist der mit der längsten Tanzerfahrung. Familie Bayer aus Rehain zählt zu den "Quantenspringern" und ist seit vier Jahren dabei. Nach der Sommerpause freut sich das Ehepaar, dass es endlich wieder losgeht. "Oft kommen wir in der letzten Minute im Schützenhaus an, doch egal wie stressig es vorher ist - versäumen möchten wir unsere Tanzstunde nicht", sagt Heidi Bayer. Nie hätte sie sich vor vier Jahren vorstellen können, einmal die schnellen Bewegungen - etwa beim Cha-Cha-Cha - exakt und dennoch leichtfüßig zu beherrschen. Oder sich bei der besinnlich-romantischen Rumba von ihrem Mann Bernhard immer wieder aufs Neue (ver-)führen zu lassen.
"Es gibt kaum Fluktuation in der Gruppe. Man kennt sich untereinander, und wir freuen uns über jede neu gelernte Figur. Das Beste ist aber, dass wir als Paar etwas gemeinsam machen, was eine Balance für den Alltag ist", sagt Heidi Bayer. "Ich weiß, dass viele Frauen ihren Männern einen Tanzkurs zu Weihnachten schenken. Bei uns war es umgekehrt. Mein Mann hatte die Idee." Sie erinnert sich: "Wir hatten anfangs Muskelkater, und unser Tanzen war noch ziemlich ungelenk. Das verlor sich aber bald. Elena lehrt alles in kleinen Schritten, locker und mit Humor. Wir wollen uns ja nicht wie Profis für Turniere qualifizieren. Niemand fühlt sich vorgeführt, wenn sie einen Herrn oder eine Dame selbst in den Arm nimmt, um die Tanzhaltung zu korrigieren."
Bei gemeinsamen Übungsabenden schauen die Anfänger schon mal neidisch auf die Fortgeschrittenen, wenn sie etwa die Tango-Promenade temperamentvoll und mit entsprechender Mimik aufs Parkett legen. Oder wenn die "Montagstänzer" im Viervierteltakt beim Jive auch das schnelle "Seit-Schluss-Seit" fließend und in den Knien federnd tanzen.
Soweit sind Kerstin und Rüdiger Neubauer aus Lebien noch nicht. Sie haben jetzt den Grundkurs, Teil 2, begonnen. "Es macht uns viel Spaß, vor allem, weil hier ganz normale Leute mitmachen", sagt der Ehemann. Dem stimmen auch Kathrin und Jürgen Meißner, ebenfalls aus Lebien, zu. "Donnerstags um 19 Uhr beginnt unser Kurs, zu dieser Zeit sind andere Termine unwichtig", gibt Kathrin Meißner einen Einblick in den Familienkalender. Auch Familie Kurzrock aus Brandis ist wieder mit von der Partie. Die Fahrstrecke aus dem brandenburgischen Ort ist für sie keine Hürde. "Tolle Leute, eine dufte Tanzlehrerin, aber das Beste ist, meine Frau und ich - wir erleben das gemeinsam und tun noch was für die Figur", lässt er wissen.
Übrigens: Man kann sich noch für den Grundkurs, Teil 1, anmelden. Auch bei den Kinderkursen, die neu im Programm stehen (4 bis 6 Jahre und 6 bis 8 Jahre), sind noch wenige Plätze frei. Jugendliche können ebenfalls noch mitmachen. Ihr Tanztermin wäre donnerstags, ab 19. September, jeweils 16.30 Uhr. Wer allerdings etwas mehr "Anlaufzeit" braucht, der sei auf die Frühjahrskurse ab Februar / März verwiesen.
Anmeldungen für Tanzkurse sind möglich unter 030 / 21 01 44 22.