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Hoffest in Rade Hoffest in Rade: PS-starke Leidenschaften

Von gabi zahn 04.05.2013, 16:24
Anke Fritzsche aus Gentha steht im Mittelpunkt dieser Männerrunde, und ihr Mann Ehemann Michael (2.v.l.) ist ziemlich stolz auf seine „Bikerbraut“.
Anke Fritzsche aus Gentha steht im Mittelpunkt dieser Männerrunde, und ihr Mann Ehemann Michael (2.v.l.) ist ziemlich stolz auf seine „Bikerbraut“. Gabi Zahn Lizenz

Rade/MZ - Die Seydaer Grundschüler dürfen staunen: Ihre Lehrerin Anke Fritzsche aus Gentha kennt sich nicht nur mit flämischen Trachten und Volkstänzen gut aus. Sie hat auch eine PS-starke Leidenschaft. Auf einem tiefschwarz glänzenden Feuerstuhl tourt sie am 1. Mai zum Hoffest nach Rade, wo der Heimatverein gemeinsam mit dem Stadtteilbeirat ein Treffen historischer Motorräder veranstaltet. Dort ist Anke Fritzsche mit ihrer Isch 49 – eine sowjetische Maschine, Baujahr 1956, 11,5 PS – genau richtig und wird vor dem Dorfgemeinschaftshaus sofort von zahlreichen Motorradfreunden umringt. Ehemann Michael parkt gleich daneben – ebenfalls mit einer Isch 49. Beide Maschinen muten wie Zwillinge an und sehen so neu aus, als wären sie eben erst aus der Fabrik im Ural gekommen, wo sie einst hergestellt wurden.

Teilespender wird Schmuckstück

Anke Fritzsche schmunzelt und klärt auf: „Mein Motorrad war eigentlich Ersatzteilspender für das andere, das meinem Schwiegervater gehörte. Hartwig Jänichen hat in vielen Monaten dieses Schmuckstück aus tausend Einzelteilen aufgebaut.“ Der Motorradfreak aus Grabo hat auch das Treffen „Motorräder und ihre Geschichten“ anlässlich des Hoffestes mit organisiert. Hartwig Jänichen obliegt es, alle Maschinen zu registrieren, damit sie am Wettbewerb teilnehmen können.

Während die Oldtimer vieler bekannter Marken, darunter zahlreiche Modelle aus dem früheren Motorradwerk Zschopau, sowie Mopeds aus der Suhler „Vogelserie“ begutachtet werden, genießen im Hof die Elbaue-Blasmusikanten volle Aufmerksamkeit. Kaum haben sie die ersten Takte vorgelegt, eilen Manfred Müller aus Axien und seine Lebensgefährtin Edeltraud zur Bühne: „Wo es wackelt, da tanzen wir“, verkündet der Senior, und beide drehen sich fortan im Walzer- und Polkatakt – gemeinsam mit vielen anderen Paaren.

Dietmar Schugk vom Heimatverein, der zuvor alle Gäste herzlich begrüßt hat, beobachtet das muntere Treiben und stellt fest: „Ich glaube, den Leuten gefällt es hier.“ Dem ist nichts entgegenzusetzen. Der Hof füllt sich mehr und mehr. Bettina und Jens Lieschke vom Gasthaus „Zur Friedenseiche“ in Axien bewirten zum ersten Mal die Gäste beim Hoffest und haben bis in den Abend hinein rege zu tun.

Urgemütliche Atmosphäre

Gäste aus Prettin, Jessen, Annaburg und den Nachbardörfern treffen ein – viele auf dem Fahrrad. An die 200 Besucher werden bis zum Abend gezählt. Dass sich die Sonne nur verhalten zeigt und der Wind mitunter etwas kühl auffrischt, wird zwar allgemein bedauert, doch schadet dies der guten Stimmung keinesfalls. „Beim letzten Hoffest vor zwei Jahren mussten wir sogar ein Zelt aufbauen. Heute ist das Wetter wesentlich besser“, freut sich Dietmar Schugk.

Die nur neun Mitglieder des Heimatvereins, die Sponsoren und Helfer haben keine Mühe gescheut und eine echte Biergarten-Atmosphäre im Innenhof geschaffen. Das wissen die Gäste zu würdigen. „Es ist hier urgemütlich“, bescheinigt Roland Höhne aus Rade den Veranstaltern.

Am Tisch nebenan verspeisen Irmgard und Klaus Kittler aus Wittenberg genüsslich ihren Wildschweingulasch und erzählen: „Wir sind Blasmusikfreunde und waren noch nie in Rade. Doch als wir gelesen hatten, dass die Elbaue-Musikanten heute hier spielen, sind wir losgefahren und bereuen es keinesfalls.“ Die Knittlers zählen gemeinsam 150 Lebensjahre – je zu gleichen Teilen. Kaum haben sie den letzten Löffel vom Gulasch verzehrt, flitzen sie zur Tanzfläche. Gegen Mittag gönnt Walter Fromm, Chef des Ensembles und Vorstandsmitglied im Heimatverein, seinen Musikern eine Pause. Die Preisträger des Motorradwettbewerbes stehen fest und rollen unter dem Applaus des Publikums durch das Hoftor. Allen voran fährt Anke Fritzsche vor. Ihre Isch 49 wird als „Schönste Maschine“ prämiert – „und die Fahrerin selbst als schönste Bikerbraut“, flirtet Walter Fromm übers Mikro – was den Beifall noch verstärkt. Etwas verlegen lässt daraufhin die sympathische Frau wissen: „Ich konnte ja bis vor einem Jahr noch gar nicht Motorrad fahren. Erst als Hartwig Jänichen mir sagte, dass er die Maschine nur dann wieder aufbaut, wenn ich den Führerschein mache, habe ich die Fahrschule absolviert.“ Darüber ist nun auch ihr Ehemann froh, denn beide können fortan gemeinsam losdüsen. Für die weiteste Anreise wird Dieter Witke aus Jena geehrt. Und der Mittsiebziger Horst Thürmer aus Bad Schmiedeberg bekommt, wie vor zwei Jahren auch, eine Auszeichnung als ältester Biker.

Wette auf die Kuh

Hinter den Gebäuden – verständlicherweise etwas abseits vom Festgeschehen – ist noch eine andere Aktionsfläche vorbereitet. Die grüne Wiese wurde dort mit weißer Kreide in mehrere Felder unterteilt. Es ist die Spielfläche für das „Kuhroulette“. Dort zieht ein stattliches Rindvieh von Bauer Hildebrand aus Rade seine Kreise – bis es seinen „Fladen“ in eine der Teilflächen fallen lässt. Auf diesen Moment sind jene Gäste sehr gespannt, die zuvor gewettet haben, an welcher Stelle das wohl passieren wird.

Als das „Geschäft“ im wahrsten Sinne des Wortes erledigt ist, können sich die Familien Neumann und Melichar aus Rade den Einsatz teilen.