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Hochwasser in Gorsdorf Hochwasser in Gorsdorf: Familie Günther feiert jedes Jahr ein Deichfest

Von Detlef Mayer 02.06.2018, 06:18
Hinter dem inzwischen weitgehend wieder hergerichteten Haus der Günthers in Gorsdorf wächst der Gegenstand ihrer Hoffnung, nie wieder Hochwasser auf dem Grundstück haben zu müssen - der neue Deich an der Schwarzen Elster. Corina (links) und Tochter Carolin sind seit Baubeginn spürbar erleichtert.
Hinter dem inzwischen weitgehend wieder hergerichteten Haus der Günthers in Gorsdorf wächst der Gegenstand ihrer Hoffnung, nie wieder Hochwasser auf dem Grundstück haben zu müssen - der neue Deich an der Schwarzen Elster. Corina (links) und Tochter Carolin sind seit Baubeginn spürbar erleichtert. D. Mayer

Gorsdorf - Corina Günther glaubt nicht, dass sie es jemals schaffen wird, ganz über den Jammer, das Trauma hinwegzukommen. „Die Flut hat so viel ausgelöst bei uns, auch gesundheitlich, dass sich unser ganzes Leben verändert hat.“

Die nun 50-Jährige Gorsdorferin rekapituliert: „Nach dem ersten Hochwasser 2002 - da war ich auch noch gut zehn Jahre jünger als beim zweiten - bin ich relativ gut damit fertig geworden. 2013 aber war alles anders. Nur sehr, sehr langsam nehmen die Nachwirkungen ab. Ich kann bis jetzt nicht glauben, dass sie mal völlig verschwinden.“ Schnell reißen die alten Wunde wieder auf.

„Mich braucht nur irgend jemand darauf anzusprechen, schon ist alles wieder da. Die Leute meinen es gut, sie fragen aus Mitgefühl und ehrlichem Interesse, aber es löst jedes Mal seelische Turbulenzen aus.“ Dessen ungeachtet empfindet Corina Günther eine tiefe Dankbarkeit gegenüber allen, die ihrer Familie geholfen haben und es bis heute tun - Freunde, Verwandte, aber auch Außenstehende.

Acht Zentimeter weniger

2002 richtete das Hochwasser von Elbe und Schwarzer Elster Schaden von 100 000 Euro am Grundstück der Günthers an, das sich schon immer außerhalb des lange eingedeichten Ortskerns befand. 2013 blieb der Höchststand der Flut nur acht Zentimeter unter der erst elf Jahre alten Rekordmarke. Das genügte, um die Brühe im alten Fischerhaus, wie Corina Günther das einstige Domizil ihrer Großeltern (Fischermeister Reinhard Meyer und Frau Marie) nennt - in dem damals Tochter Carolin mit ihrem Freund Sebastian Schräpler aus Annaburg lebte - 40 Zentimeter hoch steigen zu lassen.

In ihrem eigenen, etwas höher gelegenen Haus, das Corina Günther mit Ehemann Roberto bewohnt, standen 15 Zentimeter Wasser. Und das, obwohl die Familie eine Spundwand ums Grundstück improvisiert hatte und Tag und Nacht Pumpen laufen ließ, was den Pegel hinter der Schutzwand immerhin 40 Zentimeter niedriger hielt als außerhalb.

Dennoch fiel die Bilanz nach der Flut erschreckend aus: Gekämpft, aber wieder verloren! Im neueren Haus musste die Bodenplatte samt Fußbodenheizung komplett rausgerissen werden. „Das war das Härteste, dass da der blanke Sand zu sehen war“, beschreibt Corina Günther ihre Erinnerung. Alle Türen waren außerdem zu ersetzen und von den Wänden der komplette Putz abzuschlagen und zu erneuern. „Wir hatten viel zu kämpfen, vor allem mit der Versicherung“, blicken Corina und Tochter Carolin Günther zurück.

„Die Versicherung hat vieles nicht so gesehen wie der Schadensgutachter.“ So habe die von der Versicherung bewilligte Summe letztlich auch nicht alles abgedeckt, was in dem neueren Haus zu tun war. Und wegen dieses Kraftaufwands sei der Familie die Energie ausgegangen. Das alte Fischerhaus ist nicht mehr zu retten, muss abgerissen werden. „Fünf Jahre ist die Flut nun her, aber das haben wir noch nicht geschafft“, gesteht Corina Günther. Im Frühjahr 2019 soll der teilweise Lehmbau nun verschwinden.

Dessen Abriss habe die Versicherung nicht für notwendig erachtet. Lediglich eine Abfindung sei Günthers angeboten worden. „Die haben wir dann unterschrieben, um endlich unsere Ruhe zu haben. Die Psyche fing an, verrückt zu spielen“, sagt Corina Günther. Natürlich reiche die Abfindung bei weitem nicht, um den Abriss zu finanzieren.

Panik bei Starkregen

Tochter Carolin und Lebenspartner Sebastian, die inzwischen Eltern sind - der heute dreijährige Pino „war die beste Ablenkung, die wir kriegen konnten“, so die Großmutter - haben das Weite gesucht. Sie sind nach einem Zwischenquartier im Wohnwagen - auch Corina und Roberto Günther lebten ein halbes Jahr lang in einem Wohnwagen - nach Jessen gezogen.

„Wir fühlten in uns Panik aufsteigen, sobald die Schwarze Elster etwas mehr Wasser führte oder starker Regen fiel“, berichtet die 30-Jährige. Diese Angst - „sie steckt in einem drin und ist sofort wieder da“ - wollten sie loswerden.

Bei ihren Eltern trägt der Deichbau, der vor einigen Monaten zwischen Haus und Schwarzer Elster begann, viel dazu bei. „Seit die Arbeiten laufen, geht es uns allen besser“, atmet Corina Günther etwas auf. „Ich gehe nicht davon aus, dass vor der Fertigstellung noch ein Hochwasser kommt.“ Lächelnd versprechen sie und Tochter Carolin, auch für Roberto, der auf Montage ist: „Wenn der Damm steht, feiern wir jedes Jahr ein Dammfest!“ (mz)

13. Juni 2013: Corina Günther, Sebastian Schräpler (Freund der Tochter), Carolin und Roberto Günther (v.l.) hinter ihrer selbst errichteten Spundwand. Erst am Vortag hatten sie die Pumpen abstellen können.
13. Juni 2013: Corina Günther, Sebastian Schräpler (Freund der Tochter), Carolin und Roberto Günther (v.l.) hinter ihrer selbst errichteten Spundwand. Erst am Vortag hatten sie die Pumpen abstellen können.
D. Mayer
Mutter und Tochter Günther an der Stelle, wo Anfang Juni 2013 die Spundwand stand. Das alte Fischerhaus hinter ihnen muss abgerissen werden.
Mutter und Tochter Günther an der Stelle, wo Anfang Juni 2013 die Spundwand stand. Das alte Fischerhaus hinter ihnen muss abgerissen werden.
Mayer