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Hausmannskost im Imbiss Hausmannskost im Imbiss: Futtern wie bei Muttern

Von Ute Otto 02.01.2017, 07:35
Hier ist Klaus-Dieter Bludau in seinem Element. Die Küche seines Imbissgeschäfts am Jessener Markt ist klein, für ihn aber praktisch.
Hier ist Klaus-Dieter Bludau in seinem Element. Die Küche seines Imbissgeschäfts am Jessener Markt ist klein, für ihn aber praktisch. U. Otto

Jessen - Jeden Werktag gegen zwölf kommen Helga und Gerhard Haubenschild sowie Wolfram Tauscher zum Mittagessen in den Imbiss von Klaus-Dieter Bludau am Markt in Jessen. Sie schätzen die Hausmannskost, die es hier gibt.

Beim Betreten des Ladens rufen sie der Küchencrew hinter dem Tresen einen fröhlichen Gruß zu, äußern ihre Wünsche - an diesem Mittwoch sind es einmal Backfisch und zweimal Grünkohl und Kassler - und setzen sich an einen der Tische in der kleinen Imbissstube.

Unaufgefordert bringt ihnen Rosemarie Musch Fassbrause und Kaffee. Es sind ihre letzten Tage als Dritte im Bunde neben dem Küchenchef und Ulla Becker, bevor sie nun wirklich in den Ruhestand geht.

Von 1991 bis Ende 2008 war Rosemarie Musch die Chefin des Geschäfts. Aus gesundheitlichen Gründen musste sie es aufgeben. Drei Monate blieb der Imbiss geschlossen, ehe sie mit dem gelernten Koch Bludau einen Nachfolger gefunden hatte. In Notfällen wollte sie noch aushelfen, hatte Rosemarie Musch bei der Wiedereröffnung am 1. April 2009 angekündigt.

Das war wohl ein kleiner Aprilscherz. Zumindest in den letzten Jahren ist kaum ein Tag vergangen, an dem sie nicht gegen Elf in der Imbissküche „Gewehr bei Fuß“ stand, um beim reibungslosen Ablauf des Mittagsgeschäfts zu helfen.

Das wird dann auch schon eingeläutet - im wahrsten Wortsinn. Das Telefon klingelt fast ununterbrochen. Ulla Becker, Bludaus Beiköchin, notiert die Bestellungen - die oft gesammelt aus Jessener Firmen und Behörden kommen - und heftet die Zettel der Reihe nach an die Magnettafel des nostalgischen Küchenbuffets.

Bald schon stehen auch die ersten hungrigen Kunden am Tresen, die sich auf die Schnelle Essen mitnehmen wollen, und auch die Gäste, die ihre Mittagspause in der Imbissstube verbringen, lassen nicht lange auf sich warten. Mehr als zehn Klassiker, vom Reibekuchen bis zum Schnitzel mit Bratkartoffeln, stehen immer auf der Karte. Dazu kommt jeweils ein Tagesangebot.

Früher habe er die Waren selbst eingekauft, sagt Klaus-Dieter Bludau. Das sei aber nicht mehr zu schaffen. Von morgens um acht bis abends um sechs habe er im Geschäft voll zu tun. „Ich habe sehr gute Lieferanten.“

Wer behauptet, Männer seien nicht in der Lage, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun, hat Bludau noch nicht bei der Arbeit erlebt. Er brät, rührt, frittiert, reguliert den Dampf-Kombigarer, in dem Grünkohl und Kasslerbraten nun fertig sind. 3.500 Euro habe das Gerät gekostet. Die Anschaffung habe sich gelohnt, sagt der 55-Jährige. „Früher hatte ich noch Riesen-Pfannen auf dem Herd.“

Rund 100 Portionen täglich gehen im Schnitt raus.Während er eine komplettiert, hat der Küchenchef schon die nächste im Blick - oder nach Zuruf im Ohr. Bratkartoffeln - bis zu 25 Kilo an guten Tagen - Backfisch, Schnitzel, Puffer, Eierkuchen - alles wird frisch in Pfanne oder Fritteuse gebrutzelt.

Salate, Sülze und Quark sind freilich vorbereitet, aber von ihm und Ursula Becker selbst. Die Küche ist nicht viel größer als in den meisten Haushalten. „Große Küchen bedeuten auch lange Wege“, sagt der Profi. Hier liegen nur wenige Schritte zwischen Kühlschrank, Garer und Herd. Und auch im „Highnoon“ gerät er niemals mit Ulla Becker aneinander, wenn sie quasi hinter seinem Rücken die Teller vorbereitet und ihm zuarbeitet.

Gelernt ist eben gelernt. Bludau kommt aus einer Kochfamilie. Zu DDR-Zeiten hat er in der Jessener Schulküche gearbeitet - 600 Mahlzeiten am Tag wurden dort zubereitet.

An der anderen Front der Küche packt Rosemarie Musch mit flinken Fingern die Mahlzeiten zum Mitnehmen in Folie ein. Sammelbestellungen kommen in Kartons, ihre Abholer müssen selten warten. Und auch wenn sich vor dem Tresen eine Schlange gebildet hat, braucht es nur ein paar Minuten Geduld.

Die meisten hier sind schon so lange Stammkunden, dass sie noch immer bei „Musch“ essen, obwohl sie Bludau meinen. So wechselt manches persönliche Wort über den Tresen hinweg. Der Chef hat auch immer einen Scherz auf Lager. Dabei gesteht er: „Ich weiß hinterher manchmal nicht mehr, wer alles hier drinnen war.“

Bis gegen 15 Uhr kommen immer noch Nachzügler zum verspäteten Mittagessen. Vom Tagesgericht sehen sie dann oft nichts mehr. Vor allem, wenn es Kohlrouladen gab. Oder Frikassee, oder Kaninchen, oder Wildgulasch - das sind hier die absoluten Renner. „Ich richte mich auch nach den Wünschen der Leute“, sagt der Küchenchef.

Zwischen Weihnachten und Neujahr bleibt der Imbiss traditionell geschlossen. Bludau nutzt die Zeit immer für eine Generalreinigung. Da er morgens ausschlafen kann, sei es für ihn auch Erholung. Wenn er am 2. Januar öffnet, ist für Rosemarie Musch eine neue Kollegin da. Es sei nicht leicht gewesen, Ersatz zu finden, sagt der Chef. Aber er sei optimistisch, dass es mit ihr funktioniert. (mz)

Das war ein Dream-Team: der Chef mit Ulla Becker (li.) und Rosemarie Musch.
Das war ein Dream-Team: der Chef mit Ulla Becker (li.) und Rosemarie Musch.
Otto
Der Chef setzt auf Hausmannskost.
Der Chef setzt auf Hausmannskost.
Otto
Haubenschilds und Gerhard Tauscher essen in der Imbissstube.
Haubenschilds und Gerhard Tauscher essen in der Imbissstube.
Otto
Rosi Musch packt die Bestellungen ein.
Rosi Musch packt die Bestellungen ein.
Otto