Fehlbildung während Schwangerschaft Fehlbildung während Schwangerschaft: Ein ganz normales Kind

Jessen/MZ - „Erstmal war es ein Schock“, gesteht die junge Mutter. „Man muss sich von dem perfekten Baby verabschieden.“ Etwa in der 22. Schwangerschaftswoche, so erinnert sich Anna Lehmann, war ihr „nicht perfektes Baby“ im Ultraschall zu erkennen. Die Ärzte diagnostizierten eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte. Auch ihr und ihrem Mann gingen die volkstümlichen Begriffe durch den Kopf, mit denen diese „Laune der Natur“, wie sie sagt, oft einfach stigmatisiert wird. Heute, ein Jahr und drei Operationen später, „sieht man unserer Johanna kaum noch etwas an. Man muss schon genau hinsehen, um es zu erkennen“.
Die Lippen-Kiefer-Gaumenspalte ist die zweithäufigste Fehlbildung des Menschen. In Europa kommt eines von etwa 500 Kindern mit einer solchen Fehlbildung auf die Welt. Das berichtet zum Beispiel das Uniklinikum Jena auf seiner Internetseite. Dieser Diagnose wenden sich allerdings inzwischen auch zahlreiche weitere Quellen im Internet zu.
Wie kommt es zu dieser Fehlbildung? In der frühen Schwangerschaft entwickeln sich Teile des Gesichts zunächst getrennt und verwachsen dann miteinander. Diese Verschmelzungsprozesse finden im Bereich der Nase, der Oberlippe bzw. des Oberkiefers zwischen der 5. und 7. Schwangerschaftswoche statt. Etwas später, zwischen der 10. und 12. Schwangerschaftswoche, vereinigen sich auch die einzelnen Teile des Gaumens. Erfolgen diese Entwicklungsschritte nicht oder unvollständig oder reißt das Gewebe wieder auf hat das eine Spalte zur Folge. Die meisten dieser Fehlbildungen werden bereits wähend der Schwangerschaft per Ultraschall diagnostiziert.
Die Charité Berlin informiert die betroffenen Eltern sehr umfangreich.
Keine Angst
Weil das junge Paar, Anna und René Lehmann, die auch psychische Belastung gut bewältigt haben, wenden sie sich an die Öffentlichkeit. „Wir möchten anderen Eltern Mut machen, die ebenfalls mit solch einer Diagnose konfrontiert werden. Es ist keine Krankheit und in den meisten Fällen kann den Kindern so geholfen werden, dass hinterher kaum noch etwas zu sehen ist.“ Leider gebe es immer noch Mütter, die ihr Kind wegen solch einer Diagnose abtreiben, begründet Anna Lehmann diese Initiative. Freilich, so räumt sie ein, „es hätte unser Kind noch viel schlimmer treffen können“. Solche Fälle lernte die junge Jessener Familie in der Klinik ebenfalls kennen. Doch auch denen wurde geholfen, wie ihnen, lobt Anna Lehmann.
Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Behandlungen bei der kleinen Johanna durchgeführt werden.
Charité kümmerte sich sofort
Für das Engagement der Mediziner findet die junge Mutter aus Jessen ausschließlich positive Worte. Denn: „Nachdem wir diese Diagnose erhalten hatten, wurden wir weiter betreut und konnten uns gut vorbereiten auf das, was uns erwartet.“ Denn als feststand, dass ihr Kind diese Lippen-Kiefer-Gaumenspalte habe, wurde die Familie sofort an die Charité in Berlin überwiesen. Dort kümmerte sich mit Dr. Guel Schmidt eine ausgewiesene Spezialistin um Anna Lehmann und ihr zu dieser Zeit noch ungeborenes Kind. „Sie operiert täglich zwei Kinder und verfügt damit über ausreichend Erfahrung auf diesem Gebiet“, merkt Anna Lehmann an. Die Ärztin sei sogar sofort nach der Geburt in die Entbindungsklinik gekommen, um sich das Kind anzuschauen und damit gleichzeitig die Eltern zu beruhigen. Sie fühlten sich dadurch in guten Händen. Freilich, so berichtet Anna Lehmann, bedingt diese Fehlbildung, dass die Eltern beim Füttern des Kindes sehr vorsichtig sein müssen. „Dadurch, dass die Verbindung von Gaumen und Nase offen ist, konnte unsere Johanna nicht saugen.“ Auch Pflege und Hygiene von Mund und Nase erfordern mehr als sonst üblich. „Aber das ist alles machbar“, macht die Jessenerin anderen Eltern Mut.
Fast alles korrigiert
Inzwischen sind zumindest die äußerlichen Beeinträchtigungen der kleinen Johanna behoben. „Als sie drei Monate alt war, hat Dr. Schmidt den weichen Gaumen korrigiert, mit neun Monaten den harten Gaumen. Und mit 13 Monaten wurden die Lippen operiert. Das war jetzt im März. Mit etwas Glück steht lediglich noch eine Operation aus. Sobald Johanna ihre bleibenden Zähne hat, wird die Spalte im Kiefer geschlossen, etwa im Alter von elf Jahren“, berichtet die junge Mutter. Doch für sie war von Anfang an etwas anderes wichtig: „Selbst wenn die Behandlung nicht den Erfolg gebracht hätte, für uns war unser Kind von Anfang an das süßeste der Welt. “ Und seit der Geburt wollten Anna und René Lehmann Johanna „wie ein ganz normales Kind“ behandelt wissen, erzählt sie. Für ihren Bruder Jannes, der im September vier Jahre alt wird, spielte das etwas andere Aussehen seiner kleinen Schwester von Anfang an gar keine Rolle. „Auch in der ,Villa Teige‘ wurde sie ganz liebevoll aufgenommen.“