Fachmarkt in Jessen Fachmarkt in Jessen: Wechsel auf Chefsessel

Jessen - Die zwei Worte „mein Lebenswerk“ spricht der 65-jährige Rainer Blum voller Selbstbewusstsein aus. Er hat bei drei Generation Fußböden verlegt, nach der Wende den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt, seinen Mitarbeitern immer pünktlich den Lohn gezahlt - doch die Uhr seines Arbeitslebens ist am Reformationstag abgelaufen.
Die Geschäftsübergabe an Jens Lehmann läuft ohne großes Brimborium ab. Darauf haben sich die beiden Männer verständigt. „Ab November ist die neue Kollektion zu sehen“, so der 45-jährige Lehmann, der den Fachmarkt im Jessener Bergweg 3 dann Stück für Stück umgestaltet. Erst wenn alles fertig ist, folgt die feierliche Eröffnung kündigt Blums Nachfolger an. Dies kann sich bis zum Frühjahr 2019 hinziehen.
Bewegtes Arbeitsleben
Der Fußbodenleger-Meister legt ein Fotoalbum auf den Schreibtisch und erzählt aus seinem bewegten Berufsleben. Er sei zweimal mit seinem Geschäft im Bergweg umgezogen, habe die Verkaufsfläche von 45 auf 450 Quadratmeter erweitert und kenne praktisch Hinz und Kunz. „Es sind zwischen 500 und 1000 Kunden“, sagt er und ist stolz, alle Probleme auf dem kurzen Dienstweg geklärt zu haben.
2017 ist der Geschäftsmann aus Jessen, der privat in Linda wohnt, gezielt auf die Suche nach einem Nachfolger gegangen. Dabei war es ihm wichtig, dass alle vier Mitarbeiter mit übernommen werden. Im Endeffekt ist die Wahl auf Jens Lehmann gefallen, der den Fachmarkt „in seinem Sinne“ weiterführen wird. „Das ist ein Prozess, der dauert“, meint Blum.
Lehmann wird einiges anders machen. Die Internetseite befindet sich im Aufbau, das Angebot wird mit Malerarbeiten erweitert. Den passenden Mitarbeiter dafür hat er bereits gefunden. Der 45-Jährige ist froh, die Bank mit seinem Konzept überzeugt zu haben. Außerdem kann der renommierte Betrieb gute Geschäftszahlen vorweisen.
Nach der Wende, blickt Blum zurück, sei es schwieriger gewesen, einen Kredit zu bekommen. Zinssätze von zwölf Prozent kennen junge Menschen nur vom Hörensagen. „Ich bin damals richtig ins kalte Wasser gesprungen.“
Doch die teilweise auch harten Jahre haben den Geschäftsmann geprägt. „Mein Motto war immer: In finanziellen Dingen den Ball flach halten. Familie und Firma dürfen nie in Schwierigkeiten kommen.“ Die Einstieg in die Geschäftswelt hat Blum nicht vergessen. Auto, Hänger, große Leiter, ein Angestellter - das war’s. Als sein Unternehmen auf Hochtouren gelaufen ist, hat er 14 Mitarbeitern monatlich Lohn überwiesen.
Der Fußbodenlegermeister blickt auf seinen aufgeräumten Schreibtisch. Er geht mit einem lachenden und weinenden Auge. „Es war immer ein Miteinander“, lautet sein Fazit, die Mitarbeiter sind ihm ans Herz gewachsen. „Ich werde am letzten Tag noch einmal alles an mir vorbei ziehen lassen“, fügt er an. Andererseits freut sich Blum auf das Leben nach der Selbstständigkeit.
Der 65-Jährige plant mit seiner Frau Gabriele bereits verschiedene Radtouren, nach vielen Jahren im Büro will sich der Lindaer, der in Jessen zur Schule gegangen ist, mehr frische Luft um die Nase wehen lassen. Familie und Freunde haben ein Recht darauf, dass er mehr Zeit mit ihnen verbringt.
Zweimal Traumberuf
Eine Übergabe innerhalb der Familie ist nicht möglich gewesen. „Meine Töchter haben ihre Traumberufe gefunden“ sagt er. Die eine ist im Fernsehen zu sehen, die andere arbeitet als Polizistin. Vor dem offiziellen Ausstieg aus dem Berufsleben haben sich bereits viele Kunden von ihm persönlich verabschiedet.
Dies sei ebenfalls ein Grund, warum die Übergabe im Stillen erfolgt. Seinem Nachfolger gibt Blum nur wenige Tipps mit auf den Weg. Er soll immer ein gutes Miteinander mit allen Mitarbeitern pflegen und nicht zu sehr den Chef raushängen lassen. „Wichtig ist“, sagen die beiden Männer im Gleichklang, „dass alles nahtlos über die Bühne geht.“ Dieses Versprechen ist Gesetz. (mz)