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Eine wilde Blondine und «Wannenlenker»

Von Andreas Richter 18.06.2007, 16:26

Rade/MZ. - Es ist Sonnabendnachmittag, die Besucher im Festzelt am Radschen Gewässer haben sich gerade mit Kaffee und Kuchen gestärkt, als es passiert. Sie, die so unwiderstehlich jung und schön ist, kommt hinein. Frieda Goldkehlchen, die "schönste Nixe des Teiches", wie Moderator Walter Fromm sie ankündigt.

Schon der Name ist ein Gedicht für die Seele, ihr graziler Körper ließe Claudia Schiffer erblassen. Mit wallendem Haar mischt sich Frieda unter das Publikum, zieht dieses mit ihrem Lied, welches sie so temperamentvoll schmettert, in ihren Bann. Doch von der ersten Sekunde an hat sie fast nur einen fest im Visier: Lutz Schild, das gestandene Mannsbild. Ja, mit ihm könnte es was werden. Ihm würde sie sich hingebungsvoll widmen. Immer wieder sucht die blonde Versuchung seine Nähe, deutet seine ausweichenden Blicke als Herausforderung, alles zu geben. Plötzlich passiert es: Frieda Goldkehlchen reißt sich im Moment ihrer größten Leidenschaft die Bluse vom Leib, möchte Lutz Schild das bieten, was die anderen zwar auch sehen, aber nicht bekommen werden. Jedoch: Der so überraschend Beglückte sackt förmlich zusammen, seine Augen klammern sich krampfhaft an den Grashalmen unter dem Tisch fest, er scheint das Kaninchen vor der Schlange zu sein.

Und Frieda? Sie muss letztlich ohne ihn von dannen ziehen, konnte ihren Traumtypen nicht betören. Nun sei an dieser Stelle gesagt, dass die Radschen kein obszönes Heimatfest feierten. Und das sich Frieda Goldkehlchen vor Lutz Schild "entblößte", gehörte zum Programm und einen echten Frauenkörper bekam ohnehin keiner zu sehen. Unter der wallenden Frieda-Mähne steckte nämlich ein Mann. Einen, den sich der Veranstalter, der Heimatverein Rade, extra für die samstägliche Nachmittagsunterhaltung organisiert hatte. Klaus Hödel, sächsischer Humorist, parodierte nicht nur als Frieda Goldkehlchen, sondern brachte ebenso sein Wissen als Hausmeister Alfons Knackenbusch an die Frau und den Mann. Eine von den Gästen als sehr lachmuskelfördernd empfundene Veranstaltung.

Zwischen den einzelnen Programmpunkten, die im Vorfeld wochenlang in Regie des Heimatvereins und mit Unterstützung von Helfern und Sponsoren vorbereitet worden waren, blieb gar nicht so viel Luft zum Erholen. Der Samstagabend bot das Bild eines rappelvollen Zeltes zum Tanz mit Unterhaltungseinlagen einiger Einwohner. Nach Insiderinformationen fanden die Letzten erst am frühen Sonntagmorgen den Weg nach Hause. Sie mussten sich dann sputen mit dem Ausschlafen, schließlich ging es beinahe nahtlos mit dem Frühschoppen weiter.

Dem Munterwerden auf dem Tanzparkett folgte dann der Programmpunkt, der bei keinem der Heimatfeste in Rade fehlen darf, die Spiele am und im Teich. Allerdings scheinen sich hierbei leichte Veränderungen anzudeuten. Denn das bislang im Mittelpunkt stehende Teichlaufen erfreut sich offensichtlich nicht mehr so großen Interesses. Hätten sich am Sonntagnachmittag nicht einige Kinder gefunden, die den Parcours überwinden wollten, wäre dieser Teil des nassen Spektakels im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser gefallen.

Für Familie Gedenk waren es sehr erfolgreiche Teichspiele. Der jüngste Familienvertreter Chris Gedenk sicherte sich mit glatten 26 Sekunden den Sieg beim Teichlaufen. Was gar nicht einfach war, schließlich wurde das Ganze durch das Einbauen von Hindernissen erschwert. Rainer Gedenk machte wenig später beim Badewannenrennen ebenfalls eine gute Figur. Er schipperte als Schnellster über den Teich, in 1:32 Minute, erwies er sich als der beste Wannenlenker. Unter dem frenetischen Beifall der Zuschauer ließ er sich nicht von seinem Siegeskurs abbringen.

Dabei war die Konkurrenz groß. Unter dem Oberkommando einer eigens gebildeten NVA-Marineabteilung, die das Ganze sorgsam überwachte, schickten sich etliche Freizeitschiffer an, mit ihren teilweise sehr skurril gestalteten "Booten" die Wettkampfstrecke abzupaddeln. Wobei nicht alle da ankamen, wo sie hin wollten. Einige Badewannen wurden ungeplant zu U-Booten umfunktioniert. Walter Fromm, Mitglied des Heimatvereins, und sein Chef Dietmar Schugk waren jedenfalls zufrieden mit dem Fest. "Es ging ruhig los, von Stunde zu Stunde haben wir uns aber gesteigert", resümierte Dietmar Schugk am Rande des Geschehens. "Da haben sich die Mühen der Vorbereitung gelohnt."