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Dorffest in Reicho Dorffest in Reicho: Leckeres Hexenhaus zum Dorffest

Von Evelyn Jochade 27.07.2014, 14:10
Gleich zu Beginn der Märchen-Aufführung in Reicho erlebten die Zuschauer die Hexe Jutta in voller Fahrt.
Gleich zu Beginn der Märchen-Aufführung in Reicho erlebten die Zuschauer die Hexe Jutta in voller Fahrt. E. Jochade Lizenz

Reicho/MZ - Reicho ist wahrlich nicht groß. Aber immer gut für frische Ideen. So gibt es seit einiger Zeit zum Dorffest für Klein und Groß ein Märchenspiel vom „Reich- oer Teichtheater“. Die kleine Truppe, beliebig ergänzt durch Akteure aus umliegenden Dörfern, bzw. der Hauptstadt Berlin, wollte am Samstag „Hänsel und Gretel“ auf die Naturbühne am Dorfteich bringen. Doch wie sollte man im Hochsommer ein Knusperhäuschen bauen? Also schrieb man nach Pulsnitz und bekam tatsächlich nicht nur einfach eine Antwort, nein es kam ein Paket mit feinsten Lebkuchen aus dem Sachsenland.

Handlung leicht verändert

Nun konnte der Bau beginnen, auch der Feinschliff für das Märchenspiel, denn selbstverständlich veränderten die Reichoer dessen Handlung etwas. Da waren sie aber beileibe nicht die Ersten. Schon die Gebrüder Grimm, die die mündliche Überlieferung von den zwei im Wald ausgesetzten Kindern aufgeschrieben hatten, schrieben das Märchen mehrmals um. War es zunächst die eigene Mutter, die den Vater (Ina Preuß) zu dieser Handlung zwang, übernahm das ab 1840 eine böse Stiefmutter (Heike Noatsch). So auch in Reicho anno 2014. Darüber hinaus stellten die Reichoer Teichschauspieler der bösen Hexe (Jutta Trojandt) auch noch eine Schwester, die nette Kräuterhexe Pimpinella (Siegrid Däumichen) zur Seite. Die verstand zwar allerhand von ihren Kräutern, nahm aber die menschenfresserischen Ambitionen ihrer Schwester nicht ganz für voll. Wie hätte sie sonst die Kinder zu ihr ins Hexenhaus schicken können?

Eine Pizza für Hänsel

Dort angekommen, stürzten sich die Ausgehungerten sogleich auf die Lebkuchen, die auf dem Haus prangten und in einem Korb davor standen. Klar, dass der Hexe das Treiben nicht lange verborgen blieb. So wanderte Hänschen (Yvonne Meier), wie in der Originalfassung, in eine Transportkiste und Gretel (Karsten Hagenow) musste als Dienstmagd schuften. Wie bei Grimms wurde Hänsel einfach nicht fetter, auch wenn die Hexe Leckereien beim Berliner Pizza-Service (Ingo Wilhelm) bestellte. Der kam auf seiner Vespa angeknattert, allerdings aus Richtung Holzdorf. Doch Gretel, die ihrem Bruder das Essen bringen sollte, stopfte mit der Begründung, er dürfe nicht zunehmen, fast alles in sich hinein. Als das die Hexe sah, regte sie sich mächtig auf.

Nele Meier eröffnete mit ihrem Flötenspiel von „Hänsel und Gretel verliefen sich im Wald“ die Märchenaufführung. So wie sie waren am Gelingen des Auftrittes viele Reichoer beteiligt. Allerliebst präsentierten sich die kleinen Vögel, die eifrig die Brotkrumen aufpickten, die Hänsel zur Orientierung ausgestreut hatte. Yvonne Meier und Karsten Hagenow, die Darsteller des Hänsel und der Gretel sind auch im echten Leben ein Paar. Nur wollte Yvonne Meier, so ein Kommentar aus dem Publikum, auch mal die Hosen anhaben. Karsten Hagenow stand die strohblonde Zopfperücke aber ausgezeichnet. Bemerkenswert (ihr) sein Jammern vor Angst im dunklen Wald. Dabei schien die von Cedric getragene große gelbe Mondsichel hell und klar.

Die geplante Radtour am Freitag fiel leider wortwörtlich ins Wasser. Nicht so der abendliche Auftritt einer Livemusik-Gruppe aus Potsdam. Der hätte, so bemerkten Besucher am Samstag, allerdings mehr als 80 Zuhörer verdient. Die „Klasse-Band“ spielte bis gegen 1 Uhr morgens, mancher ältere Mitbürger meinte am nächsten Tag: „Das war doch etwas laut.“ Aber Dorffest ist doch nur einmal im Jahr.

Dass sie ein leicht aufbrausendes Gemüt besaß, mussten die zahlreich um die Spielstätte versammelten Zuschauer bereits zu Beginn der Vorstellung erfahren. Da hatte sie sich gefährlich nahe an das Publikum herangeschlichen und es war tatsächlich auch zu tätlichen Übergriffen mit dem Hexenbesen gekommen. Ihr Hunger auf Menschenfleisch war so groß, dass sogar das Unterteil ihres Hexengebisses in hohem Bogen aus ihrem Munde flog. Gut, dass es noch vor der ersten Zuschauerreihe zu liegen kam. Auf diese Weise angeheizt, verfolgten die Reichoer und ihre Heimatfestgäste genau, was da auf ihrer Bühne passierte.

Erzählerin eingeführt

Angeheizt war dann auch der Ofen, in dem, dank der mutigen Gretel, die böse Hexe und nicht Hänsel schmorte. Ende gut, alles gut, so wie es sich für ein ordentliches Märchen gehört. Und zu allem Überfluss fanden die Kinder nicht nur den Schatz der bösen Hexe und sich wieder nach Hause. Es fanden sich auch die Hexe Pimpinalla und der Vater der Kinder, denn die böse Stiefmutter war zwischenzeitlich gestorben. An ihrer Alkoholsucht, wie die Erzählerin (Jana Blochwitz) am Ende zu berichten wusste. Die Rolle der Erzählerin hatte man neu eingeführt, was den Fluss der Handlung sehr beförderte. Mit viel Beifall, der bereits ab und an im Stück den Darstellern zeigte, wie unterhaltsam ihr Spiel war, dankten die Zuschauer den Teichtheaterleuten ihren Einsatz. Aber auch das Publikum hatte Durchhaltevermögen gezeigt. Dann nämlich, als aus einer dunklen Wolke mehr als ein Regentropfen fiel.

Nach dem „Hänsel und Gretel“-Spiel präsentierten sich alle Darsteller dem Publikum und der Kamera der Reporterin.
Nach dem „Hänsel und Gretel“-Spiel präsentierten sich alle Darsteller dem Publikum und der Kamera der Reporterin.
E. Jochade Lizenz