Dammbau bei Gorsdorf Dammbau bei Gorsdorf: In der Eisenzeit gegraben

Gorsdorf - Was für Planer eine nicht wirklich geliebte Pflicht ist, bedeutet für Archäologen mitunter eine wissenschaftliche Fundgrube: die Begleitung der Sanierungsarbeiten an den Deichen. Bei Gorsdorf - hier wird demnächst ein weiteres Stück Elsterdamm DIN-gerecht ertüchtigt - hat Grabungsleiterin Janina Lamowski mit ihrem fünfköpfigen Team etliche Gruben unter sich, im wahrsten Sinne des Wortes. Ihre drei Wochen währende Arbeit neigt sich an dieser Stelle inzwischen dem Ende zu. „Wir haben insgesamt 91 Befunde erkannt“, berichtet sie der MZ.
Gute Augen und Erfahrung gefragt
Einen vier Meter breiten Suchschnitt hatte das Landesamt für Archäologie und Denkmalpflege bereits Mitte August anlegen lassen. Das bedeutet, der Mutterboden wird plan abgetragen und die zum Vorschein kommende Erdschicht freigelegt. Dann waren gute Augen und Erfahrung gefragt. Denn es sind lediglich Verfärbungen in dem Sand- und Lehmboden, die die Aufmerksamkeit der Archäologen fesseln. Farbliche Unregelmäßigkeiten in der Bodenstruktur könnten auf Spuren früherer Besiedlung hinweisen. Und tatsächlich sind es etliche - der Laie würde sagen - dunkle Flecken, die die Wissenschaftler genauer untersuchen mochten. Also wurde entschieden, hier zu graben.
„Auf die Größe dieser freigelegten Fläche bezogen, ist es hier richtig voll mit Archäologie“, resümiert Janina Lamowski. Es sind eindeutig Siedlungsreste früherer Zeiten, die hier die Jahrhunderte überdauert haben. Ohne sich schon genau festlegen zu wollen, manches deutet auf die Eisenzeit (achtes bis erstes Jahrhundert vor Beginn der Zeitrechnung) als Ursprung, meint die Grabungsleiterin.
Viele der dunklen Flecken sind nach ihrer Recherche Spuren von Pfosten. „Wenn ich mich auf den Damm stelle und von oben die Richtung der Pfosten verfolge, dann kommt heraus: Sie stehen alle in einer Richtung“, erläutert sie einen Aspekt ihrer Arbeit. Ob diese Pfosten seinerzeit ein Haus, einen Stall oder etwas anderes stabilisierten, lässt sich noch nicht sagen. Ihre Lage wird jedoch eindeutig ausgemessen, kartografiert, genau beschrieben und später in eine Computerkarte übertragen.
Viele Scherben gefunden
„Ordentlich viel“ Keramik haben die Mitglieder der Ausgrabungsgruppe ebenfalls gefunden, schildert Janina Lamowski. Teilweise lagen die Scherben im direkten Umfeld der Pfosten beziehungsweise in den gleichen archäologischen Strukturen, wie die Forscherin es ausdrückt. „Daher lassen sie sich zeitlich den anderen Befunden zuordnen.“ Auch diese Scherben werden vorsichtig geborgen, verpackt und im Landesamt genauer untersucht, sobald sie gründlich gereinigt sind. Die Keramikscherben, von denen Janina Lamowski gerade einen Gefäßboden in der Hand hält, sind eher spartanisch gestaltet, zeigen kaum Verzierungen. Auch dies sei ein Indiz für die Zuordnung in die genannte Entwicklungsperiode der Menschheit.
Sie weist auf einen anderen dunklen Punkt auf der Fläche. „Das hier war wohl mal ein Ofen“, vermutet sie. Und geht sogar noch weiter: „Etwas in Richtung Produktion.“ Anhand der Verfärbung des Querschnittes ins Ziegelrot zum Rand hin schlussfolgert sie das. Ob dieser Ofen, also eher diese Feuerstelle, einstmals zum Backen oder zum Brennen von Keramik oder ganz anderen Zwecken diente, wird sich vielleicht nach der Analyse der Bodenproben ergeben, die die Grabungsgruppe davon genommen hat. „Metallverarbeitung schließe ich aus“, antwortet Janina Lamowski auf eine MZ-Frage. Immerhin rechnet sie die Siedlung mutmaßlich der Eisenzeit zu. „Aber wir haben keine Abfallprodukte in Form von Schlacke oder ähnlichem gefunden“, begründet sie ihre Aussage. Generell haben sie und ihre zeitweiligen Mitarbeiter keine Metallreste entdecken können, fasst sie zusammen. Dafür aber eine Urne als Relikt einer Brandbestattung unmittelbar neben den Siedlungsresten, die nach jetzigem Wissensstand ebenfalls aus der Eisenzeit stammt.
Stück für Stück Geschichte
Für die Archäologen ist es eine wahre Sisyphusarbeit. Doch Stück für Stück wächst dadurch die Erkenntnis über die frühesten Besiedlungen der hiesigen Region. Es ist wie ein Puzzlespiel, das auf diese Art Form und Inhalt gewinnt. Dass sich die Grabungen stets nur auf ein begrenztes Areal beziehen, das auf der Fläche eines künftigen Dammes oder Deichverteidigungsweges liegt, mag dabei von den Wissenschaftlern zwar bedauert werden. Aber zumindest zeigen sie einen wissenschaftlich nachgewiesenen Ausschnitt der frühen Geschichte der Region.
„Wir haben auch hier ja nur einen Streifen freigelegt“, erläutert denn auch Janina Lamowski zu den Arbeiten bei Gorsdorf. Links und rechts dessen könnte es schon weitere Spuren alter Zivilisation geben. Aber die werden erst einmal weitere Jahrzehnte in Ruhe und unangetastet unter dem künftigen neuen Damm und in dessen Umfeld lagern. (mz)

