Chronik von Glücksburg Chronik von Glücksburg: Ein Dorf, das nie eines war

Linda - Mit seiner alten Heimat, dem Ort seiner Kindheit und Jugend, fühlt sich Dr. Reinhard Stolze bis heute eng verbunden. Der Wahlberliner wurde in Glücksburg geboren und empfindet es mittlerweile als Pflicht und Vergnügen, die Geschichte der Dörfer Glücksburg und Linda zu erforschen und für die Nachwelt festzuhalten.
Sein jüngstes Werk umfasst eine chronologische Aufarbeitung der Entstehung und Entwicklung von Glücksburg. Vorgestellt hat Stolze das Buch am Donnerstag im Vorfeld des Heimatfestes in Linda.
Sprudelnder Wissensschatz
Reinhard Stolze ist ein munterer Zeitgenosse. Wer ihn im Gespräch mit anderen beobachtet wird schnell bemerken, dass der einstige Agrarwissenschaftler Fremden und Freunden gleichermaßen offen zugetan ist. Bei jeder Konversation nimmt Stolze wissbegierig Informationen auf, gibt seinen Wissensschatz aber auch ebenso bereitwillig preis.
Es ist erstaunlich, was Stolze alles zu berichten hat. Namen, Zahlen, Fakten und Anekdoten gleichermaßen sprudeln ohne Unterlass aus ihm heraus. Wobei es passieren kann, dass er schnell die Themen überspringt. „Ich habe Schwierigkeiten, rechtzeitig aufzuhören“, bekannte er auch am Donnerstagabend in Linda freimütig, als er im Festzelt des Heimatfestes Linda vor interessiertem Publikum sein Buch vorstellte. „Glücksburg - 443 Jahre“, nannte Stolze seine Schrift unprätentiös.
Seinen Ursprung hat der Ort im Jahr 1576, als der sächsische Kurfürst August hier den Bau einer Burg beschloss. Es war vor allem die wald- und wildreiche Gegend, die den Herrscher zu der Entscheidung trieb. Ein wirkliches Dorf ist der Ort laut Stolze aber nie geworden. Bauern und Ackerland sucht man hier vergebens. Lediglich vier private Häuser verzeichnet die Chronik aus vergangenen Tagen.
Vier sind es noch immer, die man hier vorfindet. Dafür aber entwickelte sich auf dem Areal eine umtriebige Wirtschaft. Eine Glashütte stand hier, begründet durch August den Starken, ebenso eine Pechhütte. Eine LPG pflanzte auf 25 Hektar sogar Tabak an. Einen Namen hat sich Glücksburg vor allem aber als Sitz der Forstverwaltung gemacht.
Berühmte Menschen wie Peter Lange, später Otto Graf Bismarcks Privatförster oder Herrmann Obenaus, einem der zehn Leibjäger von Kaiser Wilhelm II., verrichteten in der Region als Förster ihren Dienst. Ohnehin, so Stolze in seinen Ausführungen, seien es vielfach Auswärtige gewesen, die in Glücksburg gearbeitet und zeitweise gelebt hätten. Als etwas Besonderes wurde daher in den Chroniken vermerkt, dass 1868 erstmalig ein Förster aus Mügeln auserwählt wurde, das Revier Lindas zu betreuen.
Verglichen mit seinen Nachbarn Linda (begründet 1410), Mügeln (1431), Seyda (1235) oder Oehna (1161) ist Glücksburg ein junges Dorf. Dafür kann der Ort von sich behaupten, zeitweise sogar das Kurfürstenzentrum Sachsens gewesen zu sein.
Namensgeber für die Heide
In der jüngeren deutschen Geschichte verlor Glücksburg jedoch zusehends an Bedeutung. 1974 schließlich wurde die Gemeinde gänzlich aufgelöst und nach Linda und Mügeln eingemeindet. Heute ist Glücksburg ein Teil der Stadt Jessen. Wenn auch ein wichtiger. Denn 18 Prozent der Gesamtfläche Jessens brachte Glücksburg mit in die „kommunale Ehe“ ein. Wodurch Jessen zur flächenmäßig elftgrößten Stadt Deutschlands aufwuchs.
Wer heute von oder über Glücksburg spricht, erwähnt vor allem dessen forstwirtschaftliche Bedeutung, kommt aber auch nicht umhin, die militärische Nutzung der Glücksburger Heide zu erwähnen. Die begründeten die Nationalsozialisten, in dem sie ab 1936 Bombenabwürfe auf dem Areal trainierten oder Kampfflugzeuge des Typs JU 87 „Stuka“ testeten. Rote Armee und NVA bedienten sich des Truppenübungsplatzes ebenso, wobei die Fläche speziell für die Rote Armee eine strategisch hohe Bedeutung hatte.
Reste der Burg existieren noch immer. Engagierte Bürger versuchen nun das auf 1575 datierte Kreuz- und Tonnengewölbe des Gebäudes für die Nachwelt zu erhalten. Eine dauerhafte Nachnutzung wäre wünschenswert, dürfte aber schwer sein.
Um so mehr freut es Stolze, der bei dem Vortrag einmal mehr von seinem Freund Dr. Reiner Helling aus Jessen unterstützt wurde, dass die einzige noch existierende Abbildung der Glücksburg, angefertigt im Jahr 1626, heute das Logo der Glücksburg Agrar GmbH ziert. Auch so lässt sich Geschichte bewahren. (mz)