Bahnhof in Linda im Landkreis Wittenberg Bahnhof in Linda im Landkreis Wittenberg: Bahnstreik geht, Sorgen bleiben

Linda - Der Bahnstreik geht, Sorgen bleiben. Denn auch wenn nun alle Züge wieder planmäßig rollen - bis zum nächsten Arbeitskampf -, an der Landesgrenze Sachsen-Anhalt/Brandenburg bleibt das Wort Deutsche Bahn weiter mit Emotionen verbunden.
Beispiel Linda im Landkreis Wittenberg. Der dortige Bahnhof ist der letzte Stopp, bevor man ins Brandenburgische rollt. Genutzt wird der Bahnhof gut. Vor allem Berufspendler Richtung Berlin und zurück sind täglich anzutreffen. Oder man fährt mit dem Zug zum Arzt oder Einkaufen in die Bundeshauptstadt. Dauert nicht so lang und ist so schön bequem mit dem Einstieg quasi vor der Haustür. Nur, die Sache mit dem Einstieg hakt mächtig.
Schon immer beschwerlich
Davon kann Hans-Joachim Fuchs ein langes Lied singen. Der Lindaer wohnt direkt an der Bahnstrecke und ist einer derjenigen, die regelmäßig mit der Bahn unterwegs sind. Wäre eben da nicht die Sache mit dem Ein- und Ausstieg. Denn der Bahnsteig in Linda liegt seit jeher tief. 38 Zentimeter Höhe sind es lediglich. Was im Normfall immer heißt, dass die Zugzustiege viel höher liegen. Dabei gibt es eine DIN (wir sind in Deutschland), die besagt, dass der Höhenunterschied maximal bei drei Zentimetern liegen darf und Bahnsteige eine Höhe von 55 Zentimetern haben sollen. In Linda ist das halt nicht der Fall, war eben schon immer so. Doch jetzt könnte das anders werden. Könnte.
Am Bahnsteig wird nämlich seit gut drei Wochen eifrig gebaut. Fuchs hat das natürlich umgehend mitbekommen und dachte sich: „Prima, jetzt wird das Problem mit der Höhe angepackt. Wird ja auch Zeit, ältere Menschen kommen sich schon vor wie Bergsteiger, an Rollstuhlfahrer mag ich gar nicht denken“. Der Bahnsteig wird in Teilen zurückgebaut, 150 Meter lang ist er dann in der neuen Version. Die nötigen Baumaterialien stapeln sich zuhauf rund ums Bahnhofsgebäude. Als sich der Lindaer mal anschaute, wie die ersten neu gesetzten Borde so ausschauen und just zu dieser Zeit wieder ein Zug in Linda stoppte, wurde er jedoch stutzig. Viel anders als zuvor sieht es nämlich immer noch nicht aus. Hatte da die Bahn etwa einen Fehler gemacht und sich bei der Planung vertan?
Hans-Joachim Fuchs fragte selbst beim großen Konzern nach, geriet an eine „wirklich bemühte und freundliche Mitarbeiterin, die sich kümmerte und auch unsere Sorgen nachvollziehen konnte. Ihre Antwort hat mich allerdings schon ein wenig geschockt. Nein, die Bahnsteige werden nicht so erhöht, dass man künftig problemlos in den Zug hinein und heraus kommt. Es fehlen weiterhin viele Zentimeter“.
Auf der nächsten Seite lesen Sie unter anderem mehr darüber, ob das Höhen-Problem am Bahnhof in Linda behoben werden soll.
Also versuchte Fuchs sein Glück bei der Zeitung. Vielleicht bekommt die mehr heraus. Letztlich ist das Ergebnis der Recherche - sagen wir mal - übersichtlich. Nachdem man endlich herausgefunden hatte, welche der vielen Gesellschaften der Bahn überhaupt zuständig ist und wer etwas sagen könnte, ging eine Mail mit Fragen an die entsprechende Adresse. Ist es so, dass der Bahnsteig in Linda nicht erhöht wird? Und wenn ja, warum?
Die Antwort kam sogar relativ rasch. Die Pressestelle des Regionalbüros Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen der DB Mobility Logistics AG ließ durch Erika Poschke-Frost in einer kurzen E-Mail wissen: „In Linda wird aktuell die Bahnsteigoberfläche instandgesetzt. Lindas Bahnsteig hat eine Bahnsteighöhe von 38 Zentimeter und diese bleibt erhalten.“ Keine Antworten auf die Fragen, ob man das Höhen-Problem kennt und warum es nicht behoben wird.
Immerhin, alle wissen nun, dass eine Sanierung nicht immer eine Sanierung ist, auch wenn es ganz danach ausschaut. In Linda setzt man nur instand. Dafür wird zwar alles weggerissen und neu gebaut, aber egal. Wenn die Bahn sagt, es ist eine Instandsetzung, ist es halt eine.
„Der Haltepunkt Zellendorf wird wie gehabt weiterhin bedient, alle zwei Stunden. Was sich ändert ist, das RE 5 und RE 3 die Linienäste im Süden tauschen, das heißt künftig hält in Zellendorf die RE 3“. Diese Information von Petra Dribbisch, Pressereferat Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung, dürfte im brandenburgischen Zellendorf, dem nächsten Haltepunkt nach Linda in Richtung Berlin, für Aufatmen sorgen.
Zuletzt gab es nicht nur Gerüchte, sondern sogar offenbar ernsthafte Überlegungen, in Zellendorf die Züge wieder durchfahren zu lassen. Eine Horrorvision für den Niedergörsdorfer Bürgermeister Wilfried Rauhut (parteilos, Zellendorf ist ein Ortsteil der Gemeinde Niedergörsdorf): „Wenn das tatsächlich passiert wäre, hätte ich mich nicht hingestellt, und meinen Bürgern diesen Blödsinn erläutert.“ Denn erst 2013 war der Haltepunkt in Betrieb gegangen.
„Das hat sehr viel Geld gekostet, der Haltepunkt ist an völlig neuer Stelle errichtet worden. Zuletzt kam noch die Neugestaltung eines Vorplatzes mit Parkmöglichkeiten dazu. Und dann überhaupt darüber nachzudenken, jetzt auf einmal wieder keine Züge mehr in Zellendorf anhalten zu lassen, ist aberwitzig“, so der Bürgermeister.
Ganz mit dem Thema Bahn und Zellendorf ist Rauhut aber offensichtlich noch nicht durch. Nach langem Kampf wieder einen Haltepunkt zu haben, war für ihn nur ein erster Schritt hin zum Ansinnen, die Bahn für den ländlichen Raum attraktiver zu machen. „Jetzt sind wir dran, dass nicht nur aller zwei Stunden ein Zug hält. Wir möchten den Stundentakt.“
Begründung des Bürgermeisters: „Wir sind Randlage der Bundeshauptstadt, viele Menschen unserer Region fahren dorthin zum arbeiten oder einkaufen. Um für alle die Bahn noch attraktiver zu machen, sollte und muss der Stundentakt kommen.“
Der Tritt bleibt vor Ort
Und noch etwas „Gutes“ hat die ganze Geschichte. Die Arbeit pfiffiger Lindaer bleibt nicht umsonst und muss jetzt nicht etwa ins Heimatmuseum geschafft werden. Um Älteren die Geschichte mit dem Ein- und Aussteigen zu erleichtern, schweißten sich Einwohner einen passenden Tritt zusammen. Ein schönes schwarzes Teil, es sieht sogar etwas altertümlich aus. Eingelagert ist es im Bahnhof und wird bei Bedarf immer hervorgeholt und wieder reingestellt.
Was, wenn unerwünscht?
Nur, was machen die Linder, wenn das eines Tages nicht mehr geht? Denn das Bahnhofsgebäude ist mittlerweile verkauft worden, befindet sich in Privatbesitz. Und da könnte es doch passieren, dass die neuen Eigentümer keine Lust mehr darauf haben, dass wegen eines Tritts ständig Leute bei ihnen im Haus stehen. Auf dem Bahnsteig einlagern? Vielleicht baut die Bahn den Einwohnern dann ein „Tritt-Häuschen“. (mz)

