Stollenbau Stollenbau: Brüchiger als erwartet
wiederstedt/MZ. - Elf Meter unter der Erde: Der Boden klebt. Zehn Zentimeter hoch steht ein Gemisch aus grauem Schlamm und eiskaltem Wasser, das die Gummistiefel umschließt. Aber Peter Siebert lässt das kalt. Der Bergbauingenieur und zugleich Bauleiter der Bergbauspezialfirma BST Mansfeld mit Sitz in Allstedt bahnt sich Schritt für Schritt den Weg durch den Wiederstedter Stollen. Immer gebückt. Schließlich ist der alle fünf Meter mit Neonleuchten erhellte Gang gerade einmal 1,60 Meter hoch und höchstens 60 Zentimeter breit.
Während oberhalb die Autofahrer auf der Sanderslebener Straße Gas geben, klopft er eine Haushöhe tiefer mit einem Meißel das so genannte Gebirge ab. Oder einfach: Er hämmert an das Gestein - um zu prüfen, wie brüchig es ist. Fündig wird er schnell. "Der Zustand des Stollens hat sich noch verschlechtert", sagt Siebert. Überall bröckelt das Gestein, rosten Stahlträger oder reist modriges Gebälk.
Erst vor vier Jahren hatten Experten den 500 Meter langen und Jahrhunderte alten unterirdischen Weg, der das Wasser in den Mühlgraben und später in die Wipper führt, untersucht. Das Ergebnis: vier große Einbruchstellen und mehrere kleine. "Wenn die nicht beräumt werden, sucht sich das Wasser einen anderen Weg, spült unkontrollierbare Hohlräume aus und es kann sogar dazu führen, dass sich ein Loch an der Oberfläche auftut", erklärt Siebert.
Glücklicherweise ist ein Unglück dieser Art bisher ausgeblieben. Den von der Europäischen Union bewilligten Fördermittel in Höhe von 1,4 Millionen Euro zur Sicherung sei Dank. So konnten die Arbeiten begonnen werden, bevor etwas Schlimmes passiert. Seit Ende Juli hat Bauleiter Siebert das Zepter im Stollen in der Hand und arbeitet sich nun Meter für Meter durch das Entwässerungssystem aus der Zeit des Kupferschieferbergbaus.
Die ersten 50 Meter sind bereits von Schlamm und Geröll befreit und mit ausgebessertem Mauerwerk gesichert. "Wir liegen gut im Zeitplan. Bisher. Aber der Stollen ist dunkel. Man weiß nie, was einen noch erwartet", sagt Siebert. Wenn alles nach Plan läuft, sind die Arbeiten im Spätherbst 2013 abgeschlossen. Und alle Einstiegsstellen wieder verfüllt.
Momentan tauchen die zehn Bergmänner an zwei Stellen in die Unterwelt ab. "Immer zu dritt, das ist Vorschrift, damit bei einem Unfall schnell geholfen werden kann", erklärt der Bauleiter. Eine weitere Teufe, also ein Schacht zum Stollen, soll in ein paar Wochen mitten im Garten einer Wiederstedter Familie gesetzt werden.
Zudem wollen die Bergmänner durch zwei Lichtlöcher zu den Bruchstellen vordringen, um sie zu beräumen. "Durch die vielen Einstiege haben die Bergmänner nicht so einen langen Weg", erklärt Siebert. Mit bloßen Händen füllen sie den Jahrhunderte alten Schlamm in Eimer. Mit einer Seilwinde wird er an die Tagesoberfläche befördert. "Nur wenn es die Bedingungen hergeben, nutzen wir auch einen Schlammsauger", sagt Siebert.
Während das Bergbauteam bei zwölf Grad plus unter der Erde durch den Stollen kraucht, kämpfen sich Archäologe Matthias Sopp und sein Mitarbeiter Mario Krüger im Park des Novalisschlosses von oben an die Bruchstellen heran. Mit einem Bagger und den bloßen Händen suchen sie nach Überbleibseln vergangener Jahrhunderte.
Die ersten kleineren Funde sind schon aufgespürt. "Wir haben Scherben aus der Stein- und Bronzezeit entdeckt und auch Dachziegel vom einstigen Kloster, das hier stand", erzählt Grabungsarbeiter Krüger.
Davon bekommen Siebert und seine Mitarbeiter wenig mit. Sie wühlen sich weiter durch die Schlammmassen - immer im Hinterkopf, den Wiederstedtern einen sicheren Untergrund zum Leben zu hinterlassen.