Stadtgeschichte Welbsleben Stadtgeschichte Welbsleben: Gedenken an Opfer des Todesmarsches

Welbsleben - Am Anger in Welbsleben, dort, wo heute zwei Nadelbäume stehen und sich ein Parkplatz befindet, gab es 1945 noch eine Wiese mit einem Nussbaum. Und dort lagerte vor 70 Jahren ein Tross an ausgemergelten KZ-Häftlingen. Das weiß Paul Geppert ganz genau. Der 79-jährige Einwohner des Ortes gehört zu den Zeitzeugen, die als Kind den Todesmarsch der Häftlinge vom Konzentrationslager Langenstein-Zwieberge durch Welbsleben miterlebten. Eine Interessengemeinschaft, die die Erinnerung an jene schrecklichen Ereignisse von 1945 wachhalten will, hat ein Ehrenbuch angelegt, in dem sich Geppert am Sonnabend eintragen durfte.
Sieben Häftlinge in Welbsleben beerdigt
Am 9. April 1945 setzte sich der Todesmarsch vom KZ Langenstein-Zwieberge, das hinter Wittenberg lag, in Gang. Etwa 3.000 KZ-Häftlinge sollen Richtung Westen getrieben worden sein. Es gibt weder offizielle noch inoffizielle Zahlen, wie viele diesen Marsch überlebt haben. Allgemeinhin spricht man von 500 Opfern. Der nächste Gedenktag soll in Bad Suderode stattfinden.
Er beschreibt die Häftlinge als „lebende Leichen“. Sie konnten kaum noch sprechen. Man hörte lediglich ein Stöhnen, berichtet der Anwohner von den Geschehnissen, die sich am 11. oder 12. April 1945 zugetragen haben.
„Wer nicht mehr konnte, der wurde erschossen“, sagte Geppert. Noch 70 Jahre später sind die Erinnerungen in seinem Gedächtnis lebendig.
Seine Mutter wurde von einem SS-Mann bedroht, als sie den Erschöpften Wasser aus einer Pumpe geben wollte. Sie solle das lassen, sonst lege er sie um, habe der SS-Mann zu seiner Mutter gesagt, hat Geppert die Szene noch genau vor Augen. „Das sind alles Schweine, die müssen verrecken“. Diese Worte des SS-Bewachers hallen in seinem Kopf immer noch nach.
Sieben Häftlinge wurden in Welbsleben beerdigt, erzählt der Zeitzeuge. Drei seien am Osterberg erschossen worden. Wie viele gerettet wurden, sei unklar. Doch von denen ist im Ort niemand heimisch geworden. Während die Häftlinge am Anger lagerten, kam auch von den Anwohnern kein Protest.
"Jeder hatte Angst"
„Aber wer kann es ihnen verdenken. Da hatte jeder Angst“, so Geppert. Die meisten hielten sich vom Anger fern. Trotz der Gefahr haben einige Anwohner den Häftlinge Unterschlupf geboten. Selma und Wilhelm Müller gehörten zu ihnen. Sie waren damals Gepperts Nachbarn. Zwei holländische KZ-Häftlinge haben die beiden auf ihrem Grundstück versteckt und mit Essen versorgt. Posthum wurden auch sie dafür mit einem Eintrag in dem Gedenkbuch geehrt. In diesem Gedenkbuch trägt Hans Richter von der Interessengemeinschaft Todesmarsch Zeitzeugenberichte aus den jeweiligen Ortschaften, die von dem Tross durchquert wurden, zusammen.
Mit einer roten Rose gedachten gut zwei Dutzend Teilnehmer der Erinnerungstour am Denkmal auf dem Friedhof den Opfern der Nazi-Barbarei. Mit dabei war auch Andries Gort, der extra aus Holland angereist war. Sein Onkel verlor im KZ Langenstein sein Leben.
Er gehörte in den Niederlanden dem Widerstand an und zeichnete politische Comics. „Dafür wurde er erst zum Tode verurteilt, bis seine Strafe nachher zu 15 Jahren Zuchthaus umgewandelt wurde“, so sein Neffe. Er war schon mit einer Schulklasse auf Spurensuche in Welbsleben. Eine Frau, so erinnert er sich, „die wollte zwar erzählen, konnte aber nicht und brach immer wieder in Tränen aus“. (mz)

