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Landgut Pfeiffhausen  Landgut Pfeiffhausen : Baby-Boom auf Ziegenhof

Von Wladimir Kleschtschow 08.03.2016, 09:29
Dieses Trio ist nur wenige Tage alt, sehr neugierig und schmusebedürftig wie die meisten Ziegen.
Dieses Trio ist nur wenige Tage alt, sehr neugierig und schmusebedürftig wie die meisten Ziegen. Jürgen Lukaschek

Pfeiffhausen - Das Mäulchen ergreift bei der Suche nach Milch den Finger, das Fell ist flaumweich: Das Zicklein auf dem Arm von Tobias Fritzsche ist keine vier Tage alt. Etliche andere tummeln sich im Stall, Rotlichtlampen spenden Wärme. Auf dem Landgut Pfeiffhausen ist ein Ziegenbaby-Boom. „Die meisten Ziegen haben ihren Nachwuchs schon bekommen“, sagt Tobias Fritzsche. Zuvor Prokurist, ist er seit Jahresanfang der geschäftsführende Inhaber des Landguts. Der bisherige Eigentümer Wilfried Voigt (72), der sich aus dem Geschäft zurückzog, baute seinen Nachfolger zielgerichtet auf.

Käseproduktion in Bio-Qualität

Dass der Molkerei-Fachmann Fritzsche das Ruder übernahm, ist optimal. So kann der Betrieb reibungslos weiter laufen, der neue Chef kennt sich aus. Die Käseproduktion in Bio-Qualität läuft gut. Der Hofladen wird ausgebaut, ein kleines Café kommt hinzu. Auch mehr Besucher sollen nach Pfeiffhausen kommen - sich über die Käse-Herstellung informieren, Ziegen und Lämmer sehen. Die Geburtssaison ist wichtig für den jungen Unternehmer. Die Ziegen geben wieder mehr Milch, der Nachwuchs wird für den Aufbau der Herde sowie für den Verkauf gebraucht. Unterstützt wird Fritzsche von Ludwig Schulze, Absolventen der Hochschule Anhalt. Seit Januar ist der 26-Jährige aus Güsten bei Bernburg auf dem Landgut angestellt. Der frischgebackene Landwirt muss hier allerdings noch einiges dazulernen. „Mit Ziegen habe ich wenig Erfahrung und viel Lektüre gibt es nicht“, sagt er. Auch für ihn ist das Zickeln, wie die Geburt bei diesen Tieren genannt wird, Premiere und Bewährung.

Gemeinsam mit den Chef kümmert sich Schulze um den Nachwuchs. Meist bekommen die Ziegen Zwillinge. Drillinge und Vierlinge habe es auch gegeben. Fünflinge seien möglich, kämen aber sehr selten vor, so die beiden. Gleich am ersten Tag werden die Kleinen den Müttern weggenommen. Das klingt hart, ist aber richtig. Denn die Bindung Muttertier-Lamm ist noch schwach. Würden sie länger zusammenbleiben, würden beide mehr an einer Trennung leiden, weiß Fritzsche. Gefüttert wird der Nachwuchs an den ersten Tagen mit der sogenannten Biestmilch - der ersten Milch der Ziege, die besonders viele Vitamine, Mineralien, Wachstumsfaktoren und Antikörper enthält und die Kleinen kräftigt.

"Mädchen" sind wertvoll

Gehofft wird nicht einfach auf zahlreichen Nachwuchs, sondern darauf, dass möglichst viele Zicklein weiblich sind. „Mädchen“, nennt sie Fritzsche „Die Mädchen sind besonders wertvoll, weil sie später Milch geben, die wir weiter verarbeiten“, erklärt er. „Die hier ist ein Mädchen.“ Fritzsche führt die Hand über das weiche Fell. Vielleicht wird das Zicklein einmal die Elvira ablösen. So heißt hier eine besonders kluge Ziege. Elvira ist die unumstrittene „Chefin“ der Herde. Für die männlichen Zicklein sind die Aussichten nicht rosig. Sie werden herausgefüttert, um irgendwann verkauft oder geschlachtet zu werden. Vor dem Schlachten werden sie kastriert, damit das Fleisch keinen unangenehmen Geschmack hat. Das mag brutal klingen angesichts des rührenden Aussehens der kleinen Zicklein. Doch so ist nun der Alltag in einem Landwirtschaftsbetrieb.

"Jungs" als Zuchtböcke

Eine einzige Chance haben allerdings auch die „Jungs“: Wenn sie besonders kräftig sind, können sie zu Zuchtböcken auserkoren werden. Dann, ja dann haben sie ein schönes Leben in einer mehr als 120-köpfigen Herde, die von nur fünf Ziegenböcken „bedient“ wird. Zwar stinken die Böcke ordentlich, jedoch sollen die Ziegendamen gerade das sehr sexy finden, sagen die Fachleute. Das Osterfest, ein trauriges Ereignis für viele Lämmer, wird der Nachwuchs auf dem Landgut Pfeiffhausen fast komplett unbeschadet überstehen. Denn Ziegenbraten gehört nicht zu den Esstraditionen in der Region. „Wir lassen nur einige Tiere schlachten“, sagt Fritzsche. Und freut sich, dass die Herde endlich viel mehr Milch liefert. Viele Gourmets essen schließlich nicht nur zu Ostern gern Käse. (mz)

Tobias Fritzsche (l.) und Ludwig Schulze im „Baby-Abteil“des Stalls.
Tobias Fritzsche (l.) und Ludwig Schulze im „Baby-Abteil“des Stalls.
Jürgen Lukaschek