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Kriegsende in Hettstedt Kriegsende in Hettstedt: Panzer bestimmten das Bild

Von Burkhard Zemlin 12.04.2015, 17:57
Ruinen in der Innenstadt.
Ruinen in der Innenstadt.  MZ/Archiv Lizenz

Hettstedt - Peter Kesseler, der heute in Bad Harzburg wohnt, hat den Einmarsch der US-Army in Hettstedt als zehnjähriger Junge miterlebt – am 14. April 1945, wie er sich erinnert. Drei Tage nach dem verheerenden Luftangriff auf die Stadt.

„Mit unserem Pflichtjahrmädchen fuhren wir mit unserem kleinen Handwagen zum Kohlenhändler Meyer“, schreibt er und erläutert den Begriff „Pflichtjahrmädchen“. In der NS-Zeit wurden Mädchen so genannt, die dazu verpflichtet waren, ein Jahr in einem kinderreichen Haushalt zu helfen.

Aufschrei vor dem Apollo-Kino

„Auf der Höhe des Apollo-Kinos in der Bahnhofstraße kamen uns die ersten amerikanischen Panzer aus Richtung Siersleben entgegen“, so Kesseler und fügt hinzu: „Unser Pflichtjahrmädchen schrie plötzlich auf und wir flüchteten, so schnell es ging, zu ihren Eltern, die in der Nähe wohnten.“

Ebenso wie Harald Schlanstedt, der als Kind den Einmarsch der Amerikaner in Wimmelburg erlebte, erinnert er sich an schier „endlose Kolonnen“ von Panzern und Armeefahrzeugen mit Kanonen. „Viele dieser Fahrzeugen blieben einige Zeit in Hettstedt auf dem Marktplatz“, so Kesseler .

Für Kinder interessant

Amerikanische Panzer bestimmten überall das Bild. Kesseler: „Nachdem etwas Ruhe in die Stadt einkehrte, wurde es für uns Kinder interessant, die auf dem Markt stationierten amerikanischen Soldaten zu besichtigen. Die cleversten und mutigsten von uns fingen an, um Schokolade zu betteln. Dabei hatten die Kleinsten und Niedlichsten die größten Chancen. Diese verteilten manchmal ihre Beute großzügig an die anderen.“

Trotz der Schokolade behielt Kesseler diese Amerikaner nicht eben in angenehm Erinnerung, er fand, dass diese „mit großer Arroganz“ auftraten, was ihm nicht gefallen hat. Allerdings kann er sich dieses Verhalten gut erklären: „Sie waren die Sieger und wir die Verlierer.“

In das Gedächtnis der Stadt eingebrannt hat sich die Bombardierung vom 11. April 1945. Bis dahin konnten die Hettstedter noch hoffen, dass ihre Stadt von Zerstörungen verschont bleiben würde. Das Ende des Krieges schien ja schon zum Greifen nah, die deutsche Wehrmacht befand sich praktisch in Auflösung. Doch wer geglaubt hatte, dass das Schlimmste überstanden sei, sah sich getäuscht. Denn am 11. April brach das Inferno über die Stadt herein, die „schwarz vor Menschen war“, wie sich Friedel Hohnbaum-Hornschuch erinnert.

Einheiten der Wehrmacht drängten auf der Flucht vor den Amerikanern durch die Stadt. Doch am Saigertor kamen sie nicht weiter, weil sich an diesem Nadelöhr alles staute. Und über diesem allgemeinen Gewimmel erschienen plötzlich Kampfflugzeuge mit ihrer todbringenden Last.

Charlotte Kober, die seinerzeit in der Feldstraße wohnte, sah die Flugzeuge kommen, vier an der Zahl. Etwa aus Richtung Gerbstedt-Welfesholz näherten sie sich der Stadt. Und Augenblicke später hat es auch schon gekracht, stiegen Staubwolken auf über der Stadt, suchten Menschen in panischer Angst irgendwo Schutz. Viele rannten ins Wäldchen an der Saigerhütte. „Doch da kamen Tiefflieger und schossen auf alles, was sich bewegte“, so Irma Rost, deren Familie sich erst zwei Tage später zurück in die Luisenstraße traute, wo sie nach ihrer Flucht aus der Bukowina provisorisch Unterkunft gefunden hatten.

Stadt nicht wiedererkannt

Insgesamt 51 Todesopfer waren nach diesem Luftangriff in Hettstedt beklagen, die Innenstadt glich einer Trümmerwüste. 109 Wohnungen wurden zerstört. Dem Krachen der Bomben folgte eine entsetzliche Stille, so Friedel Hohnbaum-Hornschuch, die sich mit ihrer Familie am 13. April aus dem Keller wagte, immer noch unter Schock. Was sie nun sah, machte sie fassungslos. Denn die Stadt, in der sie von Kindesbeinen an jeden Winkel kannte, existierte nicht mehr. Es gab nur noch Trümmer. (mz)