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Fitness-Hype bei Jugendlichen in Sachsen-Anhalt Jugendliche im Sportfieber: Warum Training so beliebt ist – und wann es zu viel wird

Joggen, Liegestütze, Gewichte stemmen: Immer mehr Jugendliche verbringen ihre Freizeit mit Sport. Was sie antreibt – und wann Training zur Gefahr werden kann.

Von Helene Kilb 18.08.2025, 15:12
Mit Hanteln zur Stärke: Auch Mädchen setzen beim Training auf Muskelaufbau.
Mit Hanteln zur Stärke: Auch Mädchen setzen beim Training auf Muskelaufbau. (Foto: Imago/Broker)

Halle (Saale)/Magdeburg. 250 Liegestütze, zehn Kilometer joggen, all das täglich – so sah das Sportpensum von Leonard Bork im Sommerurlaub aus. „Schon mein Papa und mein Opa waren Schwimmer auf der Sportschule“, sagt der 14-Jährige aus Halle. Sein Hang zum Sport scheint schon in der Familie zu liegen.

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Bis er mit elf Jahren zum Schwimmen wechselte hat Leonard Bork Fußball gespielt. Im Frühjahr dieses Jahres kam das Laufen dazu: „Mittlerweile mache ich sieben- bis neunmal in der Woche Sport“, sagt Bork, „zweimal schwimmen und fünf- bis siebenmal laufen und Workout für den Bauch sowie Liegestütze“.

Disziplin zahlt sich aus: Leonard Bork präsentiert seine Trainingserfolge.
Disziplin zahlt sich aus: Leonard Bork präsentiert seine Trainingserfolge.
(Foto: Jessica Quick)

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Sporttrend bei Jugendlichen: Millionen sind im Verein aktiv

Mit seiner Sportlust ist Bork nicht alleine. Anfang 2024 waren rund 7,8 Millionen Kinder und Jugendliche bis einschließlich 18 Jahre in einem Sportverein aktiv – deutlich mehr als im Jahr zuvor. Das zeigen Zahlen der Deutschen Sportjugend, dem größten Kinder- und Jugendverband im deutschen Sport.

Und auch die Kundschaft in den Fitnessstudios scheint jünger zu werden. Das lasse sich in Sachsen-Anhalt beobachten, sagt Sebastian Schröder, Vertretungsprofessor für Sportwissenschaft an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.

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„Allerdings gibt es eine Einschränkung: Sachsen-Anhalt ist als Flächenland charakterisiert, also als ein Bundesland mit großer Fläche und vergleichsweise geringer Bevölkerungsdichte und entsprechend weiten Wegen für manche Sportler.“ In Halle und Magdeburg als Sporthochburgen gebe es viele Menschen, die im Fitnessstudio trainieren.

Dagegen sporteln Menschen, bei denen das nächste Fitnessstudio nicht um die Ecke liegt, Schröder zufolge eher anderswo. Antrieb: Leistung und Fitness Was junge Menschen und allen voran Männer eint, ist ihre Motivation: „Im Bereich des Leistungssports gibt es drei Hauptmotive“, sagt Schröder, „und zwar Anschluss, Leistung und Macht“.

Fitness statt Freizeit: Warum junge Männer besonders ehrgeizig sind

Bei Frauen dominiere das Motiv des Anschlusses: „Dabei besteht der Wunsch, gemeinsam Sport zu treiben und dadurch zu einer sozialen Gruppe dazuzugehören.“ Daher besuchten Frauen jeden Alters eher Sportkurse oder trainierten in kleinen Gruppen. „Dagegen sind für Männer die beiden Motive Leistung und Macht große Treiber“, sagt Schröder.

„Bei der Leistung geht es darum, die körperliche Leistungsfähigkeit auf die Spitze zu treiben, etwa immer mehr Gewicht zu heben oder eine bestimmte Anzahl an Durchläufen zu schaffen. Das ist ein Motiv, das gerade junge Männer besonders antreibt“, so Schröder. Das Motiv der Macht besteht darin, durch die körperliche Entwicklung größer, stärker und damit auch einflussreicher gegenüber anderen zu werden. Ein weiteres starkes Motiv sei Ästhetik.

Ausdauer statt Pause: Leonard Bork hält sich mit regelmäßigem Laufen fit.
Ausdauer statt Pause: Leonard Bork hält sich mit regelmäßigem Laufen fit.
(Foto: Jessica Quick)

Dagegen spielen andere Faktoren wie Gesundheit oder Entspannung bei Trainierenden in dieser Altersgruppe eine untergeordnete Rolle. Fitness, Vorbilder, SocialMedia Für Leonard Bork aus Halle steht der Spaß an erster Stelle: „Sport ist mein Hobby.

Daneben mache ich es aber auch, um fit zu bleiben und vielleicht irgendwann an meine Vorbilder heranzureichen“, sagt er. Etwa an Arda Saatçi, einen Ultramarathonläufer aus Berlin: „Von ihm habe ich mich inspirieren lassen, öfter laufen zu gehen.“

Eine weitere Rolle spielt der Wunsch, die freie Zeit sinnvoll zu nutzen und mit dem eigenen Körper zufrieden zu sein: „Ich mag das Gefühl, den inneren Schweinehund – wie man so sagt – zu überwinden und zu spüren, dass ich die Kontrolle über meinen Körper habe – und nicht der Schweinehund“, sagt Bork.

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Er findet: „Auch wenn man keine Lust hat, laufen zu gehen, sollte man es trotzdem tun, um ein bisschen disziplinierter zu werden.“

Neben dem Ultra-Athlet Arda Saatçi hat Bork noch ein weiteres Vorbild, den niederländlisch-belgischen Autorennfahrer Max Verstappen: „Seine Mentalität ist sehr bedeutend für mich, der Gedanke, dass man alles tut dafür, um zu gewinnen, und nicht nachlässt.“ Das sei auch seine Ambition: „Ich versuche immer, Bestzeiten zu schwimmen.“

Social Media als Turbo für den Fitness-Hype

Generell findet er aber: „Man sollte sich nicht mit anderen messen, sondern nur versuchen, ein bisschen besser zu sein, als man gestern war.“ Sich nicht mit anderen Sportlern zu vergleichen und dadurch unter Druck setzen zu lassen, ist jedoch nicht immer einfach. Das liegt auch an den sozialen Medien, die der Sportprofessor Schröder als starken Einflussfaktor für den vorherrschenden Fitnesstrend sieht.

Dazu passt, dass die Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen diese stärker nutzt als alle anderen Altersgruppen: Knapp drei von vier Menschen in diesem Alter sind täglich auf Instagram, Facebook, TikTok und Co. unterwegs, viele weitere mindestens wöchentlich, wie die ARD-ZDF-Medienstudie 2024 zeigt.

„Fitness-Influencer haben extrem hohe Followerzahlen, was mit Bekanntheit und Einfluss einhergeht“, sagt Schröder. „Sie vermitteln konstruierte Schönheits- und Leistungsideale und den Eindruck einer Realität, die in der Wirklichkeit nicht gelebt werden kann.“

Einen Zusammenhang wissenschaftlich nachzuweisen, sei schwierig. „Aber die Vermutung liegt nahe, dass der Einfluss von Social Media durchaus Ängste erzeugt oder vorhandene verstärkt: etwa die Angst davor, dass die eigene Leistung abfällt, oder davor, nicht mit Gleichaltrigen mithalten zu können“, sagt Schröder.

Wenn Ehrgeiz zur Sportsucht wird

Setzen sich junge Menschen stark unter Druck, kann das Nebenwirkungen haben: „Besonders für sehr leistungsorientierte Menschen besteht die Gefahr einer Sportsucht“, sagt Schröder. „Daneben sind es ästhetische Argumente, die eine große Rolle spielen und damit das Suchtpotenzial erhöhen. Betroffene können tatsächlich in eine Art Spirale geraten.“

Und: Gerade im Fitnessstudio kommen Jugendliche recht problemlos mit aufputschenden Substanzen in Kontakt. „Das müssen nicht einmal Steroide oder andere Dopingmittel sein, theoretisch reicht ein Koffein-Aspirin-Gemisch, um die eigene Leistung zu steigern“, sagt Schröder. Insofern ist es ratsam, als Eltern ein Auge auf die Aktivitäten seines Kinds zu haben.

Bei Leonard Bork, dem 14-Jährigen aus Halle ist es so: „Manchmal finden sie es ein bisschen extrem, was ich mache, aber das gehört vermutlich dazu. Grundsätzlich finden meine Eltern den Sport aber gut, solange mit der Schule alles passt.“ Während viele Sportarten unabhängig vom Alter ausgeübt werden können, ist Krafttraining jedoch an bestimmte Voraussetzungen geknüpft: „Das biologische Alter ist ganz wichtig“, sagt Schröder.

„Denn wenn zwei Jugendliche laut Ausweis 14 Jahre alt sind, kann ihr biologisches Alter vielleicht erst bei zwölf oder schon bei 16 Jahren liegen. Und die Unterschiede zwischen einem auf biologischer Ebene zwölf- und einem 16-Jährigen sind immens, sodass es ein Fehler wäre, beide 14-Jährige gleich trainieren zu lassen.“

Krafttraining im Jugendalter: Worauf Experten achten

Das biologische Alter entscheidet etwa darüber, ob das Muskelwachstum gut funktioniert oder nicht: „Das Alter lässt sich an den Wachstumsfugen ablesen, und je nachdem, ob diese offen sind oder schon weitgehend geschlossen, kann man eine Empfehlung fürs Training abgeben“, sagt Schröder.

„Große Fugen weisen auf ein niedrigeres biologisches Alter hin und entsprechend darauf, dass erst wenig Testosteron im Körper ist. Bei fast geschlossenen Fugen sind viele Wachstums- und auch Sexualhormone im Körper – und damit auch die nötigen Hormone, um das Muskelwachstum überhaupt zu ermöglichen.“

Auch die körperliche Verfassung und die Vorerfahrung spielen eine wichtige Rolle. „Je besser trainiert jemand ist, desto größer darf auch der Trainingsumfang sein“, sagt Schröder. Daneben kommt es auf die richtige Technik an.

„Jugendliche sollten unter Aufsicht, mit einer klaren Bewegungsanweisung und nicht bis hin zur Ermüdung trainieren“, sagt Schröder. Das stellt sicher, dass sie die Bewegungen korrekt ausführen. „Und die Muskeln sollten immer etwa 48 Stunden Regenerationszeit haben, um nicht zu überlasten.“

Insgesamt sieht der Sportwissenschaftler den Trend jedoch vor allem positiv. „Ein gutes Krafttraining, das sauber ausgeführt wird, ist auf jeden Fall immer zu empfehlen. Wünschenswert wäre dabei unbedingt, den Fokus auf ein individualisiertes Training zu legen“, sagt Schröder.