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Einsame Schachfreunde König und Dame verstauben derzeit in der Walbecker Klosterschänke

Die Schachfreunde Hettstedt kümmern sich um den Nachwuchs. Die organisierten Turniere sind ein Renner. Welche Probleme es durch Corona gibt.

13.04.2021, 10:49

Walbeck

Kalt ist es in der Klosterschänke Walbeck. Die Zeiten, in denen in den historischen Gemäuern Bier ausgeschänkt wurde, sind Geschichte. Längst nicht so lang ist es her, dass hier Schachspieler allen Alters grübelnd Könige, Damen und Bauern in die besten Positionen brachten. Die Schachfreunde Hettstedt haben hier ihr Trainings- und Wettkampfdomizil. Schuld daran ist, dass es in der Schänke so ruhig wie wohl nie in ihrer Historie ist, natürlich, die Corona-Krise. Die Pandemie sorgt dafür, dass auch beim Schach Wettkampfpause ist, nur noch online gespielt werden kann.

Auch die Mitglieder des Vereins „Schachfreunde Hettstedt“ müssen natürlich gegenwärtig auf direkte Duelle an den Brettern verzichten. „Klar ist es möglich, im Internet zu spielen. Aber das ist nicht das Gleiche. Die Atmosphäre ist ganz anders, man sitzt keinem Menschen gegenüber“, sagt Dirk Michael. Der 53-Jährige ist der Vereinsvorsitzende bei den Schachfreunden, spielt schon mehr als vier Jahrzehnte Schach und kennt sich in der „Szene“ aus. Nicht zuletzt deshalb sagt Michael: „Alle warten, dass es endlich weitergeht. Wir dürften ja spielen, aber nur unter freiem Himmel. Das geht doch nur im Sommer. Irgendwann erinnern sich die Kinder nicht mehr an Schach. Bis jetzt halten uns alle die Treue, aber ob das so bleibt?“

Schach-Boom durch Netflix-Serie „Damengambit“

Dann fügt der Hettstedter hinzu: „Wir haben in etwa gleichbleibende Mitgliederzahlen. Kleine Vereine haben es schwer, aber das trifft ja nicht nur auf Schachvereine zu.“ Einen interessanten Fakt hat Michael zudem parat: „In den Dörfern und Gemeinden verschwinden die Vereine, in den Städten wachsen die Mitgliederzahlen.“ Apropos Mitglieder. Seitdem die Netflix-Serie „Damengambit“ ausgestrahlt wird, boomt das Interesse am königlichen Spiel. „Die Serie hat mehr zur Popularisierung des Schachs beigetragen, als es der Verband je könnte“, sagt dann auch Dirk Michael.

Dabei ist es gerade der 53-jährige Hettstedter, der gemeinsam mit einigen Mitstreitern viel für die Entwicklung des Schachs hierzulande tut. „Wir gehen schon in die Kindergärten, arbeiten mit mehreren Kitas zusammen, allen Grundschulen in Hettstedt und den Gymnasien zusammen. Dass es in den Kindergärten so gut läuft, war eine Überraschung“, sagt er. Wann denn der beste Zeitpunkt ist, mit dem Schachspielen zu beginnen? „Mit vier Jahren kann man es versuchen. Das Schachspiel sorgt für eine unglaubliche geistige Anregung, es gibt unendlich viele Kombinationen, und kaum eine vergleichbare Sportart“, macht Michael Werbung in eigener Sache. Und freut sich darüber, dass es schon einige der Hettstedter Schachspieler zu Meistertiteln im Kreis, in Sachsen-Anhalt und in Deutschland gebracht haben.

Weihnachts-Turnier auf Schloss Mansfeld schnell ausgebucht

Wie rührig die Schachfreunde sind, zeigt sich an einem weiteren Aspekt: Der Verein organisiert zahlreiche Turniere, die längst auch außerhalb der Kreisgrenzen einen hervorragenden Ruf genießen. Vor allem die Startplätze beim Weihnachts-Turnier auf Schloss Mansfeld sind sehr schnell ausgebucht. „Ohne große Werbung gibt es dafür Anfragen aus ganz Europa. Sogar Spieler aus Holland und Luxemburg waren zuletzt dabei“, freut sich Michael über das große Interesse an den Turnieren, die im Sommer über vier und Winter über drei Tage gehen. „Die Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen vom Schloss klappt hervorragend, beide Seiten profitieren“, sagt der Vereins-Chef und hofft, dass auch in diesem Jahr Turniere ausgetragen werden.

Auch im Mannschafts-Wettkampfsport sorgten die Hettstedter zuletzt für Furore. So stieg die erste Mannschaft des Vereins in die Verbandsliga auf. Umso ärgerlicher, dass eben derzeit keine Wettkämpfe stattfinden. Insgesamt fünf Mannschaften aus Hettstedt sind aktiv im Spielbetrieb, das Spiellokal ist die „Klosterschänke“ Walbeck. „Wir sind dankbar dafür, dass wir hier spielen können“, sagt Michael und hofft, dass er, seine Mitstreiter und vor allem die vielen Kinder endlich wieder loslegen können. (mz/Ralf Kandel)