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Geheimaktion auf Burg Falkenstein Geheimaktion auf Burg Falkenstein: Wie 1992 ein versteckter Kunstschatz geborgen wurde

Von Wolfram Bahn 05.11.2016, 16:00
Die Burg Falkenstein hütete fast 50 Jahre lang das Geheimnis um das versteckte Familienerbe.
Die Burg Falkenstein hütete fast 50 Jahre lang das Geheimnis um das versteckte Familienerbe.  Fotos (2): Chris Wohlfeld

Hettstedt - Es war einer der spektakulärsten Funde in Sachsen-Anhalt: Im März 1992 wurden in einer Nacht-und-Nebel-Aktion auf Burg Falkenstein hunderte Haushalts- und Kunstgegenstände geborgen, die die gräfliche Familie im Frühjahr 1945 vor den anrückenden Truppen der Alliierten versteckt hatte. Sie lagen in einem unbekannten Verlies direkt unter der „Spinnstube“, die jeder Besucher passiert, der die Burg besichtigen will. Wenn Hans-Peter Sommer an jene Zeit zurückdenkt, laufen die Ereignisse von damals bis heute wie ein Film vor seinen Augen ab.

Hans-Peter Sommer wurde am 20. Februar 1944 im heutigen Humboldt-Schloss in Hettstedt-Burgörner geboren. Sein Vater, ein Österreicher, fiel im Frühjahr 1945. Seine Mutter stammte aus Mansfeld. Nach dem Studium hat Sommer bis 1990 als Lehrer für Physik, Mathematik, Astronomie und ESP gearbeitet. Nach dem Zusammenbruch der DDR wurde das CDU-Mitglied der erste Landrat des Landkreises Hettstedt. Nach der Fusion mit Eisleben wurde Sommer im Jahre 1994 zum Landrat des Landkreises Mansfelder Land gewählt. Dieses Amt hatte er bis zur Bildung des Landkreises Mansfeld-Südharz zum 1. Juli 2007 inne. In dieser Zeit hat er viel erlebt. Für die MZ plaudert der Ex-Landrat aus dem Nähkästchen.

„Ich war gerade zwei Jahre Landrat und hatte genug um die Ohren, um die vielen neuen Dinge zu bewältigen“, erinnert sich Sommer. Er war als Landrat auch für die Burg Falkenstein zuständig, die bis 1994 zum Landkreis Hettstedt gehörte und als Museum geführt wurde. Inzwischen ist schon einiges über den „Schatz von Falkenstein“, wie der Fund später genannt wurde, erschienen.

Auch in Büchern über die Geschichte der Burganlage findet sich in der Regel ein Kapitel dazu. Doch die Fotos von der abenteuerlichen Aktion, die Sommer in jener Nacht vom 20. zum 21. März 1992 gemacht hat, sind erstmals zu sehen. So wie viele Details seiner Schilderungen bislang kaum bekannt waren.

Geheimniskrämerei um die Aktion „Magdeburg“

„Eigentlich war ich überhaupt nicht erbaut darüber, dass er nachts dorthin gefahren ist. Denn er war erkältet und hatte Fieber“, erzählt seine Frau Waltraud. Sie saß zu Hause „wie auf Kohlen“ und machte sich mit jeder Stunde, die verrann, immer mehr Sorgen um ihren Mann. In den frühen Morgenstunden tauchte Sommer endlich wieder in Hettstedt auf. Was er rund um die Geisterstunde im Innern der Burg erlebt hatte, das konnte seine Frau kaum fassen.

Die Geheimniskrämerei um die Aktion „Magdeburg“, so der Deckname der Suche nach dem Familienschatz der früheren Burgbesitzer begann schon Wochen vorher. Auslöser war ein Schreiben von Karl-Christoph Graf Rothkirch, einem Sohn des Grafen Lothar von der Asseburg-Falkenstein, dem letzten Burgherrn auf Falkenstein bei Kriegsende. Der versiegelte Brief, den die damalige Museumsleiterin erhalten hatte, sollte „erst nach ausdrücklicher Zustimmung“ des Absenders geöffnet werden - wie es auf dem Umschlag hieß. Und dieses Signal kam am 17. März.

Sommer fühlte sich wie „in einem Krimi“. In dem Schreiben eröffnete der gräfliche Nachkomme den Adressaten, dass hunderte Gegenstände des Familienbesitzes in zwei verborgenen Räumen der Burg lägen und er sie wieder herausholen wollte.

Das Papier war ein „Gedächtnisprotokoll über die Sicherung von Kunst- und Kulturgut auf dem Falkenstein im Frühjahr 1945“, wie die Auflistung überschrieben war. „Mir schien das unvorstellbar zu sein“, hatte Sommer damals erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt des mysteriösen Briefes aus dem Westen.

Landrat Sommer zieht einen Notar zu Rate

Schließlich habe es in den Jahrzehnten nach Ende des Krieges etliche Um- und Ausbauarbeiten auf der Burg geben. Einige Filme wurden dort gedreht. Und es herrschte reger Besucherverkehr. Wie sollten da zwei Räume übersehen worden sein?, fragte er sich. Und Sommer stand noch vor einem anderen Problem: Ein Gesetz zur Rückübertragung beweglicher Güter war damals erst in Arbeit. Wie also mit dem Fund verfahren, wenn an der Geschichte doch was dran ist?

Der Landrat zog einen Notar zu Rate. Der empfahl, Stillschweigen zu bewahren, keinen Weiteren zu dem Termin mitzunehmen und die übergeordneten Behörden zu informieren, falls man was findet. Sommer legte vorsichtshalber eine Aktennotiz darüber an. Dann kam der 20. März 1992. Graf Rothkirch begrüßte den Landrat und die Museumsleiterin am Tor der Burg.

Vor der Schatzsuche müssen Mitglieder eine Erklärung unterzeichnen

Doch bevor die Gruppe, der sich auch die Ehefrau von Rothkirch und ein Wachmann angeschlossen hatten, auf die Schatzsuche ging, ließ Sommer sie in der Waschküche der Burg eine Erklärung unterzeichnen.

Demzufolge sollte alles, was gefunden wurde, an einem sicheren Ort aufbewahrt und inventarisiert werden, bis eine Entscheidung über den weiteren Verbleib gefällt werden könne. Dieses schnell aufgesetzte Schreiben sollte den Landrat später noch vor großem Ungemach bewahren.

Gegen halb sieben Uhr abends wurde es dann ernst. In der „Spinndiele“ machte Rothkirch Halt und zeigte auf eine Stelle im Boden. Dann wurden einige Ziegelsteine, „über die bestimmt vorher tausende Leute getrampelt sind“, vorsichtig aufgenommen. Darunter kam Holz zum Vorschein, „und mein Herz schlug immer höher“, sagt Sommer im Rückblick. Der Einstieg in das Versteck war gefunden. Als man mit einer Taschenlampe den darunter liegenden Raum ausleuchtete, „sahen wir große Haufen mit Bettzeug, Tischdecken und anderem Hausrat“.

Schatz befindet sich hinter einer Wand

Sommer war enttäuscht: „Das war nicht das, was ich erwartet hatte.“ Doch es sollte noch ganz spannend werden. Als man die Sachen in den „schiefen Saal“ geschafft und aufgelistet hatte, zeigte Rothkirch plötzlich auf eine der Wände in dem nun leeren Raum und ordnete an, dort ein Loch zu schlagen. Dann hielt jemand eine Taschenlampe hinein und nicht nur Sommer war überwältigt. „Im Lichtstrahl glitzerte Schmuck, herrliches Geschirr war zu sehen und auch ein altes Kreuz“, hat der Landrand im Ruhestand dieses Bild noch heute klar vor Augen.

„Es war märchenhaft“, bekennt Sommer. Er fühlte sich in jenem Moment an die Szene erinnert, als Howard Carter im Jahre 1922 im Tal der Könige in einer Pyramide durch ein Loch sah und das Grab des Tutanchamuns entdeckte. Und was ihn noch faszinierte: „Auf den Gegenständen in dem zweiten Raum befand sich kein Staub.“ Man brauchte die halbe Nacht, um alles nach oben zu schleppen. „Als wir fertig waren, gönnten wir uns ein Gläschen Sekt“, so Sommer.

3.000 einzelne Stücke konnten auf Burg geborgen werden

Rund 3.000 einzelne Stücke wurden in jener Nacht geborgen und später von Museumsmitarbeitern aufgelistet. Die meisten Stücke stammten aus dem 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Ein Großteil des Porzellans war mit dem Signet der berühmten Königlichen Porzellan-Manufaktur (KPM) aus Berlin versehen. Dazu gesellten sich Mobiliar, Gemälde, Münzen, Bücher und andere Schriftstücke wie etwa zwei Nachdrucke des „Sachsenspiegels“, einer Art Gesetzwerk aus dem Mittelalter, das auf der Burg Falkenstein entstanden ist.

Langer Streit um den „Schatz vom Falkenstein“

Der Landrat entdeckte damals unter den Fundstücken auch ein Original-Fenster aus der Burgkapelle, dessen Kopie gerade eingebaut worden war. Auch ganze Ritterrüstungen lagen in dem Raum. Keiner verriet ein Wort über die nächtliche Aktion.

Sommer setzte allerdings den damaligen Regierungspräsidenten Kleine in Kenntnis. Der sei kurz darauf zum Falkenstein gekommen und habe beim Anblick der gefundenen Stücke „regelrecht Bauklötze gestaunt“, sagt Sommer und muss dabei heute noch grinsen.

Doch das Lachen weicht aus dem Gesicht, wenn er daran denkt, was ihm etwa drei Jahre später deswegen passiert ist. Wenige Monate zuvor war die Burg Falkenstein im Zuge einer Gebietsreform an den Landkreis Aschersleben-Staßfurt gegangen. Sommer hatte nach eigenem Bekunden geglaubt, die Sache mit den gräflichen Fundstücken sei inzwischen erledigt. Doch er sollte sich darin getäuscht haben.

Der „Schatz vom Falkenstein“ lag unberührt in den Depots des Museums. Man ließ nichts nach außen dringen aus Angst, Diebe könnten sich in der ungesicherten Burg der wertvollen Kunstgüter bemächtigen. Und dann waren da ja noch langwierige Rechtsfragen über den Verbleib oder die Rückgabe der Fundstücke zu klären.

Jedenfalls gingen Burg samt Personal im Juni 1994 an den Aschersleber Kreis und damit in die Obhut seines Amtskollegen Leimbach. Sommer war inzwischen Landrat vom Mansfelder Land mit Sitz in Eisleben geworden. An die Burg Falkenstein dachte er damals nicht mehr. Bis plötzlich ein Verwandter des gräflichen Schatzsuchers eine Anzeige erstattete, weil der Landkreis und das Museum angeblich unbefugt Gegenstände aus dem Fund herausgegeben hätten.

Daraufhin leitete die Staatsanwaltschaft ein Verfahren ein. Und Sommer musste eine ganze Latte von Fragen beantworten. Er nahm sich einen Anwalt und ließ sich vom Kreistag eine Aussagebefugnis erteilen. Im August 1995 musste Sommer bei der Staatsanwaltschaft als Zeuge Rede und Antwort stehen. Zum Glück konnte er die Vereinbarung vorlegen, die er vor der Öffnung der Räume in der Waschküche auf dem Falkenstein von allen hatte unterschreiben lassen. Für die Ermittlungsbehörde hatte Sommer richtig gehandelt und sich nichts zuschulden kommen lassen. Die Sache war erledigt.

Teil des Fundes auf Auktion bei Sotheby’s in London versteigert

Der Rechtsstreit um den „Schatz vom Falkenstein“ zog sich dagegen noch lange hin. Ein Teil des Fundes wurde im Jahre 2002 auf einer Auktion bei Sotheby’s in London versteigert. Es waren Gegenstände, die Graf Friedrich von der Asseburg-Rothkirch zugesprochen wurden. Sein Onkel hatte 1945 den Familienbesitz auf Falkenstein versteckt. Ein Teil davon ist auf der Burg, die mittlerweile zur Stiftung Dome und Schlösser in Sachsen-Anhalt gehört, verblieben und kann dort besichtigt werden. Der Initiator der abenteuerlichen Aktion, Karl-Christoph von Graf Rothkirch, ist dagegen leer ausgegangen. Sein Vater, der 1984 verstorben ist, hatte ihn enterbt. (mz)

Beim nächsten Mal geht es um den legendären „Giftzug von Hettstedt“.

Das nächtliche Protokoll.
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Bahn
Graf Rothkirch (l.) und seine Mithelfer feiern die Entdeckung.
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Sommer
Unmassen an Geschirr wird gefunden.
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Winterfeld
Hans-Peter Sommer hat auch ein Buch mit einem Kapitel zur Geheimaktion.
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Winterfeld