Galerie-Tag in Hettstedt Galerie-Tag in Hettstedt: Fotos kurz vor dem Erdbeben in Nepal

Hettstedt - Eine Fotoreise hatten Marcus (30) und Alexander (27) Vaupel aus Gerbstedt nicht geplant, als sie in diesem Frühjahr 28 Tage lang in Nepal an der Grenze zu Tibet unterwegs waren. Die Bilder seien mehr oder weniger im Gehen entstanden, sagte Marcus Vaupel (30) bei der Vernissage zum 4. Tag der offenen Galerien in Hettstedt. Berührend sind nicht allein die Motive, die die beiden Brüder gefunden haben. Die Aufnahmen sind unmittelbar vor dem verheerenden Erdbeben in Nepal entstanden. Nur anderthalb Tage, bevor die ersten schweren Erdstöße die Region erschütterten, waren sie wieder zu Hause.
Der Tag der offenen Galerien in Hettstedt erfreut sich stetig steigender Resonanz. Waren es bei der Premiere 2012 fünf Galerien, sind es nun bereits zwölf gewesen: die Alte Druckerei Heise, das Kopierzentrum, die City-Galerie (Tagespflege am Markt), der Molmeckturm, die Summa-Passage, das Saigertor, die Arztpraxis Drescher, der Kunstzuckerhut, die Galerie 112, das Humboldt-Gymnasium, die Buchhandlung „Die Bücherfee“ und die Hafenbar.
Mit der Foto-Ausstellung beteiligte sich die Hafenbar an der Berggrenze zum ersten Mal am Galerie-Tag in Hettstedt. Auch für die Brüder Vaupel war es die erste Ausstellung. Die beiden sind mit den Betreibern der Hafenbar/Kleine Welt, Marco Köhler und Christian Czeh, befreundet. In einem Gespräch fassten alle gemeinsam den Entschluss, am Tag der offenen Galerien teilzunehmen. Wie Köhler sagte, werde man sicher auch beim nächsten Mal dabei sein.
Die Bilder wirken gut im ehemaligen Duschraum der Bergarbeiter. Ein überdimensionales Bullauge lässt Marine-Stimmung aufkommen. Daneben das Bild eines nepalesischen Bergdorfes. Straßen, wie wir sie hierzulande kennen, gebe es dort nicht, erzählte Marcus Vaupel der Besucherin Rosi Reichwein. Im Hintergrund ist eine senkrechte Felsformation zu sehen, die in den Augen der Brüder an eine überdimensionale Orgel erinnere.
2.500 Bilder sind entstanden
Die Faszination der Landschaft ist das eine. Die geschilderten Geschichten lassen die Besucher noch einmal innehalten. Auch Rosi Reichwein. Sie erfährt von einem Jungen, den die Brüder in jenem Bergdorf angetroffen haben. Abends kam er zurück; in durchnässter Kleidung. Er komme von der Schule, habe dafür zehn Kilometer laufen müssen, so Vaupel.
300 Kilometer hat es die beiden Reiselustigen durch das Land getrieben. Über zahlreiche Pässe, verschlungene Wege. Rund 2.500 Bilder sind dabei entstanden. Bilder von einem 900 Jahre alten buddhistischen Tempel in Tsarang, Gipfelfahnen auf dem Lo-Manthang beispielsweise.
Auf die persönliche Fahne haben sie sich das Helfen geschrieben. Hilfe für ein Dorf namens Basa. Dorther stamme das Team, das die Brüder auf ihrer Reise begleitet und unter anderem aus drei Köchen und sechs Trägern bestanden habe. Das Dorf sei durch das Erdbeben komplett zerstört worden, berichteten sie. „Für den Wiederaufbau wollen wir direkt spenden“, so die Brüder. Eine Spendendose steht in der Hafenbar bereit.
Mit diesem Wissen um die Entstehung der Bilder betrachte man die Bilder noch viel intensiver, meinte Ingrid Meier. Die Hettstedterin hatte sich mit ihrem Ehemann Horst extra mit dem Rad auf den Weg gemacht, um so viele Ausstellungen wie möglich besuchen zu können. „Auf jeden Fall noch die in der Druckerei und im Kunstzuckerhut“, sagten sie.
Insgesamt zwölf Ausstellungen konnten besichtigt werden - ein Paradies für Kunstliebhaber. Das Konzept des mittlerweile 4. Galerie-Tages scheine anzukommen, freute sich Initiator Jochen Miche vom Druckerei-Verein.
In der neuen Buchhandlung „Die Bücherfee“ am Markt zeigt Karin Paul ihre Fotografien. Erstmals. Ungeschönt - das heißt, ohne nachträgliche Bildbearbeitung - sind verlassene und teils verfallene Industriebauten zu sehen. Der Hettstedter Güterbahnhof zum Beispiel, dessen Aufnahme einen am Boden liegenden Tresor zeigen soll. Ein Lieblingsmotiv sei für sie allerdings die ehemalige Wippraer Kinderklinik, in der sie selbst von 1977 bis 1984 gearbeitet habe. Die Bilder bestechen durch ihre festgehaltenen Lichtverhältnisse und Perspektiven - aufgenommen übrigens mit einer Handykamera.
In der Alten Druckerei kann sich der kunstinteressierte Manfred Stern an einem Acrylbild vom Saigertor gar nicht sattsehen. Die Künstlerin Brigitta Mehwald hat bei diesem Hettstedter Wahrzeichen mit Spachtelmasse unter der Farbe gearbeitet. „So sieht es aus wie Putz“, sagt sie und lauscht den Geschichten Sterns, der sich daran erinnern kann, wie das Tor Anfang der 1970er Jahre nicht nur für den Verkehr, sondern später auch einmal für Fußgänger gesperrt gewesen sein soll. (mz)

