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Kleine Reparaturen nötig Droht den Miniaturburgen in Gerbstedt jetzt der Verfall?

In Gerbstedt findet man Dutzende Statuen, Miniaturburgen und -züge. Erbaut hat sie Günther Beinert. Doch der 90-Jährige kann die anfallenden Reparaturarbeiten nicht mehr leisten.

Von Robert Horvath 12.11.2023, 10:30
40 Tonnen schwer, 38 Meter im Umfang, 100.000 verbaute Steine und ein Jahr Arbeit: Das Schloss Mansfeld im Gerbstedter Schlosspark ist Beinerts größtes Modell.
40 Tonnen schwer, 38 Meter im Umfang, 100.000 verbaute Steine und ein Jahr Arbeit: Das Schloss Mansfeld im Gerbstedter Schlosspark ist Beinerts größtes Modell. (Foto: Robert Horvath)

Gerbstedt/MZ. - Spaziert man durch die Straßen von Gerbstedt, so muss einem zwangsläufig die Frage in den Sinn kommen, ob man sich nicht in einem einzigen, großen Freilichtmuseum befindet. Und damit läge man wahrlich nicht falsch. Denn neben den über 40 Burgenmodellen verschiedenster Größe, die man in allen Ecken der Ortschaft entdecken kann, findet man hier auch 28 Miniaturen hallescher und internationaler Eisenbahnen und Lokomotiven.

Beinerts Miniaturburgen sind deutschlandweit zu finden

Hinzu kommen diverse Statuen. Erbaut wurden sie von Günther Beinert, ehrenamtlich, wie er sagt. Die Freude der Spaziergänger, egal ob von Nah oder Fern, sei ihm Lohn genug. Einige der Besucher waren im Laufe der Zeit allerdings derart begeistert, dass er immer wieder Anfragen aus anderen Städten bekam, er möge etwas Ähnliches doch bitte auch bei ihnen errichten.

Das Ergebnis: Beinerts Burgen sind heute deutschlandweit zu finden. Doch der mittlerweile 90-Jährige, der noch dieses Jahr seine letzte Lokomotive erbaut und seine Miniaturen instand gehalten hat, muss sich nun eingestehen: „Es ist gesundheitlich nicht mehr möglich.“ Doch was passiert nun mit den Kreationen, die Beinert als Geschenk an die Stadt und ihre Bevölkerung bezeichnet? Wer kümmert sich um deren Erhalt?

Soldaten an einer Kanone
Soldaten an einer Kanone
(Foto: Robert Horvath)

Kleinere Reparaturen an den Modelle nötig

Bereits jetzt haben einige der Modelle kleinere Läsuren. „Das ist ganz normal und lässt sich nicht vermeiden“, so Beinert. Zwar seien die Miniaturen im Großen und Ganzen wetterfest, doch Wind, Kälte und Hitze hinterließen nach einigen Jahren zwangsläufig ihre Spuren.

Die Schäden hielten sich derzeit noch im Rahmen, so Beinert. Er spricht von Kleinigkeiten, die gemacht werden müssten: die Schilder erneuern, ein wenig Farbe hier, etwas Mörtel da und eine Säuberung im Frühling. Gern auch unter seiner Anleitung.

Doch getan werde derzeit nichts. Bei einem Besuch im Stadtrat hieß es, dafür gebe es weder Geld noch Personal. Das könne er auch nachvollziehen. Die Stadt war bisher bemüht und habe einen Teil der Pflege übernommen, so Beinert.

Nur wenn sich in Zukunft niemand um die Behebung der Schäden kümmern würde, wären diese ab einem gewissen Punkt womöglich nicht mehr reparabel. Und das wäre ein herber Verlust: „Lokomotiven aus Beton, so etwas gibt es nicht noch mal“, so der Erbauer.

Auch Figuren fertigt Günther Beinert
Auch Figuren fertigt Günther Beinert
(Foto: Robert Horvath)

Ausbildung zum Maurer und Fliesenleger

Wer also soll die Miniaturen bewahren, die so vielen Menschen Freude bereiten, wenn es die Stadt nicht tut? „Es wäre mein Wunsch, dass sich Leute finden, die Interesse haben, die Pflege zu übernehmen“, so Beinert. Das könnten Sponsoren sein oder Freiwillige. Auch Patenschaften oder eine Spendenaktion, um Geld für den Erhalt zu sammeln, könne er sich vorstellen.

Doch wie ist Günther Beinert, eigentlich zu seinem Hobby gekommen, von dem er erzählt, es sei seine Lebensaufgabe gewesen? Aufgewachsen ist er im Gerbstedter Stadtkern, in einem Haus, direkt neben dem Gefängnis. Als er 1945 gemeinsam mit seinem Großvater im Hof saß, entdeckten beide auf einmal Hände auf der Gefängnismauer.

Sie wurden Zeugen eines Ausbruchs dreier Gefangener. „Wir haben bloß gestaunt, was passiert“, erinnert sich der 90-Jährige. Beim Hinunterklettern seien sowohl Ziegel zerbrochen als auch das Dach beschädigt worden. Aus dem Schutt habe er dann kleine Bunker und Stellungen gebaut. „So ist meine Freude zum Bauhandwerk entstanden.“

Daher überrascht es nicht, dass er vom Wunsch Eisenbahner zu werden abkommt und 1948 eine Ausbildung zum Maurer und Fliesenleger beginnt. Bereut habe er diesen Schritt nie: „Die Arbeit hat mir immer Spaß gemacht, sonst wären manche Hobbys nicht entstanden.“

Modell einer Lok
Modell einer Lok
(Foto: Robert Horvath)

Interesse durch Sammelbilder

1949 baut er im elterlichen Haus seine erste Burg, „eine Fantasieburg“, erinnert sich Beinert. Und 1957 die erste in der Öffentlichkeit. Es sollte nicht die Letzte gewesen sein. Zu DDR-Zeiten habe das jedoch nicht allen gefallen, erinnert sich der 90-Jährige.

Vorwürfe, er würde damit den Feudalismus verherrlichen, wurden laut. Außerdem würde er nur Westburgen bauen. Von seinem Hobby abgehalten hat ihn das nicht. Das Interesse für die imposanten Bauwerke stammt einerseits von geschenkten Zigarettenbildern, also Sammelbildern, die Zigarettenschachteln beigelegt waren und auf denen Burgmotive zu bestaunen waren.

Andererseits aus den Zeiten des Zweiten Weltkrieges, als er und die anderen Bewohner bei Luftalarm im Kloster Schutz suchen mussten. „Die alten Gemäuer haben mich fasziniert“, so Beinert.

Später baut er auch Eisenbahnen und Lokomotiven, um den örtlichen Eisenbahnverein zu unterstützen. Entstanden ist ein regelrechtes Museum, in dem man unter anderem eine Miniaturausgabe der Ludmilla, der stärksten Diesellok der Welt, bestaunen kann. Die konnte er zu seinem 90. Geburtstag im Halleschen Eisenbahnmuseum, dank einer Einladung von Freunden, sogar im Original bestaunen. „Das war fantastisch.“