Cafe "Heimatbuch" in Eisleben Cafe "Heimatbuch" in Eisleben: Zwei Löwen über dem Portal

eisleben/MZ - Das Haus Lutherstraße 27, das die Eisleber seit einiger Zeit als Cafe „Heimatbuch“ der Eheleute Elke und Lutz Hiller kennen und schätzen, ist für Gerhard Wendt das Haus seiner Vorfahren. „Hier lebte am Ende des 19. Jahrhunderts mein Urgroßvater, der Tischlermeister Louis Wagner, mit seiner Familie. Danach übernahmen sein Schwiegersohn August Bärenfänger und sein Sohn Hans die Tischlerei. In den 1950-er Jahren wurde diese dann von der HO übernommen. Um diese Zeit befand sich in den unteren Hofräumen die Werkstatt des Malermeisters Leitzbach.“
Zunftzeichen über der Tür
Den Namen Louis Wagner hat auch A. Gottschalk schon gehört. „Mein Opa erzählte mir, dass der Meister dort eine Werkstatt hatte“, schreibt er, während Helmut Fritsche auf einen im Hausflur eingebauten Schrank hinweist und anmerkt: „Über der Haustür ist ein Zunftzeichen angebracht. Mir hat mal jemand erzählt, es wäre ein Gerberzeichen. Denkbar wäre es, denn die Böse Sieben fließt ja hinter dem Haus und Gerber brauchten viel Wasser.“
Viel aus dem Haus gemacht
Helga Meyer bestätigt das und findet, dass es sich um ein prächtiges Zunftzeichen der Gerber aus dem Jahr 1718 handelt. „Man muss besonders würdigen, was die Eheleute Elke und Lutz Hiller aus dem Gebäude gemacht haben, das sie am 27. Januar 2012 als Lesecafe ,Heimatbuch’ eröffneten“, ist sich Helga Meyer mit anderen Lesern einig. Ernst-Peter Schelm ist sehr angetan von dieser Adresse im ältesten Teil der Stadt. „In der Chronik wird die Straße zum ersten Mal im Jahr 1529 als ,langegass’ erwähnt. Spätere Namen sind dann ,Langgasse’ (1569) und schließlich ,Lange Gasse’“, schreibt er und ergänzt, dass hier am 19. Juli 1689 ein Feuer ausbrach, das insgesamt 127 Wohnhäuser zerstörte, unter anderem auch Luthers Geburtshaus.
Alte Hausmarken verdrängt
„Also stammen unsere Häuser alle aus späterer Zeit“, schlussfolgert Ernst-Peter Schelm, der in Georg Kutzkes Buch „Aus Luthers Heimat“ (Jena, 1914) einiges über das bereits erwähnte Wappen gefunden hat, das die Fassade schmückt. „Kutzke äußert sich ausführlich zu den Eisleber Hausmarken“, schreibt er und fügt hinzu: „Wir erfahren, dass die Hausmarken und nicht der Name des Besitzers für das Haus wichtig waren und sie als ,unveränderliche Notwendigkeit der Rechtsgemeinschaft’ galten.
Kutzke bedauert, dass die Hausmarken etwa ab 1700 in Vergessenheit gerieten und dafür Monogramme oder Gewerbezeichen auftreten. Dazu nennt er Beispiele, so das Gerberwappen am Haus Lutherstraße 27. Das Wappen wird von zwei Löwen gehalten, darüber steht, getrennt durch drei Rosen, die Jahresangabe ,Anno 1718’ und unter den Wappen der Name ,Andreas Hetdrich sen.’ Nach dem Bürgerbuch von Eisleben leistete ein Andreas Hedrich am 19. Februar 1715 den Bürgereid. Das Haus könnte also 1718 seinem Vater oder ihm selbst gehört haben.
Nach den Adressbüchern gehörte das Haus im Jahr 1892 dem Böttcher Carl Täubert, 1901 dann dem Tischlermeister Louis Wagner. Dessen Witwe lebte noch 1929 im Haus. 1936 gehört es dem Tischlermeister August Bärenfänger.“
Nebenan eine Bäckerei
Ernst-Peter Schelm: „Die benachbarte Nummer 26 beherbergte lange eine Bäckerei. In den Adressbüchern von 1892 bis 1904 wird der Bäckermeister Hermann Pfeiffer genannt, 1912 dann Robert Kellner, dessen Witwe 1914 die Bäckerei mit ihrem Sohn Franz weiterführt. Dieser wirbt 1929 für seine ,Konditorei und Bäckerei mit elektrischem Betrieb’ als ,Bestellgeschäft ersten Ranges mit Spezialitäten, Konfitüren und Schokoladen.’
Die Lange Gasse wurde 1872 umbenannt in Dr.-Luther-Straße, nach 1945 wurde sie dann zur einfachen Lutherstraße.“
Gerti Kulas verrät, dass ihre Tochter Peggy in dem Haus wohnt. Nach der Sanierung ist sie eingezogen. Eine Wendeltreppe führt in die Wohnung. Ihr gefällt das Haus und das Lesecafe mit seiner netten Atmosphäre.
30 Euro gewonnen
Gerhard Wendt aus Eisleben hat 30 Euro gewonnen. Das Geld liegt in der MZ-Redaktion, Plan 7, bereit.