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Zeitgeschichtliches Forum Zeitgeschichtliches Forum: Eine Klassenfahrt in die Geschichte

Von Johannes Killyen 21.05.2002, 17:00

Leipzig/MZ. - "DDR-Geschichte?", fragt Samuel. "Ja ein bisschen was haben wir da behandelt in der Schule." Mehr Zeit zum Reden bleibt vorerst nicht, denn Johannes Träger hat die Führung durch das Zeitgeschichtliche Forum in Leipzig begonnen. Träger, ein Lehramtsstudent, erzählt von der Übernahme der SPD durch die KPD, von Rosinenbombern und Verhörmethoden der DDR-Staatssicherheit. Es ist 11 Uhr.

30 Schülerinnen und Schüler aus Leverkusen-Schlebusch, alle aus der zehnten Klasse und etwa 16 Jahre alt, hören zu und folgen Träger, der gezielt die Exponate zu den großen geschichtlichen Ereignissen ansteuert. "Im Zeitgeschichtlichen Forum geht es vor allem um die Aufarbeitung der SED-Diktatur", wird Museumspädagogin Bettina Effner später sagen. Die ganze Ausstellung ist in einer Stunde nicht zu bewältigen. So entdecken die Schüler viele Details erst später, als sie allein umherstreifen. "Ist ja interessant, dass die auch Madonna-Platten hatten in der DDR", ruft jemand.

Eva Görgen, Kunst- und Englischlehrerin aus Leverkusen, ist beeindruckt vom Zeitgeschichtlichen Forum. Nur die Zwischentöne, sagt sie, hätten ihr bei der Führung gefehlt, das Alltagsleben. "Der junge Mann hat das mit so einer Distanz erzählt", findet sie. Mit ihrer Kollegin Jutta Tölle aus Halle spricht sie noch lange über die Ausstellung. Nach der Führung werden die Schüler aufgeteilt, jede Gruppe soll eine Aufgabe zum Thema "Umweltbewegung in der DDR" bearbeiten.

"Eine kurze Zigarettenpause nur, bitte", rufen die Jugendlichen aus Leverkusen. Michael Rösgen, der Geschichtslehrer, vertröstet die Gruppe auf die Mittagspause. Einige ziehen sich in die Bibliothek zurück, wo es viel Material zum Thema Umweltbewegung gibt. Bettina Effner erklärt, hilft, beantwortet Fragen. Was denn "SED" genau bedeute, will ein Mädchen wissen.

Bald sind viele Blätter vollgeschrieben, die Gesichter vor Eifer erhitzt. Marco und Tanja schreiben ebenfalls, haben sich aber direkt in der Ausstellung niedergelassen - am originalgetreu nachgebauten Schreibtisch des Chemnitzer Stasi-Chefs. Über ihnen hängt ein Bild, das Lenin und Feliks Dzierzinsky, den Gründer der sowjetischen Geheimpolizei Tscheka, zeigt. "Schon ganz interessant hier", finden sie. Dann ist Mittagspause, die meisten essen Pizza beim Italiener.

Gegen 14 Uhr finden sich Cornelia Lobmeier vom Zeitgeschichtlichen Forum und Ralf Elsässer zum Gespräch ein. Beide kennen die DDR-Umweltbewegung, Elsässer war selbst darin aktiv. Die Leverkusener Schüler haben Fragen vorbereitet und bringen ein schönes Gespräch in Gang. "Wie war denn das Umweltbewusstsein in der DDR", will jemand wissen. "Und waren Ihre Aktionen gefährlich?" Elsässer erzählt von Unterschriftenaktionen, die die DDR-Umweltbewegung als Spendenaktion tarnte.

Schließlich spricht Cornelia Lobmeier über DDR-Identität. "Erst nach der Wende merkte ich vollends", sagt Lobmeier, "wie sehr mich die DDR geprägt hatte." Es ist 15.30 Uhr. Die Gruppe trennt sich zum Stadtbummel.