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Hier sollen Wohnungen entstehen Wohnungsprojekt in Halle (Saale): So sieht es im Inneren der "Tripperburg" aus

Von Dirk Skrzypczak 10.08.2017, 11:16
Ver­mut­lich mehr als 5.000 Frauen wurden zu DDR-​Zei­ten in eine ge­schlos­sene Abteilung der Poli Mitte zwangs­ein­ge­wie­sen.
Ver­mut­lich mehr als 5.000 Frauen wurden zu DDR-​Zei­ten in eine ge­schlos­sene Abteilung der Poli Mitte zwangs­ein­ge­wie­sen. Günther Bauer

Halle (Saale) - Die Eingangstür kratzt über den Boden und lässt sich nur mit großem Kraftaufwand öffnen. Über dem Portal prangt noch der Schriftzug „Ärztehaus Mitte“. Seit 20 Jahren steht die einstige Poliklinik in der Kleinen Klausstraße leer.

Innen blättert der Putz von den kahlen Wänden, der Staub der Zeit und Schutt haben die Regie über die Immobilie übernommen. Kostja Künzel steht im Eingangsbereich, blickt nach oben zum Rippengewölbe an der Decke - das an eine Kirche erinnert - und schwärmt. „Das Objekt war vor allem in der Renaissance ein ganz herrschaftliches Gebäude. Es ist zu einem modernen Wohnhaus zu entwickeln, ein spannender Prozess“, sagt der Geschäftsführer der Bauart GmbH aus Leipzig.

Zweifelhafter Ruhm als „Tripperburg“ in Halle: Frauen zu DDR-Zeiten eingesperrt und gequält

Die Firma hatte das mächtige Ensemble in Halles Innenstadt im Dezember 2016 von der Frankonia Eurobau übernommen.

Die „Poli Mitte“ hat nicht nur aufgrund ihrer zentralen Lage einen hohen Stellenwert für die Stadt. In der jüngeren Vergangenheit kam das Haus als „Tripperburg“ zu einem zweifelhaften Ruhm. In den 1960er und 70er Jahren wurden Frauen und Mädchen zur „Disziplinierung“ in die geschlossene Abteilung für Geschlechtskrankheiten gebracht, die sich in der Poliklinik befand.

Dieses grausame Kapitel dominierte zuletzt die Erinnerungen an das Denkmal, das 1532 als Hofanlage errichtet worden war und im 18. und 19. Jahrhundert das „Hotel zum Kronprinzen“ in seinen stattlichen Mauern beherbergte. Anfang der 1920er Jahre hatte die AOK das Haus übernommen und ein Treppenhaus angebaut. In der DDR wurde das Gebäude zur Poliklinik.

„Poli Mitte“ in Halle: Zwei Jahrzehnte Leerstand haben Spuren hinterlassen

„Seit Anfang Juli bauen wir in Absprache mit dem Denkmalschutz die neuzeitlichen Einbauten zurück. Wir wollen wissen, wie sich die einzelnen Bauphasen darstellen“, sagt Künzel. Unter anderem werden Zwischenwände entfernt, die als Arzt- oder Behandlungszimmer dienten.

Zwei Jahrzehnte Leerstand haben ihre Spuren hinterlassen. Durch undichte Stellen im Dach ist Feuchtigkeit eingedrungen. Holzbalken wurden in Mitleidenschaft gezogen, die Nässe dringt von oben nach unten durch. „Aus diesen Gründen können wir auch keinen genauen Zeitplan nennen, wann wir mit dem Umbau fertig sind. Auch die Höhe der Investitionskosten richtet sich nach dem Aufwand, den wir haben“, erklärt der Geschäftsführer.

Sanierung der „Poli Mitte“ in Halle: 35 Wohnungen sollen entstehen

Einige Details lässt er im Vor-Ort-Termin mit der MZ aber durchblicken. 35 Wohnungen unterschiedlicher Facetten sollen eingerichtet werden. Ist das Objekt mit einer Nutzfläche von 3 500 Quadratmetern einmal fertig, wird die Bauart GmbH die Immobilie vermarkten. Der Innenhof, von der Großen Nikolaistraße zugänglich, soll den späteren Bewohnern als Ort der Erholung dienen.

Stellplätze für Autos sind hier nicht vorgesehen. „In dem Gebäude warten einige Herausforderungen auf uns, beispielsweise die verschiedenen Höhenniveaus, bedingt durch verschiedene Bauzeiten“, sagt Künzel. Und eine Überraschung haben die neuen Eigentümer auch gefunden - eine prächtige Säule, die eingemauert wurde und im einstigen Saal steht, in dem schon Dichterfürst Goethe an einem Kongress teilgenommen haben soll. Auch sie wird aus der Vergessenheit geholt. (mz)

Besuch in der Tripperburg - Treppenhaus
Besuch in der Tripperburg - Treppenhaus
Holger John / VIADATA Photo
Geschäftsführer Kostja Künzel, Projektleiterin Heike Bärsch und Bauleiter Torsten Schwarz sind überzeugt, dass die ehemalige Poliklinik zu einem attraktiven Wohnquartier wird.
Geschäftsführer Kostja Künzel, Projektleiterin Heike Bärsch und Bauleiter Torsten Schwarz sind überzeugt, dass die ehemalige Poliklinik zu einem attraktiven Wohnquartier wird.
Holger John